Neuentstehung und Entwicklung

Parteien im Landkreis Daun von 1946 bis 1959

Daniela Merkes, Gerolstein

Wirtschaftliche und soziale Lage nach dem Zweiten Weltkrieg

Die wirtschaftliche und soziale Lage im Landkreis Daun in den ersten N ach Kriegs jähre n war, wie auch in vielen anderen Regionen, auf dem Nullpunkt angelangt. In solch einem Umfeld mit kargen Voraussetzungen entstanden Gruppen der auch heute noch existierenden Parteien CDU, F.D.P. und SPD.

Da man die Parteiarbeit niemals getrennt von den gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen betrachten darf, ist es wichtig, einen Überblick über die wirtschaftliche und soziale Lage des Landkreises zu erhalten: Dem ganzen Eifelraum - und damit auch dem damals noch hauptsächlich landwirtschaftlich orientierten Landkreis Daun - wurde wegen der Nähe zur Westgrenze und aus militärischen Gründen seitens der Regierung bis 1945 wenig Unterstützung gegeben, und somit blieb das Land isoliert. Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Kreis Daun ungeheure Schäden; die Kreisstadt Daun wurde über die Hälfte zerstört und Gerolstein litt an über 70 Prozent Zerstörung. Auch viele andere Orte wurden durch Bomben mehr oder weniger schwer beschädigt. Der Straßenzustand und somit auch das Versorgungsnetz, soweit es vorhanden war, befand sich in einem chaotischen Zustand. Wirtschaftlich war der Landkreis auf dem Nullpunkt angelangt, und es galt nun, alles wieder aufzubauen und der Bevölkerung, die teilweise unter dem Existenzminimum lebte, eine bessere Lebensqualität zu bieten.

Aus der "Trierischen Volkszeitung" vom 18. Mai 1946 stammt der folgende Artikel mit dem Titel "Die Wirtschaftslage in der Eifel - Ruckblick, Gegenwart und Ausblick-, der völlig zutreffend den damaligen Zustand unserer Region beschreibt und verdeutlicht, unter welchen Bedingungen die Parteien ihre Arbeit wieder aufnahmen: »Alle größeren Orte von Verkehrs-, strategischer und gewerblicher Bedeutung, so insbesondere Prüm, Bitburg, Speicher, Kyllburg, Gerolstein, Pelm, Daun, Kelberg, Hillesheim, Jünkerath und Wittlich, waren schweren Bombenangriffen ausgesetzt und litten zudem später beim Vorrücken der alliierten Front noch durch Artilleriebeschuss. Sprengungen und Zerstörungen an den Eisenbahn- und Verkehrsanlagen im Verlauf der deutschen rückläufigen Bewegung nahmen dem Gebiet eine Zeitlang jede Verkehrsmöglichkeit zu den größeren Städten Trier, Koblenz, Bonn, Köln und Aachen, die das Gebiet der Eifel halbkreisförmig umgeben, mit dessen Wirtschaft sie stets in natürlicher wechselseitigen Beziehung gestanden haben und für dessen Produktion sie seit jeher Verbrauchs- und Umschlagplätze gewesen sind. Durch die Kriegshandlungen und insbesondere durch die umfangreichen Evakuierungen wurde in erster Linie die Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Ganze Gebiete verloren 1944 die gesamte Ernte des Jahres, den gesamten Viehbestand, Maschinen und Gerät, Haus und Hof und gingen zu Anfang des Jahres 1945 mit unzulänglichen Mitteln, kaum oder nur notdürftig unterstützt, an den Wiederaufbau ihrer Wirtschaften heran, die aber kaum das zur Selbstversorgung Notwendige erbringen konnten." Insgesamt war also die wirtschaftliche und soziale Lage des Kreises Daun mehr als schlecht, und es bedurfte dringend neuer Organisationen, die einen Teil des Aufbaus in die Hand nahmen.

