Nachrichten aus dem Haus der Grafen von Daun

Ralf Bedingen, Daun

Während eines durch ein Stipendium des Europäischen Jugendzentrums des Europarates finanzierten Portugiesisch-Kurses fand ich folgende Hinweise, die die Dauner Grafengeschichte betreffen:

Unter dem Stichwort »Daun« finden sich in einem vielbändigen portugiesischen Lexikon neben Graf Leopold seine Kusine Leonor Ernestina Eva Wolfanga Josefa. deren Gemahl sowie deren Nachkommen. Die Tochter von Wirichs verstorbenem Bruder wurde also einem verwitweten portugiesischen Diplomaten zur Frau gegeben, der sich nach seiner Rückkehr zum wichtigsten portugiesischen Politiker des gesamten 18. Jahrhunderts entwickelte. Sein Name lautete: Sebastiao Jose de Carvalho e Mel-lo, Graf von Oeiras. Weltbekannt wurde er als Marquis de Pombal. Der erbliche Titel Marquis de Pombal wurde ihm 1770 verliehen. Über Leonor gibt es sehr wenig Auskünfte, sie wurde 1724 geboren und starb 1788. Andere Quellen nennen die Daten 1721 bis 1789. Das portugiesische Adelslexikon bezeichnet sie als "Modell-Gemahlin". Sie sei in schwierigen Zeiten so hingebungsvoll und treu gewesen, wie sie ihrer hohen Position gewachsen war, dabei allgemein geschätzt zu Zeiten des Wohlstandes und Erfolges ihres Mannes. "Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau!« Sebastian Jose de Carvalho e Mello wurde 1699 in Lissabon geboren, sein Vater war Hauptmann bei der Kavallerie. Die Familie gehörte zum niederen Adel mit bescheidenen Einkünften. Mit knapp 24 Jahren entführte er die Witwe seines Vetters Antonio. Er heiratete die zehn Jahre ältere Frau - eine Hofdame der aus Österreich stammenden portugiesischen Königin Maria Anna - gegen den Willen der Familie. Mit 38 Jahren erbte er die Familiengüter bei Oeiras und Sintra. Kurz darauf wurde er auf Fürsprache seines Onkels, eines Kardinals, als Diplomat nach London entsandt. Seine Gemahlin blieb in Portugal in einem Kloster und starb 1739. Im Jahre 1743 wurde er nach Wien geschickt, um in einem Konflikt zwischen der österreichischen Herrscherin Maria Theresia und dem Papst zu vermitteln. Die portugiesische Königin hatte ihrer Nichte in Wien die Vermittlung angeboten. Schon fünf Monate nach seinem Eintreffen heiratet Pombal die Nichte von Graf Wirich. Sie war noch nicht 25, er schon 46.

Die Herrscherin Maria Theresia fasste Vertrauen in den portugiesischen Gesandten und suchte die Unterstützung dessen Landes in den Kriegen gegen Preußen und Bayern ab den 1740er Jahren. Nach der Aussöhnung zwischen Österreich und dem Vatikan und dem vorläufigen Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen 1748 reiste das junge verheiratete Ehepaar im folgenden Jahr nach Portugal. Obwohl die portugiesische Königin Maria Anna großen Gefallen an Gräfin Leonor fand, konnte ihre Für-Sprache erst nach dem Tode des Königs 1750 erwirken, dass Pombal in die portugiesische Regierung berufen wird.

Pombal verteidigte als portugiesischer Ministerpräsident die Macht des politisch wenig interessierten Königs Jose gegen Widerstände in Adel, Kirche und Bevölkerung erfolgreich und blutig. Nach dem verheerender Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 war er an der Planung des Wiederaufbaues der portugiesischen Hauptstadt maßgeblich beteiligt. Er versuchte, die Gedanken des aufgeklärten Absolutismus, die anderswo in Europa schon bekannt waren, auf die portugiesischen Regierungsgeschäfte anzuwenden, was erhebliche Schwierigkeiten hervorrief. Zwischen dem Vatikan und Portugal gab es nach dem Verbot und der damit verbundenen Ausweisung oder Inhaftnahme der Jesuiten zwischen 1760 und 1770 keinen Kontakt. Pombal kontrollierte die katholische Kirche. Das päpstliche weltweite Verbot des Jesuitenordens 1773 ging nicht zuletzt auf sein Wirken zurück, offenbar hatten die Jesuiten sich in Portugal nicht als sanftmütige Missionare verhalten, sondern waren der wohlhabendste und politisch einflussreichste Orden sowie entschiedene Gegner der Aufklärung. Sie bekämpften in Südamerika aktiv die Portugiesen, da sie die Herrschaft über mehrere 10.000 zur katholischen Kirche bekehrten Indianer nicht verlieren wollten. Die spanische Krone hatte die Missionsgebiete an Portugal übertragen, um im Gegenzug die Buenos Aires gegenüber liegende Hafenstadt Colonia de Sacramento im heutigen Uruguay, ein Schmuggelzentrum, zu erwerben. Ein fehlgeschlagener Mordanschlag gegen den König führte 1759 zur schmählichen Hinrichtung von Mitgliedern der vornehmsten Familien, teilweise mit Frau und Kindern. Ein Aufstand der Einwohner der Hafenstadt Porto wurde blutig niedergeschlagen. Doch Pombal erreichte viel Gutes für sein Land. Unter seiner Herrschaft schaffte Portugal den Sprung vom Mittelalter in das 18. Jahrhundert, die Staatseinnahmen wurden nicht mehr nur für die Hofhaltung oder Prunkbauten wie das Kloster Mafra verwendet. Es wurde die Gründung von kleinen Produktionsbetrieben gefördert, ebenso Weinanbau, -Verarbeitung und -ausfuhr. Der Handel zwischen Portugal und der Kolonie Brasilien wurde stärker gefordert und kontrolliert. Die Diskriminierung der »Neuchristen«, das heißt der Christen, deren jüdische Vorfahren zum Teil bereits vor Jahrhunderten zur katholischen Kirche übergetreten waren, wurde beendet: sie wurden zum Staatsdienst zugelassen und auch sonst allen anderen Bürgern gleichgestellt. Erst der Tod des Königs 1777 beendete die Macht Pombals. Mit seiner Gemahlin Leonor zog er sich auf seine ihm verliehenen Güter in Pombal zurück und starb in hohem Alter 1782. Zahlreiche Anfeindungen erschwerten ihm den Ruhestand, doch letztlich wollte die Thronfolgerin Maria l. nichts gegen Pombal unternehmen, auch wenn sie alle politischen Gefangenen der Ära ihres Vaters frei ließ, von mehr als von 2.500 waren nur noch 800 am Leben. Menschenrechte und politische Freiheit hatten es um 1780 nicht nur in Portugal schwer. Vor allem die Söhne der Tochter Pombals und Leonors, die Generäle de Saldanha Oliveira e Daun bekleideten wichtige Ämter in Militär, Staat und Kolonien Portugals im 19. Jahrhundert.