Sozialstationen -

Geburtsstunde im Landkreis Daun

Helene Leonards, Gerolstein

Die Sozialstationen sind heute bundesweit bekannte, notwendige, ja selbstverständliche soziale Einrichtungen. Kirchen, Sozialverbände, Politiker wetteifern, wer sie ins Leben gerufen hat. Ich denke es lohnt sich nachzuforschen, wie sie hier entstanden sind und wer sie »so« benannt hat.

Nach dem Ersten Weltkrieg, Anfang der zwanziger Jahre, suchten kirchliche, staatliche und kommunale Stellen zusammen mit Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern nach Hilfsmöglichkeiten für die Landbevölkerung bei Krankheiten und Tod und zwar dort, wo kein Arzt oder Krankenhaus in der Nähe waren. Vornehmlich die Kirchen und ihre caritativen Vereine gründeten Ausbildungsstätten für Pflegekräfte, die in den Gemeinden eingesetzt werden konnten. Für den hiesigen Raum gab es in Koblenz-Arenberg eine sogenannte Landkrankenpflegeschule, die mit einem Jahr Schulbesuch und einem nachfolgenden praktischen Jahr die Befähigung zur Landkrankenpflegerin vermittelte.

Im Landratsamt Daun leitete damals eine sehr engagierte und fortschrittlich denkende Fürsorgerin das Sozial- und Jugendamt, Friederike Haas. Sie packle mit Klugheit und Weitsicht neue soziale Aufgaben an und richtete unter anderem im Kreis Daun die ersten Pflegestationen ein. Diese Land krankenpflegerinnen hatten eine große oder mehrere kleine Gemeinden zu betreuen. Sie kannten keinen Urlaub und keine Dienstzeit, waren bei Krankheit, Entbindungen und Sterben die erste Anlaufstelle. Für ihre Tätigkeit erhielten sie jährliche Zuschüsse von den jeweiligen Zivil- und Kirchengerneinden. vom Kreis und vom Land; sie betrugen zwischen 200,- und 600,- DM. Hiervon zahlten die Schwestern selbst ihre Kranken- und Rentenversicherung s beitrage. Die meisten von ihnen lebten im Familienverband, wo ihr Unterhalt mitgesichert war. Am Jahresende legten sie beim Kreis ein Berichtsbuch vor, in dem die verschiedenen Tätigkeiten festgehalten waren wie Tages- und Nachtpflege, Spritzen, Sterbebegleitung u.a.

Bei meiner Übernahme des Sozialamtes im Dezember 1957 hatten wir im Kreis Daun 13 Landkrankenpflegestationen. Davon war nur eine Station im damaligen Amtsbezirk Lissendorf hauptamtlich besetzt. Der Amtsbürgermeister, Herr Schomers, hatte die volle Bezahlung der Schwester mit den vier genannten Kostenträgern erreicht. Dieses Modell war dann Vorbild für alle neu errichteten oder neu zu besetzenden Stationen. Mitte der sechziger Jahre richtete der Kreis zusätzliche Dorfhelferinnenstationen ein. Diese Kräfte übernahmen die Haushaltsführung, Kinderbetreuung und die Arbeiten in Hof und Garten beim Ausfall einer Mutter durch Krankheit oder Entbindung. Später kamen die Familienpflegerinnen, weil die Einsatzbereiche nicht nur bäuerliche Familien betrafen.

Nun, warum die umfassende Vorgeschichte zur Geburtsstunde der Sozialstationen im Land Rheinland-Pfalz und darüber hinaus? Bei einem Besuch des damaligen Sozialministers Dr. Heiner Geisler am 4. 11. 1970 in der Sonderschule für lebenspraktisch bildbare Kinder (inzwischen umbenannt in Sonderschule für Geistigbehinderte, Hubertus-Rader-Schule in Gerolstein, hatten wir ein Gespräch über soziale Einrichtungen. Dr. Geisler interessierte sich im besonderen für die Krankenversorgung im ländlichen Bereich, da er in einigen Landesteilen eine Unterversorgung festgestellt hatte. Er berichtete von K ranke n pflege vereine n, die sich finanziell nicht mehr trugen. Wir erklärten ihm die Einrichtung unserer Stationen und die gut funktionierende Finanzierung auf der breiten Basis Kirche, Kommune, Kreis und Land, Diese Lösung fand er nachahmenswert und wollte die Stationen im Kreis Daun zu einer Station zusammengefasst wissen unter der Verwaltung des Kreises als sogenannte »Sozialstation«.

Das Kind war geboren

Allerdings schreckte uns die Größe zurück und der Verwaltungsaufwand, der bei unseren kleinen Stationen überhaupt nicht gebraucht wurde; alles regelte sich gut vor Ort, Es ergab sich dann witzigerweise, dass der Kreis Daun bei der offiziellen Einrichtung der Sozial Stationen im Land Rheinland-Pfalz das Schlusslicht bildete. Erst im April 1978 - Jahre der Verhandlungen gingen darüber hinweg - bekam der Kreis die erste ministeriell anerkannte Sozialstation in Daun für die Verbandsgemeindebezirke Daun und Kelberg. Später kam dann die Sozialstation Gereistem hinzu, die die Verbandsgemeindebezirke Gereistem, Hillesheim und Obere Kyll abdeckte.

Es gab nun aber in der Verwaltung dicke Aktenbände, die den Aufbau, die Finanzierung, die Größe der Stationen, den Personalbedarf, den Leistungskatalog, die Beteiligung der anderen Sozial leistungsträger und die Ausstattung in Erlassen und Richtlinien regelten. Der Vorschriften wird es in Zukunft nicht weniger geben, neue Dienste werden eingebaut, und nun findet auch das Pflegesicherungsgesetz hier Berücksichtigung.

Die Sozialstationen haben inzwischen ein großes, breitgefächertes Angebot an Hilfe, so umfassend, dass in jeder Notlage Kranken, Familien, Behinderten, Alten und Alleinstehenden vor Ort geholfen werden kann.

Ob Dr. Geisler sich noch an die berechtigten Sorgen seinerzeit erinnert und an die spontane Freude, in dieser Situation eine mögliche Lösung gefunden zu haben?