Gertrud Beckereine Landschaftsmalerin der Eifel

Wilma Herzog, Gerolstein

Wer in den Wochen des Januars 1996 die Bahnhofstraße in Gerolstein entlangging, sah Passanten vor dem großen Schaufenster der Familie Reinhold anhalten und eine Zeitlang verweilen. Interessiert betrachteten sie Eifellandschaften von Gertrud Becker, einer Gerolsteiner Malerin, die sie in Öl- oder Aquarellfarbe, mit Bleistift oder Pastellkreide auf Papier und Leinwand bannte und dort ausstellte. Das untrügliche Gespür der Malerin für das Wesentliche und Charakteristische unserer Eifelheimat vermittelt sich darin dem Betrachter. So zeigen die bilder nicht nur die satte Frische einer Frühlingswiese an der leicht dahin mäandernden Lieser, sie halten auch beeindruckende Ansichten der Vulkaneifel unter grauverhangenem Himmel fest. Die Malerin zeigt nicht nur ruhige friedliche Stimmungen im Wechsel der Tages- oder Jahreszeiten, sie zeigt auch in den markanten landschaftlichen Kulissen der näheren und ferneren Umgebung die Eifeler bei der Arbeit. Wir sehen den Bauern hinter dem Pferde- oder Kuhgespann beim Pflügen seines Feldes oder beim Beladen des Heuwagens. Mit dem malerischen Festhalten an Altbewährtem, an Arbeitsmethoden, die über Jahrhunderte hier unverändert blieben, zeigt Gertrud Becker ihre tiefe Eifeler Erdverbundenheit. So wie Einheimische alten Schlages die Modeerscheinungen vielfältigster Art an sich vorbeiflattern ließen, so richtet sich die gebürtige Gerolsteinerin nie nach neuaufkommenden Stil- und Malmethoden. Sie blieb beharrlich ihrer Technik treu und verfeinerte sie im Laufe der Jahrzehnte. Treu blieb sie auch ihrem einzigen nachahmenswerten Vorbild, der Natur. »Beim Wandern präge ich mir bilder und Farbtöne ein. Es kann aber auch sein, dass mir beim Öffnen des Fensters am frühen Morgen die Farbgebung des Himmels und die Formation der Wolken so gut gefällt, dass ich sie spontan in einem Bild festhalten muss.« Bereits als Kind entdeckte die Malerin ihr Zeichentalent. Das blieb dem Lehrer nicht verborgen, und so ließ er sie ab dem 3. Schuljahr auf die große Tafel zeichnen. Sie schildert ein Erlebnis im Alter von zwölf Jahren: »Da wir das Gras unserer Wiesen ausschließlich für Heu nutzten, musste ich die Kühe in den Wald treiben und dort hüten. Im Wald, ums Buchenloch herum, wuchs jedoch solch mageres Gras, dass die Kühe dauernd auf Suche nach was Besserem aus dem Wald liefen. Dadurch musste ich sie ständig aus allen Richtungen zurücktreiben und konnte nicht einmal meine Malutensilien auspacken, die ich doch extra mit einer Flasche Wasser für meine Aquarellmalereien mitgenommen hatte. Am nächsten Tag nahm ich ein Tütchen Salz mit und streute das an verschiedenen Stellen aus. Da standen die Kühe still, und ich konnte malen. Als ich die Kühe abends heimtrieb, hatten sie kaum Gras im Leib, dafür aber einen Riesendurst vom Salzlecken, und so liefen sie so schnell, dass ich ihnen kaum folgen konnte. Wie sie in dieser ungewohnten Eile dem Wassertrog am Stall zueil-

ten, wollte Vater wissen, was mit den Tieren los sei. Na, ja, da musste ich - im wahrsten Sinne des Wortes - Farbe bekennen.« So war unsere Heimat einmal. Die Wünsche der Eifeler, die in fernen Ländern leben und sich an Gertrud Becker in Gerolstein mit einem Malauftrag wandten, erfüllte sie gerne. Die bilder nahmen, überseemäßig verpackt, den Weg über die Meere nach Paraguay und Jordanien, nach USA und Australien. Sie bedeuten den Besitzern, gemäß ihren Briefen, mehr als Geburtsurkunden, sie dokumentieren den Ort ihrer eigentlichen Wurzeln. Der erste große Auftrag 1958 war für Gertrud Becker gleichzeitig auch das größte Ölbild, das sie je malte. Es maß 3,00 m x 1,70 m, es stellte das Weinfelder Maar und die Kapelle in einer ungewöhnlichen Perspektive dar, nämlich mit dem »Pilatusfelsen«, an den sich eine Sage knüpft. Das war der Wunsch des Auftraggebers, eines Kölner Geschäftsmannes, der gleichzeitig Kunstsammler war. Für diesen Auftrag ließ die Malerin eigens in der Weberei in Müllenborn die Leinwand weben. Ein Schreiner fertigte den Keilrahmen dazu. Ais die Malerin eines Tages das Bild in dem Kölner Haus besichtigen konnte, staunte sie nicht schlecht, es war mit einem goldenen Barockrahmen von 45 cm Breite umgeben und wurde von speziellen Lampen beleuchtet, die dem Gold des Ginsters am Maar zu einem besonderen Leuchten verhalfen.

In neueren bildern lässt Gertrud Becker Kinder im Vordergrund auftreten. Die abendlichen Szenen sind, wie Martinsabend, durch Feuerschein und Fackeln erhellt. Sie zeigen immer noch die erkennbaren Silhouetten der Eifellandschaft aber die bilder erhalten eine märchenhafte Zutat, ein Reiz, ein Zauber, dem sich auch der erwachsene Betrachter kaum entziehen kann.

Am 28. September 1997 wird Gertrud Becker ihren 75. Geburtstag feiern. Gelegenheit für alle Freunde und Verehrer, der Künstlerin zu danken.