Die (Neu-) Gründung der Parteien und darauffolgende Anfangsjahre

Sofort nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges nahmen die Parteien, wie zum Beispiel die SPD, die am 22. Juni 1933 von den Nazis im ganzen Reich verboten wurde, ihre Arbeit wieder auf oder es wurden neue Parteien gebildet (CDU. F.D.P.). Diese sollten in erster Linie den Wiederaufbau in Angriff nehmen und die Bürger in ihren Rechten vertreten. Die Struktur des deutschen Parteiensystems ist nach 1945 in den wesentlichen Grundzügen von den Besatzungsmächten bestimmt worden und hat sich somit nicht aus freien Zügen heraus ergeben. Der größte Teil des Kreises Daun unterlag der französischen Besatzung, die, wie die anderen Besatzungsmächte, Angst vor einem Wiederaufleben oder Weiterleben des Nationalsozialismus in Deutschland hatte, was eine entscheidende Rolle in der Parteienpolitik der Alliierten spielte. Insbesondere fürchtete Frankreich sich vor einem potentiellen neuen deutschen Zentralstaat und verbot die Verwendung des Begriffs Deutschland in den Parteinamen. So entstand das Grundmuster des Vier-Parteien-Modells christlich/liberal/sozialdemokratisch/kommunistisch. Die christliche und die liberale Partei bildeten den Kern des bürgerlichen Lagers, die kommunistische und die sozialdemokratische Partei wurden Sammelpunkt der sozialistischen Sektion. Die rechtliche Basis für alle Besatzungsmächte Deutschlands wurde im Potsdamer Abkommen am 2.8.1945 festgelegt, dessen Art. 9 Abs. 2 bestimmte, dass »in ganz Deutschland alle demokratischen Parteien zu erlauben und zu fördern" sind, »mit der Einräumung des Rechts, Versammlungen einzuberufen und öffentliche Diskussionen durchzuführen". Die Franzosen, die Rheinland-Pfalz, das Saarland und den südlichen Teil von Baden-Württemberg als ihre Zone erklärten, waren äußerst misstrauisch und zögerten die Zulassung von Parteien bis zum 12. Dezember 1945 hinaus.

In der größten Stadt unserer Umgebung, Trier, nahmen die Parteien ihre Arbeit zu Beginn des Jahres 1946 auf, doch in dem ländlichen Kreis Daun dauerte es, aufgrund der im vorhergehenden Abschnitt erwähnten Umstände, bis zum Ende des Jahres 1946. bis sich Parteien neu gründen konnten. Ihre Entwicklung m der Nachkriegszeit von 1945 bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 vollzog sich zunächst auf regionaler Ebene. Erst mit der Gründung der BRD kam es zum Zusammenschluss von Bundesparteien, die dann auch in dem am 8. Mai 1949 in Bonn am Rhein beschlossenen Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ihre gesetzlichen Regelungen fand.

Das Verhältnis der Parteien zueinander

Die drei unterschiedlichen Parteien verstanden sich in den ersten fünf Nachkriegsjahren eigentlich sehr gut, da alle dasselbe Ziel hatten: Den Wiederaufbau der zerstörten Heimat. Sie halfen sich gegenseitig, da jeder auf den anderen angewiesen war und das politische Ziel blieb eher im Hintergrund. Man kann deshalb die Funktion der damaligen Parteien eher als eine Art Helferposten bezeichnen. Erst ab den Jahren 1952/53 machte sich ein Unterschied in den Parteien bemerkbar, da diese jetzt begannen, sich auf die politische Zielvorstellung zu spezialisieren. Ein anderer Faktor war, dass es dem Landkreis Daun im Vergleich zu anderen Landkreisen relativ/ schlecht ging. Es konnte sich jedoch ein langsamer Aufschwung, der. durch den fortlaufenden Wiederaufbau erzeugt wurde, in Aussicht stellen und der Bevölkerung ging es nach und nach wieder etwas besser. Ganz gewiss gab es in den ersten Jahren auch schon Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, die sich jedoch begrenzt hielten.' Natürlich sah jedes Parteimitglied seine Partei als die tatkräftigste an und so kam es dazu, dass die CDU sich damit betitelte, dass sie mehr Initiative für den Aufbau gebracht und mehr Impulse geliefert hätte als die anderen Parteien. Die SPD bezeichnete die CDU als den »Lieben Gott" und beschrieb ihre Politik als »scheinheilig" mit der Aussage, dass sie sich trotz ihres christlichen Namens nicht christlich benehmen würde. Solche Anspielungen und Streitigkeiten sind aber eher der Normalfall und lassen sich in unserer heutigen politischen Welt immer noch genügend finden.

