Ein Bahnhof feierte Jubiläum -

die Eisenbahnfreunde Jünkerath gratulierten

Wolfgang Kreckler, Feusdorf

Am Wochenende des 2. und 3. September 1995 feierte der Bahnhof Jünkerath seinen 125. Geburtstag. Gewiss gibt es ältere Jubiläen zu feiern, viel ältere. Doch wie so oft, sind auch hier Zahlen und Alter relativ. Für ein Eisenbahnjubiläum sind 125 Jahre viel. Ein kurzer geschichtlicher Rückblick macht schnell klar, dass es sich um eine Zeitspanne handelt, in der der Bahnhof und die Menschen des dazugehörigen Ortes allerhand erlebt haben. Höhen und Tiefen, Gutes, aber auch viel Schlechtes.

Jünkerath, zur Zeit des Bahnbaues noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, hat der Eisenbahn viel zu verdanken. Seine Entstehung und in der Folge das Wohl und Wehe seiner Einwohner. Schnell entwickelte sich die Bahn zum größten Arbeitgeber der Region. Es ist verständlich, dass sich in relativ kurzer Zeit hier Menschen ansiedelten, ein neuer Ort entstand. Die Bahn baute für ihre Arbeiter und Beamten eigene Wohnungen, die Eisenbahner-Kolonien. Die ständige Zunahme des Verkehrsaufkommens schuf laufend neue Arbeitsplätze. Seine geographisch so günstige Lage machte Jünkerath zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Hier kreuzten sich Schienenstränge, die bei genauerem Hinsehen ihre Entstehung nicht unbedingt zivilen Bedürfnissen verdankten. Die Eifel war Grenzgebiet und damit Aufmarschgebiet. Die in Friedenszeiten positiven Auswirkungen

Die Dampflok der Baureihe 41 brachte den aus neun Wagen bestehenden Sonderzug aus Düsseldorf nach Jünkerath. Foto: Kaster, Jünkerath

Auf Bahnsteig 5 hatte die DB AG eine Fahrzeugausstellung organisiert, links der Schienenbus zur Pendelfahrt nach Losheim. Foto: Probst, Niederzier

auf Arbeitsplätze, Handel und Gewerbe im Ort schlugen in Kriegs- und Nachkriegszeiten aber leider auch schneller und heftiger um, als in anderen Orten. Die Zeit des Ersten Weltkrieges brachte vermehrtes Leid für Jünkerath und seine Bewohner, konzentrierten sich doch hierauf Grund der strategisch und verkehrsmäßig wichtigen Lage die Geschehnisse. Erst recht die Zeit danach war bitter und hatte für viele Eisenbahner schlimme Folgen. Ein Großteil entschloss sich zum »passiven Widerstand« während der Regiezeit, was zu Ausweisungen für die Betroffenen, zum Verlieren der eigenen vier Wände und gleichzeitiger Belegung der Wohnungen durch die Franzosen führte. Die täglichen Schikanen durch die Besatzer taten ihr Übriges dazu. All das hinterließ tiefe Wunden bei der Bevölkerung. Auch nachdem die Franzosen wieder abgezogen waren, besserte sich die Lage nur sehr schleppend. Wer noch Arbeit bei der Bahn hatte, konnte sich glücklich schätzen. So empfanden viele die Arbeitsbeschaffung Anfang der 30er Jahre durch Hitler und das Verschwinden der Arbeitslosen zunächst als Geschenk. Der Bau des Westwalls mit einer großen Zahl von Arbeitern brachte wieder Geld in den Ort. Dass dies wiederum nur der Auftakt für noch viel schlechtere Zeiten sein sollte, ahnten sicher nur wenige. Einige Jahre später begann der Zweite Weltkrieg. Das Leid der Zivilbevölkerung war im Vergleich zum Ersten Weltkrieg unendlich viel größer. Tiefflieger und Artillerie ließen kaum einen Stein auf dem anderen, ganz zu schweigen von den vielen Toten. Die Nachkriegsjahre waren entsprechend hart. Hamsterfahrten in die Städte oder Schmuggelgänge ins nahegelegene Belgien waren oft die einzige Chance zum Überleben. Zu der sich nur langsam anbahnenden allgemeinen Verbesserung der Lebensumstände trug nicht zuletzt wieder einmal die Eisenbahn ihren Anteil bei. Sie war ein wichtiger Faktor im Zuge des Aufbaues und somit Garant für Arbeit und Brot. Mit der Währungsreform ging die Entwicklung steil nach oben. Bald waren wieder mehrere hundert Menschen bei der Eisenbahn in Jünkerath beschäftigt. Doch die anfängliche Hochstimmung machte allmählich einer nüchternen Betrachtung Platz. Auch in Jünkerath musste die Eisenbahn und damit die Eisenbahner der allgemeinen Entwicklung Tribut zollen. Im Straßenverkehr wuchs ein übermächtiger Konkurrent heran. Die Folgen blieben nicht aus. Zuerst stellte man den Personenverkehr auf den Strecken nach Losheim und an die Ahr ein, dann auch den Güterverkehr. Über dem bis dahin so klaren Eisenbahnhimmel in Jünkerath zogen bedrohlich düstere Wolken auf. So wie das Verkehrsaufkommen bei der Bahn zurückging, wurden die Eisenbahndienststellen im gleichen Maße verkleinert oder gar ganz aufgegeben. Für das über die regionalen Grenzen hinaus bekannte Bahnbetriebswerk kam das Aus im Jahre 1966. Der Bahnhof Jünkerath schloss als letzte Dienststelle 1979. Was bleibt? Zum einen die traurige Erkenntnis, dass in Jünkerath innerhalb von 30 Jahren an die 800 Arbeitsplätze verloren gegangen sind mit der Aussicht, dass womöglich keiner mehr übrigbleibt. Zum anderen die seltsame Tatsache, dass die Bahnlinie in Richtung Losheim nicht stillgelegt wird, obwohl auf ihr kein fahrplanmäßiger Verkehr mehr stattfindet. Eingeweihte kennen den Grund: Militärische Überlegungen spielten in den vergangenen 125 Jahren in und für Jünkerath schon immer eine schicksalhafte Rolle.

