>Hahneköppen« in Glaadt

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Alljährlich wiederholt sich am Kirmesmontag im Jünkerather Ortsteil Glaadt das »Hahnenköppen«, ein Brauchtum, das nicht nur Einheimische anlockt; ein rühriger Kirmesverein hält dies schon seit Jahrzehnten wach. Pünktlich um 14 Uhr beginnt die »Kür« des Hahnenkönigs. Vorher hat man bereits einige Vorbereitungen getroffen. An einem Seil, das zwischen zwei Bäumen hängt, ist ein Korb befestigt. Ein toter Hahn wird dann mit dem Kopf nach unten in den Korb gehängt. Hahnenkönig ist derjenige Bewerber, der dem Hahn mit einem stumpfen Säbel den Kopf abschlägt. Um die Aufgabe zu erschweren, verbindet man dem Kandidaten die Augen. Wenn der Hahnenkönig ermittelt ist, werden auf gleiche Weise zwei Adjudanten gekürt, die den König mit ihren Säbeln beschützen müssen. Im sich anschließenden Festzug fahren der Hahnenkönig und seine Königin im offenen Wagen durch den Ort. Unter den Klängen der Musikkapelle wird der Wagen von den beiden Adjudanten flankiert.

Seit nun genau siebzig Jahren wird dieses Brauchtum gepflegt. Im Jahre 1926 sollen die Dorfburschen der Nachbargemeinde Dahlem das »Hahnenköppen« nach Glaadt gebracht haben. Die lange Liste der Hahnenkönige weist seit diesem Jahr insgesamt 61 Namen auf (von 1939 bis 1947 unterbrochen). Es ist klar, dass der Modus in dieser langen Zeit mehrmals variiert wurde. So berichtet uns die Schulchronik von den Statuten, wie sie im Jahre 1950 galten:

Art und Bedingung des Hahnenköpfens § 1: Es werden drei Hähne geköpft, ein Hahnenkönig oder Königshahn und zwei Adjudantenhähne.

Hahneköppen in Glaadt in den 50er Jahren.

Foto: Sammlung Regner/, Jünkerath

§ 2: Das Köpfen des Königshahnes erfolgt mit stumpfer Waffe und der Adjudantenhähne mit scharfer Waffe.

§ 3: Für den Königshahn wird für ein Schlag ein Einsatz von 0,30 DM, für die beiden anderen werden je 0,20 DM erhoben. § 4: Beim Eintragen in die Liste ist der genannte Betrag sofort in bar zu entrichten. § 5: Es wird jedesmal nur ein Schlag ausgeführt mit verbundenen Augen und zwar in der Reihenfolge, wie die Losnummern ausgerufen werden.

§ 6: Derjenige, der den ersten Hahn seines Hauptes beraubt, ist der Hahnenkönig, die beiden anderen sind dessen Adjudanten. § 7: Sobald der Schläger in die vom Hahnenkomitee geführte Schlägerliste eingetragen ist und die festgesetzte Gebühr bezahlt hat, gehört er zum Gefolge des Hahnenkönigs. § 8: Jeder Schläger hat den Anordnungen des Hahnenkomitees unbedingt Folge zu leisten. § 9: Der Hahnenkönig ist verpflichtet, sich sofort eine Königin zu suchen, und zwar eine Jungfrau unter 99 Jahren. Er hat sich über die nötigen Finanzen, die er als Hahnenkönig aufbringen muss, vom Komitee Näheres mitteilen zu lassen. § 10: Die Adjudanten sind verpflichtet:

1. Dem Hahnenkönig je eine Flasche Wein zur Verfügung zu stellen;

2. ihn in jeder Gefahr treu zu beschützen;

3. ihn beim Festzug je rechts und links zu beschützen und zu begleiten.

Welche Bedeutung hat dieses Brauchtum, wo liegen die Wurzeln? Der Hahn spielte an Kirchweih eine besondere Rolle. Wie Huhn und Gans war er ein beliebtes Kirmesessen, der vielerorts ausgespielt oder ausgetanzt wurde. Beim sogenannten »Hahnenschlagen«, das auf ein altes Ernteopfer zurückgeht, steckte man einen lebendigen Hahn in eine Getreidegarbe und schlug ihn mit Knüppeln tot. Ebenso vergrub man an Kirchweih einen Hahnenkopf und exhumierte ihn im nächsten Jahr. Eine solch grausame Behandlung ist kaum verständlich, denn der Hahn war seit der Antike als Wächter, Warner und Zeitgeber ein hochgeachtetes Tier. Die Perser sahen im Hahn sogar eine Lichtgestalt, der durch sein Krähen die Mächte der Finsternis vertrieb. Auch bei uns hatte er diese Bedeutung, da er auf Kirchtürmen und Dachfirsten über die Schlafenden

Hahnenkönig 1994: Franz Josef Lorse wird gefeiert. Erstmals in der langen Tradition des Glaadter Kirmesvereins erlangen drei Brüder aus dem Hause Lorse die Königs- und Adjudanten würde.

Foto: Hubert Pitzen, Stadtkyll

wacht und abschreckend auf böse Luftgeister wirkt. Seine sexuelle Aktivität machte ihn zu einem Fruchtbarkeitssymbol. Doch gerade diese Symbolik hat immer zwei Seiten: Leben und Tod. Daher gibt es neben dem weißen Hahn des Lichtes den schwarzen Hahn der Unterwelt und den roten Hahn des Feuers. Als Verkörperung von Leben und Fruchtbarkeit muss der Hahn am Ende des Vegetationsprozesses sterben.

Eine andere Erklärung besagt, dass der Hahn die Personifikation eines Wachstumsgeistes ist, der am Ende der Ernte seine dahinsiechende Kraft dem Boden nicht mitteilen soll. Daher fing man ihn ein und tötete ihn. Eine weitere Deutung geht bis zur französischen Besatzungszeit zurück (1794-1814). Sollte mit dem gallischen Hahn symbolisch abgerechnet werden?

Die Besatzungsmacht Frankreich war natürlich nicht beliebt, zumal die Eifel 1801 von Frankreich annektiert wurde. So fanden die frustrierten Bürger immer wieder Mittel, ihren Zorn über die Besatzer auszudrücken. Das Hahnenköppen war eine geeignete Möglichkeit, ohne dass die Franzosen etwas dagegen unternehmen konnten.