Doch die einzelnen Mitglieder der Parteien standen sich nicht feindselig gegenüber, wie man jetzt an nehmen könnte- »Man konnte auch mit der CDU gut Freund sein und es kam oft zu Gemeinsamkeiten in den Verhandlungen", berichtete mir Herr K., ein älteres SPD-Mitglied aus Gerolstein.

Die Gemeinde-, Kreis-, Landes- und Bundestagswahlen im Landkreis Daun von 1946-1959

Für die zwei Minderheitsparteien, SPD und F.D.P., war es nicht gerade einfach, unter den in den vorherigen Abschnitten beschriebenen Umständen an Wähler zu gelangen. Die CDU stellte im Landkreis Daun, wie auch im ganzen Bundesgebiet, die Spitze dar und schien unschlagbar zu sein. SPD und F.D.P. hatten dagegen die meisten Stammwähler, die jedoch letztendlich nur eine Minderheit ausmachten.

Die Gemeinde- und die Kreistagswahlen boten den reorganisierten Parteien erstmals die Gelegenheit, öffentlich in Erscheinung zu treten. Es kandidierten im Landkreis Daun die CDP (CDU). SPD, LP und KPD. Wahlversammlungen wurden, wenn überhaupt, nur ganz selten durchgeführt und sehr schlecht besucht. Die Wahl Propaganda der Parteien war durch Papierknappheit stark behindert. Statt dessen gab es einen Hirtenbrief des damaligen Bischofs aus Trier, in dem dieser an die Gläubigen appellierte, ihrer Wahlpflicht zu genügen. Sowohl nach Landes- wie auch nach Bundeswahlrecht hatte, sieht man von Ausschlussgründen ab, jeder Deutsche, der das 21. Lebensjahr vollendet hatte, das aktive Wahlrecht. Dies galt nur, wenn er die Voraussetzungen der Wohnsitz- oder Aufenthaltsdauer erfüllte. Zum Landtag war danach wahlberechtigt, wer seit mindestens sechs Monaten im Lande Rheinland-Pfalz seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hatte. Zu der Bundestagswahl galt, dass derjenige wahlberechtigt war. der seit mindestens drei Monaten im Bundesgebiet seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten jedoch neben den allgemeinen Gründen politische Ausschlussgründe auf. die die jeweilige Person vom Wahlrecht eliminierten. Von diesen Ausschlussgründen, die 1953 jedoch wegfielen, war ein Großteil der Bevölkerung betroffen.

Die Wahlergebnisse:

Zunächst zu den ersten vier Bundestagswahlen, die in den Jahren 1949, 1953, 1957 und 1961 stattfanden. Eine Besonderheit bei der Wahl zum Zweiten Bundestag 1953 war, dass jeder Wähler, im Gegensatz zu allen übrigen Wahlen, zwei Stimmen hatte: Eine Erststimme für die Wahl des Wahlkreistagsabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl nach Landeslisten.

