Ein Maler, der bilder baut - Karl Schneider, Filmarchitekt

Brigitte Bettscheider, Kelberg

Für sein langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film erhielt er das Filmband in Gold. Das Filmmuseum in Düsseldorf porträtierte ihn anlässlich der Eröffnung im Jahr 1993 in einer Sonderdokumentation. Die wichtigsten Filme seiner frühen Zeit werden auch heute noch gezeigt. Er wohnt seit fast 30 Jahren in Daun am Firmerich - »wegen der Schönheit der Eifel und der vielen guten Freunde«. Von Karl Schneider ist die Rede, einem der wichtigsten Filmarchitekten des deutschen Nachkriegsfilms.

Die vordringlichste Arbeit eines Filmarchitekten ist es, ein optisches Drehbuch, bestehend aus Arbeitsskizzen, Entwürfen, Grundrissen und Detailzeichnungen, zu erstellen. Für Regisseur und Kameramann bildet dieses Drehbuch den roten Faden einer Filmhandlung. Den Schauspielern ist es Voraussetzung, um die von ihnen darzustellenden Charaktere zu verdichten. Karl Schneider studierte freie Malerei an der Akademie seiner Geburtsstadt Berlin. Nach ersten Arbeiten als Bühnenbildner am Theater begann er 1948 seine Laufbahn als Filmarchitekt bei der DEFA, Abteilung Spielfilm, in Potsdam-Babelsberg. Er war Maler, Architekt und Konstrukteur zugleich. Seine Entwürfe sind Kunstwerke, Beweise seines großen malerischen Talentes, das im ohnehin kleinen Kreis der bedeutendsten Filmarchitekten einmalig ist. Mit Feder und Pinsel setzte er einen literarischen Stoff Bild für Bild um, bevor er seine Entwürfe bautechnisch ausarbeitete. Aus den Anfängen seiner DEFA-Zeit stammen viele seiner Feder- und Tuschezeichnungen, häufig in erdigen Grau-, Blau- und Grüntönen. Für Karl

Schneider wurde ein Film in erster Linie durch die Bildgestaltung geprägt, erst dann durch die Dialoge. »Das ist meine Sprache«, so Karl Schneider über seine Filmbilder. Im Abspann von über 40 Spiel- und Fernsehfilmen taucht der Name Karl Schneider auf. Dann hatte er die Bauten entworfen und die Ausstattung besorgt. Mit historischem Detailwissen rekonstruierte er Gebäude, Dekore und Requisiten - so für den Film »Der Untertan«, der 1951 nach dem Roman von Heinrich Mann und in der Regie von Wolfgang Staudte entstand. Schneider war gefragt. Regisseure wie Artur Pohl, dessen Film über die Sozialistengesetze, »Die Unbesiegbaren«, er ausstattete, arbeiteten gern mit ihm. Er entwarf die Bauten für Gerhard Kleins Film »Eine Berliner Romanze« 1955/56, für Erich Engels Vietnamfilm »Geschwader Fledermaus«, 1958. Er schuf zusammen mit Serge Pimenoff die Bauten in der französisch-italienisch-deutschen Koproduktion »Die Elenden«, 1957, nach dem Roman von Victor Hugo. Jean Gabin spielt darin die Hauptrolle. An ihn erinnert sich Karl Schneider heute noch besonders gern. Sehr früh, immer lange vor Drehbeginn, sei Gabin in die Studios gekommen und habe sich mit den Räumlichkeiten vertraut gemacht.

»Ick hab immer so Dinger jemacht«, das ist Originalton Karl Schneider, wenn er von den Kämpfen spricht, die er um manche seiner Ideen führen musste. So arbeitete er zwei Jahre mit Wolfgang Staudte an dem Farbfilmprojekt »Mutter Courage«, nach dem Theaterstück Bert Brechts. Der Film wurde nie realisiert. Karl Schneiders Entwürfe sind geblieben und wurden im Düsseldorfer Filmmuseum gezeigt: zarte Aquarelle, Zeichnungen von Helene Weigel als Mutter Courage, Entwürfe des Kriegsschauplatzes, bedrohlich und schön zugleich. Seine Vorschläge für die Dekoration des Märchenfilms »Das tapfere Schneiderlein«, 1956, wurde von der DEFA-Produktionsleitung zunächst abgelehnt; sie entsprachen nicht dem sozialistischen Realismus jener Tage. Karl Schneider kämpfte um seine Idee und siegte. Die DDR-Presse verriss ihn, bei den Kindern war »Das tapfere Schneiderlein« ein großer Erfolg. Konrad Wolfs »Sonnensucher«, der letzte Film, für den Karl Schneider in einem DEFA-Atelier die Dekoration entwarf, war 12 Jahre verboten. Nach 1958 arbeitete Karl Schneider überwiegend für westdeutsche Filmproduktionen und verstärkt für das Fernsehen. So schuf er von 1978 bis 1980 für Wolfgang Staudtes siebenteilige Fernsehserie »Der eiserne Gustav« nach Hans Falladas gleichnamigem Roman seine typischen Bauten.

1967 arbeitete er als erster Deutscher bei einer Filmproduktion in Israel. Zwei Jahre später entwarf er - ebenfalls in Israel - fröhliche und farbenprächtige Dekorationen für Ephraim Kishons satirischen Film »Der Blaumilchkanal«. In der Wüste baute er die Hauptgeschäftsstraße von Tel Aviv nach und setzte sie auch unter Wasser. Mit Kishon verbindet ihn seit dieser Zeit eine persönliche Freundschaft. Nach Israel und »immer und überall« wurde Karl Schneider von seiner Ehefrau Traute begleitet. »Meine Frau hat einen wesentlichen Anteil an meinem Erfolg.« Auf diesen Nenner bringt Karl Schneider die Rolle, die seine Frau in seiner 40jährigen Laufbahn als Filmarchitekt spielte. So rundet sich das Bild von der Begegnung mit einem ungewöhnlichen Mann, der sich um den deutschen Film in besonderer Weise verdient gemacht hat. Bereitwillig und humorvoll, aber sehr bescheiden, erzählt er von seinem Leben und seiner Arbeit in den Filmstudios.

- Karl Schneider - Ein Maler, der bilder baut" - so lautete der Titel der Sonderausstellung zur Eröffnung des Düsseldorfer Filmmuseums. Anlässlich dieser Ausstellung über den in ihrer Stadt lebenden Filmarchitekten besuchten im Oktober 1993 die Dauner Rotarier mit ihrem Freund Karl Schneider und seiner Ehefrau das Filmmuseum. Schauplatz der Sonderausstellung war das lichtdurchflutete Obergeschoss. Über 200 Entwürfe. Werk- und Detailzeichnungen sowie Grundrisse von Karl Schneider wurden dort gezeigt. Federzeichnungen. Aquarelle und bilder in Tempera stellen das Können des Architekten und Malers unter Beweis. Die Dokumentation seines Schaffens setzt sich fort mit Fotornaterialien. Drehbüchern und Biographischem. In einer Vitrine sein Filmband in Gold, daneben einige private Werke, ein Selbstporträt, noch auf der Staffelei, mit Pinsel und Farben, noch unvollendet. An Karl Schneiders 80. Geburtstag, am 19. Juli 1996, wurde im Dauner Forum eine Ausstellung über den berühmten Filmarchitekten eröffnet. Das geschah auf Initiative der Dauner Rotarier, des Filmmuseums Düsseldorf und der Kreissparkasse Daun.