Kräuterweihe

Gertrud Knobloch. Bonn

Der 15. August ist in katholischen Gemeinden der Tag der Kräuterweihe. er hatte früher in bäuerlich geprägten Gegenden eine große Bedeutung. Draußen in der Natur wurde ein großer Strauß mit verschiedenartigen Pflanzen gesucht, der »Krautwisch«, wie er im Rheinland genannt wurde. Darin konnten bis zu siebzig Kräuter enthalten sein. Die wichtigsten waren bekannte Heil- und Gewürzkräuter wie Johanniskraut, Dost, Tausengüldenkraut, Kamille, Wermut, Pfefferminze, Rainfarn, Blutstropfen, Frauenmantel, Beifuss. Die Mitte zierte oft eine Königskerze.

Alle gesammelten Kräuter sollten Heilwirkung ausstrahlen und vor Unwettern schützen. Schafgarbe und Salbei waren gegen Husten und Halsweh gedacht, Spitzwegerich und Wermut gegen Insektenstiche, Magen- und Gailenschmerzen. Oft zierte den Krautwisch sogar eine Brennessel, deren blutreinigende und blutbildende Wirkung man kannte und schätzte. Baldrian sollte jung erhallen und die Nerven beruhigen, Klette bei Drüsenschwellungen und Geschwüren helfen. Die Getreidearten Hafer, Roggen und Weizen gehörten auch in das Bündel als Sinnbild des Geschütztseins vor Hungersnot. Mancherorts setzte man als Krönung des Straußes eine Lilie und eine Rose hinein, beides eine Huldigung an die Jungfrau und Gottesmutter Maria.

Der Strauß wurde im Gottesdienst gesegnet und an luftiger Stelle, meistens im Speicher aufgehängt und verwahrt. Diese an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuter sollten das Anwesen vor aller Unbill und vor Krankheiten schützen. Oft wurde bei schweren Gewittern eine trockene Pflanze herausgezogen und auf der Herdplatte verkohlt, das sollte vor Blitzschlag bewahren.

Natürlich war das Sammeln des Krautwisches, das genauso wie im Rheinland im süddeutschen und österreichischen Raum üblich war wie auch in der Schweiz, in erster Linie ein Vorrecht der Kinder, welche auf diese Weise, von den Eltern beraten, die entsprechenden wertvollen Kräuter kennenlernten. Das Suchen und Sammeln stärkte Naturverbundenheit, Beobachtungsvermögen und Liebe zu den Pflanzen und Kräutern in der Natur. So wurden die Kinder zur Kenntnis der Heilkräuter und zur Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung erzogen. Erfreulicherweise wächst wieder das Interesse an dem Brauch der Kräuterweihe, der möglicherweise schon auf heidnische Zeiten zurückgeht. Man erkennt mehr und mehr, dass viele alte Bräuche Werte darstellen, die zu bewahren sich lohnt.