Die erste Land tag s wähl fand 1947 statt und wurde alle vier Jahre wiederholt. Besonders auffällig ist das Wahlergebnis der Landtagswahl des Jahres 1955, wobei die SPD unter dem Stimmenanteil der F.D.P. lag, die seit der vorhergehenden Landtagswahl im Jahr 1947 3,3 Prozent zugelegt hatte. In diesem Jahr wird deutlich, dass sich die F.D.P., die im Landkreis Daun sehr lange brauchte, um ihre Partei aufzubauen, gut weiterentwickeln konnte und sich ihr liberaler Gedanke etwas mehr durchsetzte. Sie hatte sich organisatorisch am langsamsten von allen drei Parteien entwickelt, da sie sich erst 1948 zu einer einheitlichen Parteiorganisation zusammenschließen konnte. Auf der Bundes- und Landesebene war solch ein knappes Ergebnis jedoch nicht zu erkennen. Die SPD erreichte dort ungefähr das Dreifache des Stimmenanteils der F.D.P. Das Wahlergebnis unseres Landkreises steht somit nicht stellvertretend für das Land oder die Bundesrepublik, sondern ist ein eigenes Phänomen. Ungewöhnlich ist auch der hohe Anteil der ungültigen Stimmen in den ersten Nachkriegsjahren. So fiel zum Beispiel die Prozentzahl im Landkreis Daun im Jahre 1948 bei den Gemeindewahlen auf 10,5 Prozent und bei den Kreistags wählen auf 12,7 Prozent, bei den Landtag s wählen 1947 sogar auf 16,5 Prozent. Diese hohen Prozentanteile erklärt sich der Publizist des Artikels »Die Ergebnisse des 15. Septembers« in bezug auf die Kreistagswahlen im Stadtkreis Trier folgendermaßen: »Die Zahl der ungültigen Stimmen ist mit rund acht Prozent verhältnismäßig groß. Es ist natürlich nicht festzustellen, wieviele der ungültigen Stimmzettel aus politischen Gründen ungültig abgegeben worden sind. Nach unseren Beobachtungen erscheint es uns aber sehr möglich, dass eine Anzahl Wähler die Technik des Wählens. obschon sie sehr einfach ist, nicht beherrschte. Manche wussten nicht, was sie mit dem Stimmzettel anzufangen hatten. So mag eine Anzahl Zettel unangekreuzt in die Umschläge gelegt worden sein. Zahlreich sind nach 13 wahllosen Jahren diesmal die Erstwähler gewesen, außerdem gab es aber auch Leute, die einfach vergessen hatten, wie man wählt und sich etwas hilflos benahmen." Diese Ansicht scheint ziemlich plausibel zu sein, und sie lässt sich auch auf die zwei darauffolgenden Wahljahre beziehen. Die Ergebnisse der Kreistags- und Gemeindewahlen des Landkreises Daun sind die interessantesten Wahlergebnisse. Die auffallend geringen Prozentsätze der CDU bei den Gemeindewahlen stammen daher, dass sich im Jahr 1948 genau 53,2 Prozent der Wähler ihrer Stimme enthalten haben und sogar 14,4 Prozent der Stimmen verschiedenen Wählergruppen zufielen. Im Jahr 1952 lag die Beteiligung bei normalen 80,7 Prozent, 1956 bei 80,2 Prozent und 1960 bei 82,8 Prozent. Bemerkenswert ist auch, dass die Wahlbeteiligung im Jahre 1948 bei nur 66,3 Prozent lag. Die Bevölkerung war gegenüber der Politik sehr misstrauisch, da diese nach der langen Naziherrschaft einen negativen Beigeschmack bekommen hatte. Bei den Kreistag s wählen im Jahr 1946 war die F.D.P. im Landkreis Daun noch nicht präsent oder wurde zu diesem Zeitpunkt gerade erst neu gegründet. Im Landkreis Bitburg hingegen konnte die F.D.P. schon erstaunliche 3,7 Prozent erlangen.

Es wäre natürlich interessant gewesen, Untersuchungen darüber anzustellen, wieso gerade diese Wahlergebnisse zustande gekommen sind und welchen speziellen Einfluß die Arbeit des Ortsvereins dabei gehabt hat. Leider liegen darüber keine Aufzeichnungen vor. Der Zeitabstand ist einfach zu groß und noch nicht einmal die damals am Wahlkampf Beteiligten können sich noch in allen Einzelheiten an diese Zeiten erinnern, was auch verständlich ist.

