Junge Leute und deutsche Klassik

Jünkerather Hauptschüler auf den Spuren Schillers

Hubert Pitzen. Stadtkyll

»Am Ende kriecht Franz Moor, der durch kalte Berechnung seinen Sieg davonzutragen glaubte, geradewegs in den nachtblauen Irrsinn hinein. Sein Gewissen beschert ihm statt einer triumphalen Erbschaft Furcht, Wahnsinn und Untergang. Vor dunkler Kulisse, lediglich erhellt durch einen Punkt unwirklichen Blaus, zerfließt das schlangenhaft Böse im macht besessenen Bruder, bis er sich schließlich wimmernd am Hosenbein seines Dieners Hermann festkrallt. Doch auch der wendet sich ab. Da bleibt nur der Tod.«

So beschreibt die Theaterkritiken n das unrühmliche Ende des Franz Moor in Schillers Drama »Die Räuber«, eine Inszenierung von Celino Bleiweiß im Euskirchener Theater. Diese preisgekrönte Aufführung sahen Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Graf-Salentin-Schule und ein Teil des Kollegiums. Der Theaterbesuch war gleichsam Höhepunkt einer intensiven Beschäftigung mit der Theatergeschichte, angefangen von der klassischen griechischen Tragödie über Theaterformen des Mittelalters bis hin zum modernen Theater. Die anfängliche Skepsis, ob sich die »heutige Jugend" überhaupt für das klassische Schauspiel interessiere, machte sehr schnell der Erkenntnis Platz, dass sich die Schüler insbesondere für die inhaltliche Seite des Dramas »Die Räuber« interessierten, obwohl einige Textpassagen nicht leicht verständlich waren. Schließlich wollte man mehr über die gesellschaftlichen Zustände des 18. Jahrhunderts in Erfahrung bringen. Hierbei gewannen die Schüler die Erkenntnis, dass Schillers elementarer Freiheitsdrang und Empörung gegen die absolutistischen Machenschaften ihren Ausdruck in diesem Drama (1782 uraufgeführt) fanden, das die Züge des Sturms und Drangs trägt. Praktisch zwangsläufig kam man auf den Gedanken, mehr über das Leben und Werk Schillers zu erfahren. So entwickelte sich das Thema zu einem Projektunterricht.

Weitere inhaltliche Bereiche waren die Diskussion über die Entstehungsgeschichte und Uraufführung, das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15, 11-32), das sich im Drama widerspiegelt und eine Selbstrezension Schillers. Nach dieser intensiven Vorbereitung stand nun der Theaterbesuch auf dem Programm. Die Tatsache, dass ausnahmslos alle Schüler an einem Samstagabend bereit waren, dabei zu sein, verdient Anerkennung. Der von einigen jungen Leuten geplante Disco-Besuch wurde zurückgestellt.

Die Spannung, wie das "Drehbuch« in Szene gesetzt werden würde, war auf der Busfahrt in den Gesprächen zu spüren. Dann war es soweit. Nach dem Öffnen des Vorhanges erhob sich statt düsterer Wälder eine pompöse, drehbare Pyramidenkonstruktion in der Mitte der Bühne, bestehend aus steingrauen Klötzen, an der Spitze das Brandenburger Tor. Diese Dekoration diente gleichzeitig als Moorscher Adelssitz wie auch als Räuberversteck. Drumherum nichts weiter als bundesdeutsches Schwarz-Rot-Gold. So symbolisierte das Dekor die historische Kontinuität zwischen den revolutionären 80er und 90er Jahren des 18. Jahrhunderts und dem Ost-West-Umbruch des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Es ergaben sich innerhalb einer solchen Interpretation 14 Szenen, in denen sich Horst Günter Marx als Karl Moor und Till Kretschmar als sein Bruder Franz gegenüberstanden. Franz Moor macht seinem in einer fernen Stadt lebenden Bruder dessen Erbe und Braut Amalia (Ulrike Schwarz) streitig. Er wittert lüstern und machtbessen wie ein verführerischer Mephisto seine Chancen. Als Karl nach Hause aufbricht und seinen Vater (Peter Uwe Arndt| um Aufnahme bittet, erreicht ihn ein von Franz geschriebener Brief, in dem ihm der Vater angeblich mitteilt, dass er ihn enterbt habe. Dieses Unrecht führt dazu, dass Karl eine Räuberbande gründet und mordend und brandschatzend durch die Lande zum Schloss seines Vaters zieht. Dort erkennt er die Intrige seines Bruders. Nach einem Wiedersehen mit seinem im Verlies eingesperrten Vater konzentriert sich Karl auf Rache an seinem Bruder, den der Tod ereilt. Doch Karl erkennt schließlich, dass sein Handeln die menschliche Ordnung zerstört. So liefert er sich dem weltlichen Gericht aus, um der Gerechtigkeit Genugtuung zu geben.

Nach dem Fallen des Vorhanges bestand natürlich bei den Schülern großer Diskussionsbedarf:

Volker K.: Die Schauspieler fand ich überzeugend, wobei Franz seine Rolle am besten spielte. Enttäuscht war ich von der Bühnendekoration, da ich mit dem Brandenburger Tor überhaupt nichts anfangen konnte. Ingo N.: Das Stück war nie langweilig; aber die Bühne war einfallslos gestaltet, da man sich nicht richtig in die Szenen versetzen konnte. Michael P.: In erster Linie war ich verwundert, da viele Passagen im Vergleich zum Text verändert oder weggelassen waren. Die Schauspieler fand ich toll, weil sie ihre Rollen durchlebten. Auch manche Effekte wie zum Beispiel der Selbstmord von Franz waren spektakulär. Was ich negativ fand, war das Bühnenbild. Ein grauer Klotz, den man einfach nur drehte; kein Hauch von Wäldern. Das habe ich mir anders vorgestellt.

Janina J.: Das Bühnenbild bestand aus einer pyramidenähnlichen Drehbühne. Dieses abstrakte »Bauwerk« passte gut zu der Aufführung, denn es wurden alte und moderne Elemente eingebaut.

Mario M.: Die antiquierte Sprache behinderte etwas das Verständnis.

Sabine D.: Was mich besonders beeindruckte, war die Darstellung des Verlieses. Interessant war auch, dass von der klassischen Form der fünf Akte Abstand genommen wurde. Peter F.: Herausragend fand ich die schauspielerische Leistung Till Kretschmars. Er hat vor allem die Szene, in der Franz verrückt wird, hervorragend gespielt. Um das Stück komplett zu verstehen, musste man es vorher gelesen haben, da einiges weggelassen wurde. Fazit: Es hatte sich gelohnt, einen solchen Theaterbesuch unternommen zu haben.