Neue Nutzung in alten Gebäuden -zentrale Aufgabe der Dorferneuerung

Karl-Heinz, Böffgen, Gerolstein

Die Landwirtschaft prägte einst das Leben in unseren Dörfern, bäuerliche Wohnhäuser, die Stall- und Scheunengebäude bestimmten das Erscheinungsbild, den unverwechselbaren Charakter des Ortes und haben noch heute wesentlichen Einfluss auf das Identitätsgefühl der Einwohner.

Die seit Jahrzehnten laufende und anhaltende Umstrukturierung der Landwirtschaft und der damit verbundenen Aufgabe vieler Betriebe hat dazu geführt, dass viele Gebäude funktionslos geworden sind und leer stehen. Wo noch vor Jahren oder Jahrzehnten bäuerliche und handwerkliche Betriebe den Ortskern belebten, finden wir nun ungenutzte Bausubstanz, die mit ihrem oft schlechten Zustand viele Ortsbilder negativ beeinträchtigt. Wo einst reges Leben herrschte, das auch die dörfliche Kultur und das soziale Miteinander bestimmte, ist nun die große Ruhe eingekehrt. Jeder leerstehende Hof, jedes Gebäude haben ihre eigene Geschichte, hatten ihren Platz im Dorf. Sie besaßen Hausnamen, mit denen jeder etwas anfangen konnte; sie waren die Heimat von Menschen, deren Leben oft genug von Armut, von unerfüllten und enttäuschten Hoffnungen geprägt wurde.

Die Bestandserfassungen zum Dorferneuerungskonzept der Gemeinden und Erhebungen im Landkreis Daun machen den erschreckenden Umfang deutlich: Etwa 1 000, in der Regel Ökonomiegebäude, sind ungenutzt! Damit ist die wohl wichtigste strukturelle Aufgabe und ein thematischer Förderschwerpunkt der Dorferneuerung vorgegeben: Die mögliche Erhaltung und sinnvolle Umnutzung dieser leer stehenden Bausubstanz. Viele gute Gründe sprechen dafür, dass sich Eigentümer, Ortsgemeinden und alle Betroffenen dieser Aufgabe annehmen. Mit dem Abriss verschwindet ein Teil der Unverwechselbarkeit des Dorfes. Aus ortsbaulicher ("Städtebaulicher«) Sicht bilden Altbauten oft markante Situationen von hoher Qualität. Alte Gebäude sind unwiederholbar, ein Ersatzbau kann die Unverwechselbarkeit nur selten zurückgewinnen.

Mit dem Abbruch ginge unter Umständen auch ein Kulturdenkmal verloren, das vom handwerklichen Können, vom Leben und Arbeiten unserer Vorfahren Zeugnis ablegt. Die Bewusstseinsbildung für Baukultur und die Kulturlandschaft muss der fortschreitenden Austauschbarkeit und Nivellierung des Erscheinungsbildes der Dörfer entgegenwirken. Mit der Um- oder Neunutzung eines leerstehenden Ökonomiegebäudes zu Wohnzwecken oder für Fremdenzimmer wird der Dorfkern wiederbelebt.

Jede Wiedernutzung im alten Kreis reduziert die Neubaugebiete, die all zu oft flächenverbrauchend, ausufernd und mit wenig Bezug zum gewachsenen Dorf entstehen. Es muss gelingen, dem Dorfkern das Schwergewicht gegenüber dem expandierenden Neubaugebiet zu geben. Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung!

Überbewertetes verstärktes Bauen in Neubaugebieten, verbunden mit allen gestalterischen Modetrends und sogar Hässlichkeiten, kann zu einem sozialen Gefalle zwischen Neubaugebiet und altem Ortskern führen. Der alte Dorfkern ist dem neuen Baugebiet in mancher Hinsicht überlegen. Hier gibt es mehr Miteinander und Nachbarschaft, ist mehr los, mehr zu sehen und zu erleben, die Nutzungen mischen sich, alternative Lebensformen sind eher möglich, hier findet sich noch lokale Identität.

Der Umbau eines leerstehenden Gebäudes ist nicht nur aus sozialer und ökologischer Sicht richtig, in den meisten Fällen ist er auch kostengünstiger als ein Neubau. Die Erwerbskosten können sehr niedrig sein, kein neues

Scheune in Berndorf von 1836, oben Straßenansicht vordem Umbau, unten nach dem Umbau

Gerberei »Steinmetzhaus« in Mehren von 1822, oben vor dem Umbau, unten nach dem Umbau

 

 

Grundstück muss erworben werden, die Erschließung ist fast immer vorhanden. Eine leerstehende Scheune kann beispielsweise von einer jungen, noch wachsenden Familie im Sinne eines »Ausbauhauses« in mehreren Abschnitten mit hohem Anteil an Eigenleistung hergerichtet werden.