Die Parteien und ihre Arbeit auf kommunal- und kreispolitischer Ebene

Auf dem kommunal- und kreispolitischen Gebiet versuchten sich die Parteien, indem sie jeweils ihre gewählten Stellvertreter sendeten, auf der Gemeinde- oder/und der Kreisebene für die Bevölkerung, das heißt ihre Wähler, einzusetzen und auch ihre parteipolitischen Ziele zu verwirklichen. Dieses wichtige Gebiet der Parteiarbeit darf nicht unterschätzt werden. In Daun traf sich der Gemeinderat, der bei der ersten Wahl 15 Personen umfasste, im Amtshaus in einem kleinen Sitzungssaal, der kaum Kriegsschäden abbekommen hatte. Zunächst wurde Herr Deblon einstimmig zum Bürgermeister der damaligen Gemeinde Daun gewählt, der erste und zweite Beigeordnete, der Bauausschuss und der Finanzausschuss bestimmt. Die Sitzungen des Gemeinderates wurden nach Bedarf einmal im Monat abgehalten. Dort trugen die Gemeindemitglieder ihre Anliegen in einer öffentlichen Sitzung vor und der Rat verhandelte über die Gesuche. Über arme Familien oder sonstige nichtöffentliche Themen und Anliegen wurde gegebenenfalls anschließend an die öffentliche Sitzung in einer geheimen beraten. So verhandelte der Gemeinderat der Kreisstadt Daun zürn Beispiel über ein neues Krankenhaus, eine neue Handelsschule, den Straßenbau und die Beseitigung von Kriegsschaden aller Art. In den Jahren 1951/52 begann die Stadt Daun, das Pädagogium (heute Thomas-Morus-Gymnasiums) zu bauen. Bei dem Wiederaufbau der benötigten öffentlichen Gebäude wurde jedoch keine Priorität auf einzelne Bereiche gelegt, sondern versucht, alles so gleichzeitig wie möglich aufzubauen. Ab 1952 konnte der allgemeine Wiederaufbau der Industrie beginnen, und in Daun siedelten sich damals die ersten Firmen an, da dort solche vor dem Zweiten Weltkrieg kaum vorhanden waren.

In Gerolstein fanden die Sitzungen des Stadt- und Gemeinderates abwechselnd in den Gaststätten »Hotel zur Linde», »Ratskeller«, »Kaiserhof" und »Zur Löwenburg« statt, da ein Sitzungssaal erst zu einem späteren Zeitpunkt errichtet wurde. Der erste Gerolsteiner Gemeinderat nach dem Zweiten Weltkrieg trat 1946 zuammen. Er bestand mit Ausnahme des damaligen Vorsitzenden der SPD. Johann Herms, nur aus CDU-Mitgliedern. Die Versammlung wählte den Landwirt Josef Schildgen zum ehrenamtlichen Bürgermeister. Im Jahre 1948 konnte Bürgermeister Schildgen sein Amt nicht länger ausüben, da er als Landwirt und Holzfuhrunternehmer voll ausgelastet war. Die darauffolgende Neuwahl des Bürgermeisters lief in einem sehr Kühlen Verfahren ab. Da die SPD einen qualifizierten Kandidaten hatte und die CDU sich lange Zeit nicht Ginigen konnte, hegten die Sozialdemokraten Hoffnung auf einen Erfolg. Bei der entscheidenden Sitzung im Gasthof »Ratskeller" wurde der SPD-Kandidat jedoch so persönlich beleidigt, dass sich die SPD-Fraktion veranlasst sah. die Versammlung zu verlassen. Bürgermeister wurde anschließend, mit Unterstützung der CDU, der keiner Partei angehörende Paul Serwas (senior). Dieses Vorkommnis steht stellvertretend für alle Auseinandersetzungen auf kommunal- und kreispolitischer Ebene, in der oft Politisches mit Persönlichem verwechselt wird. Bei der Einsicht in die Protokollbücher der Gemeinderatssitzungen in Gerolstein konnten einige Unternehmungen des Gemeinderates der damaligen Zeit in Erfahrung gebracht werden. Eines der ersten Protokolle vom 9. April 1946 bestimmt in Punkt eins der Tagesordnung über die "Aufräumung von Straßen und Plätzen in Gerolstein". In den Jahren 1946 bis 1947 verhandelte der Gemeinderat fast ausschließlich über Anträge auf Bauholz, verschiedene Instandsetzungen, Verteilung von Kohle, den Neubau der innerörtlichen Straßen, wie zum Beispiel der Lindenstraße, des Kasselburgerweges, der Larochestraße und anderen Umgehungsstraßen Gerolsteins. Auch über den Wiederaufbau der St.-Josef-Schule und andere Erneuerungen wurde in diesem Jahr beraten.

