Kirchengebäude und das Miteinander der Menschen

P. Dr. Herbert Schneider OFM, Rom/Dockweiler

Eine so alte Kirche wie die in Dockweiler ist als Ort des Gebetes zugleich auch ein Raum des Miteinanders der Gläubigen - dies verändert sich mit der Zeit.

Die Pfarrkirche St. Laurentius geht auf eine ehemalige dreischiffige Basilika aus dem Jahre um 1200 zurück, wie heute noch der Chor und ein Teil des Längshauses ausweisen. Der alte Kirchturm, nach 1648 restauriert, musste 1903 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Von ihm gibt es noch ein historisches Foto. Er trug die Glocken, die zu den Gottesdiensten riefen, war aber zugleich Schutzturm, wie das Bild erkennen lässt. Neben der sakralen hatte er auch eine gesellschaftliche Funktion, bot bei Gefahren wie Krieg, Sturm und Brand, bei Wind und Wetter Unterschlupf. Es mag hier gelten, was allgemein für solche Gebäude üblich war; ein Turmwächter hatte die Aufgabe, bei Brand und Unwetter durch die Glocken aufmerksam zu machen. Im Falle eines Krieges wurden nicht nur die Glocken geläutet, sondern auch durch Fahnen und Tafeln die Richtung und die Stärke der Angreifer angezeigt. Nach der Zahl der Glockenschläge wusste man, um welche Gefahr es sich handelte. Jeder Mann der Gemeinde konnte zum Dienst des Turmwächters herangezogen werden.

Auch wurden offenbar mit den Glocken, wie anderswo üblich, die Gerichtstage und Gemeindeversammlungen einberufen. Dockweiler war nämlich Hochgericht. Als der Turm im Jahre 1903 an anderer Stelle, jetzt neben dem Chor, errichtet wurde, verlor er seine bisherige gesellschaftliche Funktion. Er ist jetzt nur noch Kirchturm, dessen Glocken zum Gottesdienst rufen. Der nun größer gebaute Turm ragt deutlich über die Häuser hinaus. Er wird damit auch Identifikationszeichen für die Mitte des Dorfes und der Gemeinde. Zugleich dient er der Orientierung. Sind die Menschen auf dem Feld, kommen sie von den Straßen, gehen sie durch das Dorf; von überall her bewegen sie sich um den Turm mit seiner Kirche. Er bietet auch symbolisch Festigkeit und Halt.

Bemerkenswerterweise steht jetzt der Turm neben dem im romanischen Stil im 12. Jahrhundert erbauten Chor. Man muss annehmen, dass dieser Gebäudeteil noch viel älter ist. Der Turm schafft so eine Verbindung zwischen vielen Jahrhunderten bis zur heutigen Zeit. Innerhalb der Kirche waren die Menschen im allgemeinen »Milieustand«, d. h. Landbevölkerung. Die Aufgliederung geschah nach Naturständen: Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen. Im linken Kirschenschiff befanden sich die Frauen, im vorderen Teil die Jungfrauen und davor die Mädchen. Ebenso waren im rechten Teil hinten die Männer, vorn die Jungmänner und davor die Jungen. Dies zeigt schon, dass die Naturstände von den Lebensständen Alte -Junge, Männer - Frauen untergliedert waren. Geburtsstände (Adel, Bürgertum) sind nicht nachweisbar, da es sie wohl auch in der Gemeinde selbst nicht gab. Jedoch wirkten sich gewisse Berufsstände aus (Lehrer und Pfarrer) und ebenso Besitzstände, insofern wohlhabende

Alter Kirchturm Dockweiler vor 1903

Bauern und Geschäftsleute sich in der Kirche einen Platz mieten konnten. Die Bänke waren hinten in der Kirche in der Nähe des Beichtstuhls numeriert. Vermögende Bürger konnten sich hier einen Platz pachten, der stets für sie frei blieb, gleich wann sie zur Kirche kamen, zeitig oder zu spät.

Bemerkenswert ist die Empore. Sie war einerseits ein beliebter Aufenthaltsort für Jugendliche, vor allem bei Andachten. Zum anderen kannte die Empore eher ein gemischtes Publikum und nicht strenge Aufteilung wie unten im Kirchenschiff. Vielleicht war dies auch die Auswirkung des Kirchenchores, der stets alle Stände miteinander vereinigte. Hier galt die Stimme und nicht der Stand.

Langsam bahnt sich in unserer Zeit eine Veränderung im Verhalten der Menschen an. Wir sehen jetzt mehr und mehr Männer und Frauen im Kirchenschiff in den Bänken gemischt. Vorn noch sind die Mädchen und Jungen nach Geschlechtern getrennt. Die Kinder in den ersten Bänken fehlen meistens, da sie von den Eltern in die Bänke überall in der Kirche mitgenommen werden. Dies bringt eine Veränderung im Bewusstsein mit sich, sich nämlich auch in der Kirche mehr und mehr als gemischte Gemeinschaft zu verstehen.

Der Chor hat in seiner langen Geschichte gewiss schon viele Veränderungen erlebt. Bei der Kirchenrenovierung 1974/75 wurde die Kanzel am vorderen ersten rechten Pfeiler entfernt. Eine Mikrophonanlage vom Chor aus ersetzte sie. Die Kommunionbank, bisher geschlossen, ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil generell in der Mitte geöffnet.

Die Gemeinde wird stärker mit dem Geschehen der Eucharistie im Chor verbunden. Am Altar sind mehrere Personen beteiligt, Pfarrer, Lektoren, Frauen und Männer, ebenso nicht nur die Jungen als Messdiener, sondern auch Messdienerinnen. Frauen sind ebenso wie Männer im Küsterdienst.

Vor dem Hauptaltar steht jetzt der Zelebrationsaltar, an dem der Priester zur Gemeinde hin und mit ihr die Messe feiert als Zeichen des um den Altar geeinten Volkes. Es zeigt sich ein Wandel in der Kirche. Er bestimmt Bewusstsein und Verhalten vieler Gläubigen. Sie verstehen sich immer weniger als Kirchenbesucher, vielmehr als Teilnehmer und Beteiligte. Die Kirche ist das eine Volk Gottes, wie es das Zweite Vatikanische Konzil lehrt.