Seit einigen Jahren fördert der Landkreis Daun aus Mitteln des Landes, des Bundes und des Strukturfonds EAGFL der Europäischen Union insbesondere die Umnutzung leerstehender Bausubstanz in Ortskernen. Jährlich konnten etwa 40 bis 50 Maßnahmen dieser Art eine Förderung erhalten.

Die im Landkreis Daun bezuschussten Maßnahmen umfassen nicht nur Umbauten für Wohnzwecke, sondern auch für Laden und Gasthäuer, für Arztniederlassungen, für Fremdenzimmer, für Handwerksbetriebe und Büroräume und andere Dienstleistungen. Voraussetzung für die Förderung ist zunächst, dass die Ortsgemeinde ein ganzheitliches, abgestimmtes und anerkanntes Dorferneuerungskonzept besitzt. Die gestalterische Ausführung des Bauvorhabens muss sich dem Charakter des Dorfes und des Dorfbildes anpassen; orts- und landschaftstypische Bauformen sind zu erhalten und zu entwickeln, die Verwendung landschaftstypischer Materialien und deren zeitgemäße Anwendung ist zu fördern, sowie den energiesparenden und ressourcensichernden Belangen Rechnung zu tragen. Der Umgang mit alter Bausubstanz verlangt von Bauherrin und Bauherrn sowie dem Architekten Sensibilität und Bescheidenheit, das Gespür für handwerkliche Details und Respekt vor dem bebauten Umfeld. Das bedeutet keineswegs Nachahmung und falsch verstandener Historismus.

Neben der Möglichkeit, die baulich-visuelle Kontinuität einfühlsam zu sichern, gibt es die, den Kontrast zwischen alt und neu bewusst herauszustellen. Letztere verlangt aufgeschlossene Bauherren und gute Architekten, die die vorgegebene und heutige Formensprache beherrschen und innen wie außen in gekonntem Zusammenspiel umsetzen. Der grenzüberschreitende Architekt u r-Wettbewerb »Neue Nutzung in alten Gebäuden« der internationalen Vereinigung »Ländlichkeit-Umwelt-Entwicklung« (R.E.D.) 1995/96 hat gezeigt, dass in unserer Region gute Beispiele für die unterschiedlichsten Nutzungen zu finden sind.

Zwei Maßnahmen aus dem Landkreis Daun wurden innerhalb dieses Wettbewerbs ausgezeichnet.

Zum Bauvorhaben Watrin, Berndorf, lautet die Wertung der Jury:

»Die historische Scheune (von 1836) wurde geschickt zu einem Wohnbereich umfunktioniert«. Unter Verzicht auf eine nostalgische Gestaltung zeigt der Innenraum einen klaren, durchdachten und interessanten Aufbau.« Bei der recht umfangreichen Umbaumaßnahme »Steinmetzhaus« in Mehren {von 1822) wurden bei der äußeren Gestaltung bewusst zeitgenössische Gestaltungselemente unter Respektierung der überkommenden Formensprache verwendet.« Die neue Nutzung umfasst: Bankfiliale, Friseurladen, katholische Rendantur und vier Wohnungen. Neben den hier aufgeführten beweist eine Vielzahl weiterer Maßnahmen im Landkreis Daun, wie sinnvoll und für das Ortsbild bereichernd die Umnutzung leerstehender Bausubstanz sein kann.

»Umnutzungsmaßnahmen und die Nutzung vorhandener Bausubstanz dienen dem Erhalt und der Wiederbelebung der Ortskerne, vermindern den Landschafts- und Bodenverbrauch, erfordern im Regelfall keine neue technische Infrastruktureinrichtung und sind somit ein wesentlicher Beitrag zu einem ökologischwirtschaftlichen Bauen. Unter städtebaulich-denkmalpflegerischen Aspekten dienen bauliche Umnutzungen der Erhaltung historisch gewachsener und unverwechselbarer Ortsbilder und damit der Sicherung einer lokalen und regionalen Bau- und Siedlungskultur sowie der Stärkung der Lebensgemeinschaft DORF. So war das Ziel des vorgenannten Architekturwettbewerbs formuliert. Die Dorferneuerung leistet dazu konkrete Hilfe.

Quelle:

Broschüre. "Neue Nutzung m alten Gebäuden, n in Wettbewerb im länlichen Raum-

Herausgeber: Internationale Vereinigung R.E.D