Naturschutzgebiet Barsberg Kultstätte unserer Ahnen

Hermann Bauer

Zwischen den Dörfern Gelenberg. Bongard und Bodenbach, im äußersten Zipfel des Kreises Mayen, erhebt sich der annähernd 600 Meier hohe Basaltkegel des Barsberges, geschichtlich, erd- und naturgeschichtlich von gleicher Bedeutung. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hat der Regierungspräsident als höhere Naturschutzbehörde verfügt, dass der rund 500 Meter östlich von Bongard in der Gemarkung Bongard, Kreis Mayen. liegende Barsberg mit seiner Umgebung unter den Schutz des Reichsnaturschutzgesetzes gestellt wird. Die Größe dieses Schutzgebietes ist mit 14,83 Hektar angegeben. Der § 3 der genannten Verordnung enthält Anweisungen über das Verhalten der Besucher des Barsberges. Der Wichtigkeit halber sei er im Wortlaut hier angegeben: »Im Bereich des Schutzgebietes ist verboten:

a) Pflanzen zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen;

b) freilebenden Tieren nachzustreben, sie mutwillig zu beunruhigen, zu ihrem Fange geeignete Vorrichtungen anzubringen, sie zu fangen oder zu töten oder Puppen, Larven, Eier oder Nester und sonstige Brut- und Wohnstätten solcher Tiere fortzunehmen oder zu beschädigen, unbeschadet der berechtigten Abwehrmaßnahmen gegen Kulturschädlinge und lästige Insekten;

c) Pflanzen oder Tiere einzubringen;

d) eine wirtschaftliche Nutzung auszuüben;

e) die Wege zu verlassen, zu lärmen, Feuer anzumachen, Abfälle wegzuwerfen oder das Gelände auf andere Weise zu beeinträchtigen;

f) Boden best and teile abzubauen, Sprengungen oder Grabungen vorzunehmen, Schutt oder Bodenbestandteile einzubringen oder die Bodengestalt einschließlich der Wasserläufe oder Wasserflächen auf andere Weise zu verändern oder zu beschädigen;

g) Bild- und Schrifttafeln anzubringen, soweit sie nicht auf den Schutz des Gebietes hinweisen."

Aus der Verordnung geht hervor, dass es dem Gesetzgeber darauf ankommt, aus jenem Gebiet sowohl die ordnende wie auch die zerstörende Hand des Menschen fernzuhalten, damit der Berg wieder jene Sprache spreche, die die keltischen, vorkeltischen und germanischen Völker der Vor- und Frühgeschichte so tief verstanden haben.

Eine uralte Kultstätte

Etwa in der Mitte der Bergkuppe erhebt sich ein durchgestoßener Basaltblock von zwei mal 23 Meter Länge. Auf der Ostseite ist er 10 Meter breit und fünf Meter hoch, auf der Westseite beträgt seine Breite etwa 20 m bei einer Höhe von vier Metern. Während der Basaltblock nach Norden allmählich abfällt, sind die sechseckigen Basaltsteine auf der Südseite von den damaligen Menschen entfernt und wahrscheinlich zum Bau der Barsbergbefestigungen verwandt worden. Die neueste Ansicht der Forscher geht dahin, dass jener Basaltblock eine Kultstätte der frühgeschichtlichen Bewohner dieser Gegend war.

In der Tat finden wir auf vielen Kuppen unserer Eifelvulkane heute noch viele christliche Kirchen und Kapellen, die ja häufig die vorhandenen vor christlichen Kultstätten ablösten, um dem Christentum leichteren Eingang in die Bevölkerung zu verschaffen. Für die nächste Umgebung des Barsberges seien hier der Heyerberg bei Borler mit der Heyerbergkapelle und der Schwarzenberg bei Kelberg genannt. Auch der Michelsberg bei Münstereifel, den heute ein kleines Kirchlein ziert, war ohne Zweifel früher eine vorchristliche Kultstätte.

