Geschichte - Geschichten

Bildung der Grafschaft Manderscheid-Gerolstein

Graf Johann Gerhards besondere Vorliebe für seine Residenz

Erwin Schöning, Pelm

Johann I. Graf von Manderscheid, Blankenheim und Gerolstein, Herr in Jünkerath, Daun, Erp, Bettingen und Dreimühlen, starb am 20. Januar 1524. Mit seiner Frau Margaretha von der Mark, die ihn bis zum 26. Januar 1552 80jährig überlebte, hatte er 18 Kinder. Bei der Gütertrennung kam es zwischen den Söhnen Gerhard und Arnold zum Streit, in dem Wilhelm, Herzog von Jülich, vermittelte. Am 6. Mai 1548 wurde dieser Streit durch Vertrag beigelegt. Gerhard stiftete die Gerolsteiner, Arnold die Blankenheimer Linie. Obwohl Gerhard der ältere war und sein vor ihm verstorbener ältester Bruder Johannes ihm die Rechte der Erstgeburt erblich übertragen hatte, wurde er in diesem Vertrag gegenüber seinem Bruder Arnold doch benachteiligt. Aber ohne dieses Opfer wäre der Vertrag nicht zustande gekommen. Dieser Streit mit seinem Bruder war Gerhard so zu Herzen gegangen, dass der Verdruss sich nachteilig auf seine Gesundheit auswirkte und er noch in dem selben Jahr am 30. Juli starb.

Graf Gerhard war mit Franziska, Tochter des Barons von Montfort und der Charlotte von Brederode verheiratet. Sie war bereits vor ihm im Jahre 1544 gestorben. Aus dieser Ehe waren fünf Kinder hervorgegangen: Maria, Johann Gerhard, Josina, Margaretha und Helena. Außer diesen ehelichen Kindern hatte Graf Gerhard noch einen außerehelichen Sohn Johann, der im Testament väterlich bedacht war. Hierin heißt es: "Item Johann unserm natürlichen Sohn soll man Pferd und Harnisch und darüber 12 Geldgulden geben.«1

Graf Johann Gerhard, geboren am 16. Juni 1536, folgte seinem Vater zwölfjährig in der Regierung. Er wurde in eine unruhige Zeit der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche hineingeboren. In Köln versucht Kurfürst Hermann von Wied vergeblich die Reformation, Köln und Danzig waren zu der Zeit mit 30000 Einwohnern die größten Städte im Reich. Als Johann Gerhard zehn Jahre alt war, starb Martin Luther. Das Augsburger Bankhaus Fugger, dessen Vermögen sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelte, finanzierte den Schmal kaldischen Krieg. Die Bauern in Deutschland litten unter der Abgabenlast, die sechzig Prozent des Rohertrages betrugen. In den Niederlanden fand unter Wilhelm von Oranien und Graf von Egmont die Erhebung gegen die religiös untolerante spanische Herrschaft statt. Auch am Niederrhein kreuzten sich die Interessensphären von Lutheranern, Calvinisten und Katholiken. In Köln versuchte der dortige Erzbischof und Kurfürst Gebhard Truchsess von Waldburg 1582 sein Kurfürstentum entgegen dem "Geistlichen Vorbehalt des Religionsfriedens" zu verweltlichen. Die Folge war, dass der katholische Teil des Reiches und Spanien Truppen sandten. Obwohl Pfalzgraf Johann Casimir dem abgesetzten Gebhard 1584 mit 7 000 Mann zu Hilfe kam, musste er in die Niederlande fliehen. Graf Johann Gerhard schien dem Luthertum auch nicht abgeneigt gewesen zu sein. In seiner Jugend hatte er sich viel an fremden Fürstenhöfen aufgehalten, wo er sich Liebe und Wohlwollen erwarb. Kaiser Maximilian II., der auch mit dem Luthertum sympathisierte, so dass es zu einer schweren Krise mit seinem Vater. Kaiser Ferdinand I. um die Nachfolge kam, schätzte den Manderscheider Grafen so sehr, dass er ihn zum Obermarschall ernannte und ihm 1570 das ehrenvolle Amt übertrug, seine Schwester Elisabeth, Braut König Karls IX. von Frankreich, bis an die französische Grenze zu begleiten. Danach kehrte Johann Gerhard nach Wien zurück, wo er Wilhelm, Herzog von Jülich, bei der Vermählungsfeier des Erzherzogs Karl von Österreich mit Maria, Prinzessin von Bayern, vertrat.

Als Ende das 16. Jahrhunderts niederländische Freibeuter die Eifel unsicher machten, um der katholischen Partei zu schaden, warf die luxemburgische Regierung dem Grafen Johann Gerhard von Manderscheid-Gerolstein in einem Schreiben vor, er begünstige die umherziehenden Scharen der Holländer. Auch wenn sich der Graf entschieden gegen diese Vorwürfe zur Wehr setzte, konnte der Echternacher Abt Bertels, den die Holländer als Geisel entführt hatten, nach seiner Freilassung berichten, dass seine Entführer in Gerolstein Rast gemacht hatten^

Durch die Heirat Philippina Sidonia von Manderscheid-Gerolstein, Tochter von Johann Gerhard, mit Florentius von Pallandt, Graf von Euylenberg 1571. bestanden verwandtschaftliche Verbindungen zu den Niederlanden, und Florentius war ein entschiedener Verfechter der Freiheitsideen.