Weniger diese Erkenntnis, als die Tatsache, dass Jünkerath trotzdem bis heute ein bedeutender und wichtiger Bahnhof der Eifelstrecke geblieben ist, veranlasste den Verein »Eisenbahnfreunde Jünkerath e.V.« dazu, im vergangenen Jahr aus Anlass des 125. Geburtstages ein großes Fest zu feiern.

Die Planungen begannen schon lange vorher. Ideen zur Gestaltung des Festes wurden vorgetragen und wieder verworfen, Vorschläge auf ihre »Machbarkeit« hin überprüft. So entstand langsam ein Konzept, das sich grob in folgende Bereiche gliedern ließ: Sonderfahrten, Fahr-

Bei herrlichem Wetter war auf dem Bahnhofsplatz viel los. Insgesamt schätzte man die Besucherzahl auf mehr als 10.000. Foto: Kirsch, Jünkerath

zeugschau, Eisenbahnmarkt, Ausstellungen, verkaufsoffener Sonntag. Um möglichst viele Besucher nach Jünkerath zu locken und dem Ganzen gleichzeitig Attraktivität und den gebührenden Rahmen zu verleihen, bestellten die Eisenbahnfreunde bei der DB AG drei Sonderzüge, wovon zwei aus historischen Fahrzeugen gebildet waren. Aus Düsseldorf und Köln kam ein mit der Dampflok 41 360 bespannter und aus neun Wagen bestehender Zug, aus Saarbrücken ein Schienenbus der Baureihe VT 95, so, wie er in den 50er und 60er Jahren in Jünkerath stationiert war. Heute gehört er zum Museumsbestand des Verkehrsmuseums Nürnberg. Als modernes Gegenstück lief ein Triebwagen der Baureihe VT 628/928 von Koblenz aus quer durch die Eifel über Mayen und Daun nach Jünkerath. Als besondere Attraktion stellte sich die Pendelfahrt mit dem Schienenbus nach Losheim heraus. Hier waren es vor allem ältere Besucher, die sich noch an die Zeit erinnern konnten, als der Schienenbus täglich diese Strecke befuhr. Für sie war die Mitfahrt ein Stück in die Gegenwart zurückgeholte Nostalgie. Die geplanten zwei Fahrten waren im Nu ausverkauft, woraufhin man sich kurzfristig entschloss, eine dritte Fahrt durchzuführen. Weitere Pendelfahrten fanden mit dem modernen VT 628/928 zwischen Schmidtheim und Lissendorf statt, während im Bahnhof selbst viele die Gelegenheit wahrnahmen, einmal auf dem Führerstand einer Dampflok mitzufahren. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Anziehungskraft gerade diese mächtigen, rauchenden und qualmenden Maschinen ausüben, welche Faszination von ihnen ausgeht. Auch hier waren es viele ältere Besucher die Schlange standen, meistens mit ihren Enkeln an der Hand. Oft war an diesem Tag der Satz zu vernehmen: »Ja, früher,..." Dass die OB AG dem Fest ebenfalls einen großen Stellenwert beimaß, zeigte die Tatsache, dass die zuständigen Stellen schnell und großzügig historische und moderne Fahrzeuge für eine Ausstellung zur Verfügung stellten. So konnten auf Gleis 5 neben der historischen Diesellok V 200 135 (im Besitz einer Lokführerin) und der E 10 121 weitere Dieselloks, Kleinloks und Reise- und Güterzugwagen besichtigt werden. Selbstverständlich durften die Fahrzeuge der Eisenbahnfreunde ebenfalls nicht fehlen. Vor dem Bahnhof hatte die DB eine große Bühne und ein Informationszelt aufgebaut. In der alten Bahnmeisterei war eine sehenswerte bilder- und Postkartenausstellung untergebracht. Weitere interessante Eisenbahnmodell-Ausstellungen konnten im Bahnhof und im Autohaus Bohnen besichtigt werden, im Artschluss an die »Bahnhofsmeile« hatten sich zahllose Stände der Interessengemeinschaft Jünkerath in Richtung Eisenmuseum und Kölner Straße plaziert.

Abgerundet wurden die Feierlichkeiten zum Jubiläumsfest durch ein Buch, in dem die Geschichte der Eisenbahn in Jünkerath auf 200 Seiten ausführlich nachzulesen ist. Alle Besucher haben im September 1995 ein für Jünkerath einmaliges Fest erlebt. Viele tausend Menschen wollten sich die Attraktionen und Angebote nicht entgehen lassen und äußerten sich ohne Ausnahme positiv und begeistert. Den Eisenbahnfreunden Jünkerath war eine große Sache gelungen.

 

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