In der Sitzung des Gemeinderates Gerolsteins vom 4. Juli 1948 erklärte der damalige Fraktionsführer der CDU, Franz Schildgen, »dass der Wiederaufbau der Gemeinde Gerolstein durch die mangelnde Zuteilung an Baumaterialien nicht entsprechend dem Beschädigungsgrad vorankommt". Weiterhin bat er um die Bevorzugung der folgenden Bauprojekte: St.-Josef-Schule, Kulturamt, Landesbauamt, Heimatmuseum, Obere Marktstraße, Larochestraße, Überweg über die Kyll (Eselsbrücke). Anschließend stellte er, stellvertretend für die Fraktion der CDU, sieben Anträge, über die verhandelt wurde. Dieser Sitzungsablauf soll als Beispiel gelten und gleichzeitig die Bemühungen des Gemeinderates verdeutlichen. Alle Maßnahmen erforderten eine Menge Einsatzbereitschaft der Ratsmitglieder, die dafür einen Großteil ihrer Freizeit opferten, wie es natürlich auch heute noch der Fall ist. Die erste Kreisversammlung wurde am 29. Oktober 1946 in dem nahezu unbeschädigten Kreissaal der Stadt Daun abgehalten. Der damalige Landrat Feldges führte an diesem Tag die ersten 18 Kreistagsabgeordneten nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Von ihnen hatten Matthias Zimmer aus Pelm und Valentin Klasen aus Neichen schon als Abgeordnete im Kreistag des Jahres 1933 gesessen. Bei der Kreisversammlung ergab sich folgende Verteilung:

1. Kreisdeputierter und stellvertretender Vorsitzender der Kreis Versammlung Valentin Klasen, Kaufmann, Neichen (CDP)

2. Kreisdeputierter Matthias Zimmer, Landwirt und Eisenbahner i. R., Pelm (SPD) Mitglieder des Kreisversammlungsausschusses:

Friedrich Hartmann, Amtsbürgermeister, Daun (CDP)

Franz Schildgen. Kaufmann und Schneidermeister, Gerolstein (CDP)

J. Schwertfeger, Landwirt, Strohn (CDF)

Jakob Simonis, Arbeitsinvalide, Jünkerath (CDP)

Josef Schmidt, Gast- und Landwirt, Walsdorf fCDP)

Kreissparkassenvorstand:

Karl Stump, Industriekaufmann, Jünkerath fCDP)

Hans Wollwerth, Bäckerobermeister, Gerolstein fCDP)

Valentin Klasen

August Meerfeld, Gast- und Landwirt, Weidenbach (CDP)

Kreislandwirtschaftsausschuss:

Matthias Zimmer (SPD)

Johann Hennen, Landwirt, Oberstadtfeld

Matthias Weber, Landwirt, Gitlenfeld (CDP)

Jakob Scheid, Landwirt, Berlingen (CDP)

Paul Umbach, Landwirt, Mehren (CDP)

Matthias Schmitz, Landwirt, Lissendort (CDP)

Michael Schneider, Landwirt, Oberehe (CDP)

Transportausschuss:

Wilhelm Thomas, Schlossermeister, Daun (CDP)

Valentin Klasen

Anton Klasen, Fuhrunternehmer, Lissingen (CDP)

Peter Retz, Schlossermeister, Hillesheim (CDP)

Hilarius Hoffmann, Land- und Gastwirt, Berndorf (CDP)

Werner Struck, Fuhrunternehmer, Jünkerath (CDP)

Philipp Kaspers, Fuhrunternehmer, Ellscheid (CDP)

Sehr auffallend bei dieser Verteilung ist, dass die SPD nur einen einzigen Vertreter, Matthias Zimmer aus Pelm, in der damaligen Kreisversammlung hatte, was das politische Bild der Anfangsjahre im Landkreis Daun sehr gut widerspiegelt.