Die Barsbergbefestigungen

Das Heiligtum, das sich auf dem schon des öfteren genannten durchgestoßenen Basaltblocks befand, ist von einer etwa 600 Meter langen Ringmauer umgeben, die heute noch etwa einen Meter hoch ist, die aber früher, wie die Erhöhung auf der Südseite zeigt, wahrscheinlich sechs bis sieben Meter erreicht hat. Hinter dieser Ringmauer, die mit Ausnahme eines Teils der Nordseite vollständig erhalten ist, war ein tiefer Graben, den wir an der Nordostseite des Berges noch gut erkennen können. Wie tief dieser Graben einst war, lässt sich auch nur vermuten. Der äußere Ringwall ist oval. Seine Spitze zeigt nach Süden. Dort stand wahrscheinlich ein Spähturm, denn hier liegen die Vulkansteine noch etwa vier Meter hoch. Gehen wir von dieser Spitze etwa 80 Meter auf der Ostseite der äußeren Ringmauer in nördlicher Richtung, dann gelangen wir zur inneren, die sich von Osten nach Westen zieht und mit einer Lange von 85 Metern die beiden Seiten der äußeren Ringmauer verbindet. Mit dem naturgewachsenen Basaltblock, dem sie 20 Meter südwärts vorgelagert ist, bildet sie ein letztes Verteidigungswerk. Zwei große Löcher in der inneren Ringmauer mit einem Durchmesser von drei bis vier Meter und einer Tiefe von eineinhalb bis zwei Meter lassen auf Türme oder andere besondere Festungsanlagen schließen. Ein kleiner Teil dieser Ringmauer gibt wertvolle Kunde über die Zeit der Erbauung der Barsbergbefestigung. Etwa zwei Meter ist die Mauer noch unversehrt erhalten; wir stellen fest, dass das Mauerwerk ohne Mörtel errichtet wurde, und wir wissen, dass man nach 300 v. Chr. kein Mauerwerk mehr ohne Mörtel ausgeführt hat, also muss es mindestens 2200 Jahre alt sein.

Den Aufgang zur Barsbergbefestigung haben die Erbauer nach strategischen Gesichtspunkten angelegt. Er schlängelt sich von der Westseite zu der Bergkuppe hin, ist nicht breiter als eine gewöhnliche Waldschneise und lässt nur einen Einzel auf stieg zu. Der Feind, der sich der Festung bemächigen will, sucht, in der linken Hand den Schild haltend, sich vor den Geschossen der Verteidiger zu retten; der Weg aber endet in der Nordwestecke, so dass er schutzlos den Flankenangriffen ausgesetzt ist.

Der Berg als Fluchtburg

Diese befestigte Kultstätte hat im Laufe der Zeitgeschichte ihre Bestimmung mehrfach geändert. Völker kamen und gingen, die vorkeltische Bevölkerung wurde von den Kelten verdrängt, dann eroberten die Germanen den Raum, die den Berg als Festung und Kultstätte erkannten und ihm wohl auch den Namen gaben. Das althochdeutsche Wort barjan (tragen) lässt wohl diesen Schluss zu. In dem benachbarten Wallfahrtsort Barweiler haben wir dieselbe Sprachwurzel. Die Germanen lagen im Kampf mit den Römern, und all diesen Völkern ward schließlich der Barsberg zur Fluchtburg. Diese Ansicht wird durch folgende Erscheinung erhärtet: Von der Ostseite der äußeren Ringmauer in der Südhälfte der Bergkuppe ziehen im Abstände von etwa 20 Meter drei Basaltsteinwälle durchschnittlich etwa 15 Meter zum Berginneren. Man nimmt an, dass in den Zwischenräumen das Vieh in Notzeiten seine Stallung fand. Und Notzeiten scheinen nicht selten gewesen zu sein, denn die Namen der größeren und kleineren Dörfer um den Barsberg verraten die Vielseitigkeit der Hocheifler Geschichte. Bodenbach und Bongard (mundartlich hungert = Baumgarten) verdanken ihre Namen den Franken, Borler und Bauler sind der keltischen Sprache entnommen und weisen auf die Sauerbrunnen bei den genannten Dörfern hin. Auch Daun, das etwa vier Wegstunden von dem Barsberg liegt, ist wie eine Wortwurzel duron (urkeltisch), dunon (spätkeltisch - hochdeutsch = Festung) keltische Gründung. Die vielen Dorfnamen auf »scheid", die in der näheren und weiteren Umgebung des Barsberges sich finden, sind, wie Adam Wrede in »Eifler Volkskunde", Schröder, Bonn, 1924, annimmt, keltischen Ursprungs. Das nahe Nohn verdankt wie Kerpen seinen Namen den Römern. Nohn leitet seinen Namen von der Wegemarke: ad nonum lapidem (zum neunten Meilenstein) ab, während Kerpen wohl mit carpinus (Hagebuche) zusammenhängt.