Mit dem Zeitgeist der Hexen Verfolgungen wurde Graf Johann Gerhard bereits im Jahre 1575 konfrontiert. Er nahm den Ausgang der Verfahren nicht zum Anlass weiterer Prozesse, obwohl die Geständnisse eine Reihe angeblicher Komplizen namentlich hinterlassen hatten. Ein weiterer Prozess endete mit der Freilassung der Angeklagten. In der Herrschaft Jünkerath blieb das Geständnis einer angeblichen Hexe 1582 ebenfalls ohne Folgen. Treibende Kraft bei den einsetzenden Verfolgungen schien dabei auch nicht der Landesherr zu sein, sondern die Bevölkerung. Die Menschen lebten damals in unmittelbarer Abhängigkeit von guten und schlechten Ernten, bedroht von Seuchen und Kriegswirren. Die Schuld dafür musste dann eine der gefangenen Frauen auf sich nehmen. Erst durch das Auftreten des Dr. utr. jur. Johann Moeden, ein junger, ehrgeiziger Jurist, erlebten die Verfolgungen in der Gerolsteiner Grafschaft ihren traurigen Höhepunkt. Unter den Verurteilten und Hingerichteten war auch der Gerolsteiner Amtmann Heinrich von Mühlheim.

Graf Johann Gerhard hatte 1555 Margaretha, die Tochter Philipps Franz. Wild- und Rheingrafen zu Daun und Kirburg und der Gräfin von Ottingen, geheiratet. Mil ihr hatte er dreizehn Kinder. Für seine Residenz Gerolstein hatte der Graf eine besondere Vorliebe. In einem Erlass an den Stadtrat von Gerolstein vom 18. Januar 1576 sagt er unter anderem: "Wir halten dafür, das auf Erden nichts Lustiger anzusehen sei, als eine reine ehrliche Bürgerschaft, die in Gottesfurcht, still und friedlich bei- und miteinander wohnen, da jedes in seiner Ordnung gehet, Gottes Wort gehöret und gelebet wird; die Obrigkeit fürsichtig, rechtfertig, aufrichtig; die Unterthanen und Gemeinde unter einander einträchtig sind; die Formen gefördert und die Bösen gezüchtigt und gestraft werden. Wie denn auch ohne ein solch Regiment sich keiner bei dem ändern erhalten und seine Nahrung gehaben mag und besser einer Wildnuss unter den wilden Tieren zu sein wäre als an einem solchen Orte zu wohnen."

Nach Aufstellung dieser Grundsätze verfügte Graf Johann Gerhard: »Erstens: Dass jederzeit diejenigen, so zu Bürgermeistern erwählt und angenommen seien, der ganzen Bürgerschaft und Gemeinde getreu und fleißig vorgehen, ihre Ehre, Würde und gemeinen Nutzen jederzeit befördern, betrachten und mit Wissen nimmer versäumen oder auch liegen lassen sollen. Auch mit allem Fleiß daran sein, dass die Inkommen und Nützen nicht unnützlich angewendet, verthan, noch veruntreuet, die Innahme, Ausgabe, die Gebäude, Thürme, Mauren, Pforten, Wasser, Weg und Steg in guten Bau und Besserung und verrechnet werde; Zweitens: Alle Strassen. wie vor Alters die Vorgebäue, Holz oder Mistplatze soll man durchaus rein und frei haben und halten. Drittens: Wenn von dem gemeinen Nutzen und gemeinen Rechtswegen etwas zu handeln, zu berathschlagen, zu ordnen nöthig ist. so soll nicht die ganze Gemeinde zusammen gelautet werden, denn darunter viele grobe, unverständige, jähzornige, irrige und widerspenstige Menschen, welche sich nicht reden noch sagen lassen und vielmehr Unraths dann Nutzen darbei schaffen befunden werden.« Diese weise Verfügung schließt mit den Worten: »Da aber nun Bürgermeister und Rath nicht würden getreulich vorstehen und rathen, und bei solchem Regiment leichtfertig und nachlässig sein, so sollt ihr wissen, dass wir sind der oberste Hüter und Handhaber des Gesetzes und guten Regiments.«3 Im Jahre 1604 brachte Graf Johann Gerhard eine eheliche Verbindung seines Sohnes Karl mit Anna Salome, Tochter Joachims, Graf von Manderscheid-Virneburg, zustande. Er gab ihm außer einer ansehnlichen baren Mitgabe die Herrschaft Kronenburg und die Grafschaft Roussy und setzte ihn in seinem Testament zum Universalerben ein. Johann Gerhard starb am 5. Oktober 1611 auf dem Schloss Gerolstein. Seme Gattin starb vor ihm am 27. Oktober 1600.

Anmerkungen und Literaturangaben:

1 Schannat / Bärsch: Eiflia Illustrata Bd. 1, ABt. 2, S.539

2 Die Manderscheider - Herrschaft - Wirtschaft - Kultur. S.22 f.

3 Schannat / Bärsch : Eiflia Illustrata Bd. 3, Abt. 2, Abschnitt 1, S. 33 f.