Die Beziehung der Bevölkerung zu den Parteien

In den ersten Jahren stand die Bevölkerung im Landkreis Daun den Parteien sehr misstrauisch gegenüber. So berichtete mir zum Beispiel eine Mitbürgerin der Stadt Gerolstein, dass in ihrer Familie nie über Politik gesprochen wurde und dieses Thema somit ein Tabu war. Die hohen Prozentsätze der ungültigen Stimmen der Kreistags wählen des Jahres 1946 zeigen die Einstellung der Bevölkerung in unserem Landkreis und unserer Region zu den Parteien. Die meisten Menschen hatten sich vor dem Zweiten Weltkrieg nicht für die politischen Geschehnisse interessiert und taten dies erst recht nicht nach 13 wahllosen Jahren unter der Herrschaft der Nationalsozialisten. Die Trägheit entsprang einer starken Verunsicherung, die diejenigen Bürger traf, die vor dem Jahre 1933 dem Zentrum angehörten, da sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Frage stellte, ob man die betont konfessionelle Politik des Zentrums weiterführen oder einen Neubeginn auf christlich-demokratischer und sozialer Basis machen sollte. Die meisten Menschen hatten jedoch eher Angst vor den Parteiorganisationen und brachten diesen nur sehr selten Vertrauen entgegen. Dies lag teilweise an den schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre, aber auch daran, dass viele Menschen einfach keinerlei Ahnung von Politik hatten und mangels Informationen auch keine feste politische Überzeugung bekommen konnten. Viele Leute, so besonders die Älteren, hatten ihr Leben lang nicht gelernt zu widerstreben und waren geprägt von dem Fügungs- und Obrigkeitsgedanken. "In der schlechten Zeit der ersten Nachkriegsjahre suchte man die nötige Hilfe eher bei sich selber, als bei Institutionen«, berichtete mir Frau H. aus Gerolstein, die durchaus bejahen konnte, dass die meisten Mitbürger in der damaligen Zeit den Standpunkt vertraten: »Ohne mich.«

Bürger, die sich engagierten, teilten sich wiederum in zwei Sparten: Die einen traten ohne Zweifel aus politischer Überzeugung in die jeweilige Partei ein oder waren dieser schon in früheren Zeiten treu gewesen, sie bildeten auch meist den festen Kern. Die andere Gruppe waren Leute, die sich von dem Eintritt etwas versprachen und erwarteten, dass ihnen dort geholfen würde oder sie in der Gesellschaft durch ihre Zugehörigkeit zu einer Partei einen höheren Status erlangen könnten. So glaubten viele, sie würden als bessere Christen angesehen, wenn sie der CDU beitreten. In den ersten Nachkriegsjahren könnte eine Mitgliedschaft bei der SPD auch in der Hoffnung auf einen schnelleren Entnazifizierungsvorgang geschehen sein. Doch schrittweise konnten die Parteien das Vertrauen der Bevölkerung mit diversen Veranstaltungen und genügend Einsatz gewinnen. Die politische Bildung blieb jedoch bis in die 60er Jahre, in denen der Fernseh-Boom einsetzte, immer noch zurück.

Problematik der Quellenüberlieferung in den ersten Nachkriegsjahren

Die teilweise auftretenden Lücken oder nur unzureichenden Fakten rühren in der Hauptsache daher, dass es immer weniger Zeugen aus vergangenen Jahrzehnten gibt und die Menschen sich in der Zeit des Wohlstandes nicht sonderlich für die elenden Tage interessiert haben. Insgesamt ist die Quellenlage der frühen Nachkriegszeit nicht sehr günstig. Teile der staatlichen und nichtstaatlichen Überlieferungen müssen auf Dauer als verloren gelten, da sie in den Wirren der ersten Nachkriegsjahre, auf welche Art auch immer, verschwanden und somit unauffindbar sind. So muss es auch schon einmal vorgekommen sein, dass Akten der Altregistraturen ohne Rücksprache mit dem zuständigen Archiv, in diesem Falle des Landeshauptarchivs in Koblenz, bei der jeweiligen Behörde und Dienststelle einfach zur Vernichtung freigegeben wurden. Dieses ist zwar nur eine Vermutung, doch sie erscheint plausibel, da mir Herr Koch aus Gerolstein mit seinen alten Dokumenten, die er vor der Vernichtung rettete, sehr weitergeholfen hat. Der Vorfall ist Beweis dafür, dass für die Geschichtsforschung wichtige Schriften und Papierstücke oft als wertlos angesehen werden und im Reißwolf landen. Mir persönlich ist solch ein Desinteresse unverständlich.

