Die Bauchlandung

Florian Schulten. Gerolstcin, damals wohnhaft in Berndorf

Es war Anno 1956. Ich hatte beim Kalkwerk Müller in Ahütte meine Lehrstelle angetreten, und zwar am 1. 4. 1955. Der »Düsseldorfer Opa-' hatte mir zu meinem 18. Geburtstag ein Moped versprochen und dieses auch eingehalten, wie sich das gehört. So sind wir dann eines Tages nach Kerpen zum Rechs, und ich wurde stolzer Besitzer eines blauen Mopeds Victoria Vicky IV. Es war eine schöne Maschine im Gegensatz zu den damals weitmehr bekannten NSU-Quickly's, die wohl jeder zweite Mopedfahrer hatte, sogar Hoff Heinche. Ich war auch recht stolz auf diese Errungenschaft, da es halt ein anderes Moped war als die gängige Quickly, aber sonst war die Anschaffung ein großer Reinfall. Ständig hatte die Kiste ihre Mucken und fast jeden Morgen musste ich schieben und strampeln, oft bis nach Kerpen. Hier musste ich dann Herrn Rechs früh um sieben aus dem Bett klopfen, da die Vicky wieder nicht ansprang. Rechs hat sich dann die Hände gerieben und gesagt: »Wenn du heute Feierabend hast, kannst du Dein Gefährt abholen.« Also wieder einmal per Anhalter nach Ahütte und zurück. Nun muss aber noch gesagt werden, dass damals der Verkehr nicht war wie heute, und nur ab und an ein Fahrzeug kam. So kam es dann auch oft vor, dass ich zu Fuß nach Ahütte ging. Irgendwann zwischendurch war das Fahrzeug mal nett zu mir und ließ sich fahren. Nun war unsere Mutter zu jener Zeit noch eine junge Frau, Anfang der Vierziger und wie eh und je auch den modernen Errungenschaften gegenüber recht aufgeschlossen. Es hatte ihr wohl schon geraume Zeit in den Fingern gekribbelt, bis sie dann eines Tages fragte, wie man dieses Moped wohl anlassen könnte. Da ich Angst um mein schönes Zweirad hatte, wollte ich ihr das ausreden, denn sie wollte tatsächlich fahren. Alles Reden half nichts, es wurde ihr groß und breit die doch recht einfache Bedienung erklärt, und dann stieg Mutter auf, um in Richtung Walsdorf ihre ersten Fahrversuche zu machen. Stolz warf sie den Kopf in die Luft, und Brach Ann und Scholze Suss erblassten vor Neid. Es war ihr sehr peinlich, dass ich neben ihr herlief, aber wie gesagt, ich ahnte nichts Gutes. Nun hatte Mutter gemeint, sie sitzt, na sage ich mal, auf einem ganz besonderen Fahrrad, das ganz alleine läuft. Weit gefehlt. An diesem technischen Wunderwerk mussten auch noch Bremse, Gas und Schaltung bedient werden und nicht nur der Lenker und die Klingel. Als mir bei der Lauferei im Broch die Luft ausging, rief ich ihr zu, sie sollte sich auf der Straße drehen. Die Straßen waren damals reine Schotterwege und mehr schlecht als recht, wie halt alle Wege in jener Zeit. Dass Mutter nun Gas wegnehmen musste, bremsen, umschalten und wenden sollte, war zuviel auf einmal und so kam dann, was ich vorausorakelt hatte. Kurz vor Hoff Ewwerts Garten hatte sie das Gas mit der Bremse verwechselt, und wie ein Tornado schoss sie die Böschung hoch, durch Schlehenhecken und Brennessel und landete unsanft in einer Rominelekaul. Es war mir und meinen Geschwistern zwar recht peinlich, dieses Malheur mit anzusehen, doch selten haben wir so gelacht. Entschuldigung Mutter. Bis auf kleine Blessuren und einige Kratzer am Moped war nichts passiert. Gefahren ist Mutter nie mehr mit meinem Moped und was aus demselben geworden ist, ist mir nicht mehr im Gedächtnis.