Abschied von Josef Raskob

Franz Josef Ferber, Daun

»Herr schenke mir Sinn für Humor, gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile.« (aus einem Gebet, Thomas Morus zugeschrieben)

Am 1. April 1977 hatte es angefangen. Damals lag im Kreisheimatmuseum in Gerolstein - es war 1958 im früheren Sarresdorfer Pfarrhaus eröffnet worden - einiges im argen. Die Geschwister Meyer hatten sich beim Aufbau und bei der Führung des Museums in hohem Maße verdient gemacht. Nun waren sie alt und krank geworden, waren der ihnen liebgewordenen Arbeit nicht mehr gewachsen. Josef Raskob, als Polizeibeamter gerade pensioniert, wurde mit der Verwaltung des Museums betraut. Es gab in dem atmosphärischen Kulturhaus viel zu tun. Raskob, der, wie seine Vorgänger, richtige Mann am richtigen Platz, tat es. Er bewahrte nicht nur das heimat- und volkskundlich wert-

Josef Raskob (vorn rechts) in seinem Element, bei einer der Museums führungen zum 25jährigen Bestehen des Kreisheimatmuseums (Tag der offenen Tür) am 25. 9. 1983.

volle Museumsgut, sondern sammelte fleißig weiter und restaurierte das eine oder andere Exponat. Seine Stärke allerdings waren die originellen, mit Witzen in den verschiedenen Dialekten garnierten Museumsführungen, die sich wegen ihrer einmaligen, unverwechselbaren Art überall herumgesprochen hatten. Sogar im benachbarten Ausland hat man davon gewusst. In Holland nannte man ihn »Onkel Josef«, und so ist er dort in der Presse vorgestellt worden.

Bald zeigte sich, dass der neue Museumsverwalter ein würdiger Nachfolger der angesehenen Meyers war. Er kannte das Museum wie seine eigene Hosentasche, jedes Ausstellungsstück war ihm vertraut.

Das war ein Glück für den Museumsträger bei der Suche nach wertvollen Exponaten, die in den 80er Jahren von gemeinen Spitzbuben gestohlen worden waren.

Ich vergesse diesen Nachmittag nicht, an dem wir beide auf Geheiß des Polizeipräsidenten in eine ferne Stadt fuhren - um dort in einer Antiquitätenhandlung die neuesten Angebote heimlich zu visitieren. Mein Part war es, den Geschäftsmann abzulenken. Das glückte mir ohne besondere Tricks. Dabei kamen mir die Laientheaterseminare zugute, die ich Jahre zuvor bei Herrn Kamrnerschauspieler Günther Reim absolviert hatte. Ich spielte dem nichtsahnenden Verkäufer eine Komödie vor, die bei ihm nicht die Spur des Misstrauens erregte. Derweil schritt Josef mit weit geöffneten Augen durch den Laden, und im Nu hatte er seine Töpfe, Krüge und Becher, zur Zeit ihrer Herstellung immerhin Massenware, sicher erkannt. Er besah sie lange und von allen Seiten. Für ihn gab es am Eigentumsanspruch nicht den geringsten Zweifel. Nun ging alles seinen geplanten Gang, Unabhängig voneinander verließen wir beide das Antiquitätenkaufhaus, schritten um die nächste Ecke und berichteten den dort auf uns wartenden Kriminalbeamten von unseren Erkenntnissen. Diese machten nicht viel Federlesens, gingen spornstreichs in den Laden und nahmen alles mit, die gestohlenen Keramikgefäße und den Händler.

Auch das sah Josef Raskob ähnlich: Von nun an bangte er mehr denn je vor nächtlichen Besuchen der Ganoven. Gewiss, für einen solchen Fall waren alle erdenklichen Sicherungsvorkehrungen getroffen worden. Vielleicht reichte ihm das nicht aus. Es kann aber eben so gut sein, dass er sich einen Spaß erlauben wollte. Er befestigte am Fenster ein Schild, auf dem zu lesen war: -Vorsicht! Selbstschussanlage! - Sollten Sie über dieses Schild lachen, dann wäre es garantiert das letzte Mal gewesen, dass Sie gelacht haben!"

Im August 1992 war für diesen beliebten Museumsmann die Zeit gekommen, dass er sich von »seinem« Museum verabschiedete. Der Grund: Seine angegriffene Gesundheit machte ihm arg zu schaffen. Landrat Albert Nell hatte zu einer kleinen Feierstunde ins Heimatmuseum eingeladen. Dort dankte er dem Scheidenden für seine treuen Dienste. Die Dankesworte ließen unschwer erkennen, dass Josef Raskob sich im Kulturleben des Kreises einen wichtigen Platz erworben hatte.

Nun mussten wir von ihm, dem zuverlässigen Hüter unseres heimatlichen Kulturerbes, für immer Abschied nehmen. Am 6. März 1996 ist er, beinahe achtzig Jahre alt, gestorben. Bis zuletzt hat er seinen köstlichen Humor bewahrt, setzte ihm sogar die Krone auf. Als es ans Sterben ging, empfing er die Krankensalbung. In der ihm verbliebenen kurzen Zeit danach bot er seine letzten Kräfte auf und erzählte dem Herrn Pastor einen Witz (!).

Auf seinem letzten Gang zum Waldfriedhof in Gerolstein war er nicht allein. Im Anschluss an den Gottesdienst in der Pfarrkirche waren viele Verwandte, Freunde und Bekannte gekommen, um ihn zu begleiten. Sie und unzählige andere, die bei der Trauerfeier nicht dabei waren, werden den Verstorbenen sicher in guter Erinnerung behalten. Ihnen wird es vielleicht wie mir ergehen: Bloß das Nennen seines Namens erregt Heiterkeit. Selbst wenn ich es wollte, würde es mir nicht gelingen, einen Menschen wie Josef Raskob zu vergessen. Ich bin traurig, dass er tot ist, zugleich aber froh, dass ich ihn gekannt habe und das Glück hatte, ihn ein gutes Stück seines Weges zu begleiten. Unser Herrgott möge ihn, der zahllosen Menschen Freude bereitete, mit der ewigen Freude belohnen.