Birgeler Mühle Reifferscheid-Spohr

Erich Mertes, Kolverath

Die historische Mühle Reifferscheid ist die ältere der beiden ehemaligen Mühlen in Birgel (siehe Mühlen der Eifel, S. 153). Nach der Überlieferung wurde sie im späten Mittelalter als herrschaftliche Bannmühle gegründet. Sie war im Besitz der adeligen Grundherren und wurde von diesen an einen Mühlenpächter verlehnt. Viele Pächter nach 1700 sind bekannt. Akten darüber befinden sich im Besitz des heutigen Eigentümers Erwin Spohr. Auf der Tranchot-Karte von 1809/10 ist die Mühle verzeichnet (Blatt 142 Hillesheim). Sie befand sich damals mehrere hundert Meter außerhalb des Dorfes. Der von der Kyll abgeleitete Mühlengraben hat eine Gesamtlänge von etwa 1,2 km; das ist sehr lang und bedarf einer ständigen Wartung. Ursprünglich wurde die Mühle von einem mittelschlächtigen Wasserrad angetrieben, später wurde der Antrieb auf drei mittelschlächtige Wasserräder erweitert.

Das bedeutete, der Leistungsumfang der Mühle nahm zu.

Man unterscheidet die Wasserräder in ober-, mittel- und unterschlächtig, je nachdem, wie das Wasser auf das Mühlrad trifft (Beaufschlagung). Diese Differenzierung wurde jedoch keineswegs willkürlich gewählt, sondern sie war von der Wassermenge und dem Gefalle abhängig. Allgemein kann man dazu sagen, dass mit abnehmender Fallhöhe des Wassers, die oberschlächtigen Räder in mittel- und unterschlächtige Bauarten übergingen.

1917 kaufte Peter Reifferscheid die Mühle samt dem Anwesen. Er baute die Mühle aus, um höhere Kapazitäten fahren zu können. Gleichzeitig errichtete er auch ein Sägewerk, das von der gleichen Wasserkraft angetrieben wurde. Die drei mittelschlächtigen Wasserräder wurden gegen eine leistungsfähigere Turbine ausgetauscht,

Die Mühle Reifferscheid-Spohr in Birgel 1995

Der alte Müller Theo Matheyyund der neue Besitzer Erwin Spohr vor den alten Walzenstühlen.

die bei Vollast 20,7 kW (etwa 29 PS) bringt.

Im Reichsmühlenverzeichnis von 1937 ist die Mühle Reifferscheid zwar nur mit einer Vermahlungskapazität von 1-2 t/24 Std. verzeichnet, aber die Erweiterung auf drei Walzenstühle, plus einem alten Mahlgang, ermöglichte schließlich eine Vermahlungsleistung von 70 Zentnern Getreide pro Tag. Das waren bis zu 3,5 t/Tag. »Es war damit die größte private Getreidemühle, die je im Kreis Daun stand«, hat der neue Besitzer Erwin Spohr ermittelt.

Nachdem der tüchtige Müllermeister Peter Reifferscheid verstorben war, übernahm 1954 die Witwe Katharina Reifferscheid den Betrieb. Ihr folgte der letzte Müller Heinz Reifferscheid. Nach dem Mühlenstillegungsgesetz von 1957 begann das letzte große Mühlensterben der vielen kleinen und mittleren Betriebe in der Eifel. Sie hatten einfach keine Chance mehr gegenüber den Großmühlen, zum Beispiel an den Wasserstraßen, wo das Getreide direkt vom Schiff ins Lager umgeschlagen wird. Vor solchen Möglichkeiten mussten die Eifelmüller passen.

Für die Stillegungen der Mühlen erhielten die Müller anfangs noch recht hohe Beträge als Abfindung, aber sie gaben auch damit das Wasserrecht ab.

Der letzte Müller Heinz Reifferscheid misstraute diesem Sachverhalt und verzichtete auf eine Abfindung nach dem Mühlen-Stillegungsgesetz von 1957 und den Folgegesetzen. Er konnte sich jedoch den marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht entziehen und legte die Mühle 1979 endgültig still. Seinen langjährigen Mitarbeiter, den Müller Theo Mathey, musste er entlassen; er hatte über 40 Jahre in der Mühle gearbeitet.

Die Mühle Reifferscheid wurde verschlossen und erlebte einen »Dornröschenschlaf« bis 1994. Auch der Verfasser des Buches »Mühlen der Eifel« fand keinen Zugang. 1994 gelang es dem Sanitär-Unternehmer Erwin Spohr, das Anwesen Reifferscheid mitsamt Mühle und Sägewerk zu erwerben. Er investierte allein rund 2500 Arbeitsstunden, um die Getreidemühle zu restaurieren und wieder funktionstüchtig zu machen. Das Wasserrecht war ja noch vorhanden. Dabei kam ihm ein glücklicher Umstand zu Hilfe: Der alte Müller Theo Mathey, inzwischen 86 Jahre alt, lebte noch und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Von ihm lernte der junge Unternehmer schließlich noch das Müller-Handwerk.

Bei all den vielen Arbeiten in seiner Firma, wurde Erwin Spohr von seiner Familie kräftig unterstützt, so von Ehefrau Mariette, den Söhnen Klaus und Patrick und nicht zuletzt von seinem Schwager und Partner Otmar Gerhartz. Im Sommer 1995 war es dann soweit. Die Mühle funktionierte wieder, und mit großer Publicity wurde sie als Vorführmühle, als Relikt eines untergegangenen Handwerks, neu eröffnet. Das Fernsehen kam und drehte einen Kurzfilm, der am 19. Juli 1995 vom Südwestfunk 3 in der Landesschau ausgestrahlt wurde. Die Zeitung »Trierischer Volksfreund« brachte am 25. 8. 1995 einen Bericht und am 1. September 1995 erfolgte die große Eröffnungsfeier mit Mühlen-Rundgang. Tags darauf wurde zum ersten Mal wieder Brot vom Mehl aus der alten Mühle gebacken.

Die neu instandgesetzte Wasserturbine erzeugt eine elektrische Energie von rund 20 kW/Stunde. Dieser selbsterzeugte Strom wird auch zum Verbrauch für das angrenzende Firmengebäude verwendet, ein Überschuss ins öffentliche RWE-Netz eingespeist (Kleinkraftwerk).

Die historische Mühle Reifferscheid-Spohr in Birgel ist für Mühlenbesichtigungen offen; freitags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung (Tel.:

Der alte Mahlgang in der Mühle Reifferscheid/Birgel. Im Hintergrund der galgenförmige Kranen zum Abheben des oberen Mahlsteins.

0 65 97 / 92 82 - 0). Der Eintritt beträgt für Erwachsene 5 DM, für Kinder bis 14 Jahre 2 DM.

Quellen:

Privatarchiv Erwin Spohr, Birgel

Mühlen der Eifel, Erich Mertes, Aachen 1994

Dorf-Chronik Birgel, Peter Hoffmann, Lissendorf 1995