Diese Abschweifung sei mir erlaubt, um darzutun, wie wechselvoll auch das Geschick des Barsberges sein musste, da so viele Völker an seinem Fuße um den Besitz des Landes stritten.

Die Funde

Die Funde auf und um den Barsberg beweisen auch unsere Annahmen. Noch vor einigen Jahren fand man auf der Kuppe gelegentlich der Abzäunung des Steinbruchs auf der Nordseite des Berges Scherben aus terra sigilata und terra nigra. Im Volksmund hält sich hartnäckig die Meinung, dass innerhalb der Befestigungen römische Waffen und Werkzeuge gefunden wurden. Die meisten und wertvollsten Zeugen einer vergangenen Zeit enthalten die Grabhügel, die sich am Fuße des Berges zu beiden Seiten des Waldweges nach Gelenberg befinden. Lehrer Broker, der von 1886 bis 1898 an der Schule zu Bodenbach tätig war, hat über die Ausgrabungen, denen er zum Teil selbst beigewohnt hat, in der Schulchronik der Bodenbacher Volksschule interessante Einzelheiten niedergeschrieben:

Da ich selbst 17 Jahre an der Volksschule in Bodenbach als Lehrer tätig war. konnte ich mich bei meiner Forschungen auf seine Angaben stützen. In einer Grabstätte fand man Urnen, Lanzen, Pfeilspitzen und Münzen. Der Inhalt ließ auf römischen Ursprung schließen. Im Jahre 1888 fand man bei Gelegenheit einer Kulturanlage einen aus terra sigilata gefertigten Untersatz mit der Aufschrift: »aper fecit«. Dabei war ein Glasbecher in Form eines Fässchens. 1891 war Lehrer Broker bei der Freilegung einer Grabstätte zugegen. In ihr war ein aus Lava gearbeiteter Steinsarg in Länge von 1,10 m. Der Verschluss war ein aus derselben Masse gearbeiteter Deckel oder eine Platte in Stärke von 20 Zentimeter. Im Boden des Sarges befanden sich zwei kreisförmige Vertiefungen. In einer stand ein Tränenkrüglein, die andere Vertiefung war mit Asche und einem Häufchen angebrannter Knochenreste ausgefüllt. Letztere befinden sich jetzt im Museum für Altertumskunde in Berlin. Immer und immer wieder fanden und finden die Historiker, die Biologen und Zoologen den Weg zu diesem Berg. Ich habe damals einen Weg zu ihm gewählt, das kleine Barsberger Pfädchen, das von der Verbindungsstraße Bongard-Bodenbach abzweigt. Dann liegt hinter der großen Wiese am Fuße des Berges, der sich dann m/t seiner ganzen Schönheit zeigt, das Barsberger Forsthaus.

Hier wohnte zu meiner Zeit der Revieroberförster Schneider, dem jede Stunde kostbar genug war, um den Menschen die Geheimnisse dieses Berges zu erschließen. An ihn in der Einsamkeit des Waldes und der Erhabenheit des Berges denke ich voll inniger Dankbarkeit. Ihm verdanke ich die Angaben über das Pflanzen- und Tierleben des Barsberges. Vom Forsthaus bin ich, den Steinbruch links liegen lassend, von der Bongarder Seite den Bergpfad hochgestiegen, der erstmals Abfuhrweg für die Basaltsteine war. Dann lag der äußere Ringwall in seiner ganzen Schönheit vor mir. Links waren die Trümmer eines Turmes, von dem aus die Flanke des Angreifers bedroht wurde. Dann stand man auf dem Gipfel in der Sicherung des äußeren Ringes und sah den durchgestoßenen Basaltkegel vor sich wie eine naturgewachsene ara dei. In dieser Stille war man seinem Gott näher. Der Altar der heidnischen Gottheit spricht heute noch zu uns, wenn das Motorengeräusch allzu laut ist und uns die Sprache der Menschen nicht mehr ehrlich genug erscheint.