Es muss aber auch bedacht werden, dass das Jahr 1945/46 eine Zäsur in der Verwaltungskontinuität bedeutete. Damals erfolgte die Neuordnung des Behördenwesens in einem relativ häufigen Wechsel von Organisationen und Kompetenzen, wobei diese ständige Umordnung der Verwaltungsstruktur für eine ordentliche Registralurführung nicht gerade hilfreich war. Auch war, bedingt durch die Notzeit, oft kein oder nur wenig Papier in schlechter Qualität vorhanden. Wenn man ältere Mitbürger nach Schriftstücken der damaligen Zeit fragt, antworteten sie oft entrüstet: «Damals gab's doch kein Papier. Wir waren froh, wenn wir Papier hatten, um die Mitgliederliste festzuhalten!« Das Papier stammte zumeist von den Besatzungsbehörden, die es zum Beispiel zu Parteigründungen zur Verfügung stellten; es konnte aber auch aus Restbeständen des Naziregimessein.

Und das Vervielfältigungsverfahren, die Verwendung von dünnen, nicht lange haltbaren Kopien oder Durchschlägen wirkte sich negativ auf die Haltbarkeit der Papierstucke aus. Auch gab es völlig unzureichende Aufbewahrungsräume, wie beispielsweise Keller, Dachböden, Scheunen, Ställe, wobei die Akten Nässe, Kälte, Schmutz und Ungeziefer ausgesetzt waren. Dies sind jedoch nicht nur die Probleme der Vergangenheit. Auch heute geht unersetzbares Altschriftgut und Dokumentationsmaterial durch Unwissen, fehlende Kooperation mit den Archiven und mangelndes Verständnis für die Bedeutung des Materials als Geschichtsquelle verloren. Es ist schade, dass oft so wenig Wert auf die Vergangenheit gelegt wird, der wir eigentlich unser Sein verdanken.

Zusammenfassung, abschließende Überlegungen

Die Parteien im Landkreis Daun erfuhren also ein langsames, aber stetiges Wachstum und konnten der Bevölkerung nach und nach ihre politischen Gedanken und Ziele vermitteln. Die schwere Anfangszeit haben CDU, F.D.P. und SPD gut bewältigt. Im Vergleich zu heute war die damals vertretene Politik noch mehr von Idealismus geprägt, da große Ziele vorhanden waren, für die sich die Mitglieder voll und ganz einsetzen konnten. Heute ist fast alles erreicht und es macht sich großer Egoismus in den Parteien breit. Somit denken die meisten älteren Parteimitglieder wehmütig an die beschwerliche, aber idealistischere Zeit zurück und werden von der heute vorherrschenden »Einheitspolitik« immer mehr enttäuscht. Auch verlieren die Parteien immer mehr Stammwähler, da bedauerlicherweise oft nur noch aus Bestrafung gewählt wird, um den anderen zu schaden. Doch das politische Bild hat sich in unserer Region bis zum heutigen Zeitpunkt nicht stark verändert. Die CDU ist immer noch stärkste Partei, gefolgt von den übrigen, doch mit weitgehend abnehmender Dominanz. Zur Zeit befinden wir uns im Landkreis Daun in einer Umbruchstimmung. Die Zahl der Landwirte geht immer mehr zurück und mit ihnen verschwindet auch die schon seit langem bestehende konservative Ideologie. Es ist also zu erwarten, dass sich die Sozialstruktur in der Eifel in den nächsten Jahren ändern wird und mit ihr die alteingefahrene konfessionspoliltsche Denkweise.