Großformguss in Jünkerath

Erwin Holzer, Feusdorf

Während im Laufe des 19. Jahrhunderts an vielen anderen Orten die einst bedeutende Eifeler Eisenindustrie im Niedergang begriffen war und der billigeren Konkurrenz erlag, konnte sich die traditionsreiche Jünkerather Hütte, die im Jahre 1687 von Graf Salentin Ernst von Manderscheid-Blankenheim gegründet worden war, auch in dieser Zeit behaupten. Dies gelang ihr, indem sie sich konsequent dem technischen Fortschritt öffnete und neue Produktionsfelder entwickelte. Eine besondere Rolle spielte hierbei die Fabrikantenfamilie Poensgen, die zu den bedeutendsten Pionieren der deutschen Montanindustrie zählte und seit Anfang des 19. Jahrhunderts Inhaber des Jünkerather Hüttenwerks war. Bereits 1836 führte sie den energiesparenden Winderhitzer von Faber du Faur ein, der es erlaubte, beim Schmelzen des Eisenerzes im Holzkohlehochofen 15-20% Holzkohle einzusparen. 1891 wurde ein mit Koks betriebener Kupolofen für das Umschmelzen von Hochofeneisen aufgestellt.

Die Negativform des Turbinenteils -

Foto Werbestudio Völz, Essen

Dies bedeutete einen wichtigen Fortschritt für den Gießereibetrieb, denn das direkt aus dem Holzkohle-Hochofen kommende Eisen war zwar einerseits wegen seiner besonderen Reinheit begehrt, andererseits jedoch wegen des hohen Kohlenstoff gehaltes und fehlender Gleichmäßigkeit für viele Gussstücke ungeeignet. Das Umschmelzen im Kupolofen ermöglichte eine höhere und gleichmäßigere Qualität und erlaubte es, auch große Gussstücke preisgünstiger herzustellen.

1868 erhielt die Jünkerather Hütte eine neue Rechtsreform; sie wurde zur »Jünkerather Gewerkschaft«, die die Fabrikmarke »J-G« führte. In der Folgezeit erlebte das Werk weiteren Aufschwung und technologischen Wandel. Unter Leitung von Ferdinand und Otto Poensgen wurde die Jünkerather Hütte konsequent zu einer Gießerei und Maschinenfabrik ausgebaut, die sich insbesondere als Anlagenbauer und Ausrüster für Hütten- und Walzwerke profilieren konnte. Die Belegschaft vergrößerte sich von 81 im Jahre 1871 bis auf 480 Beschäftigte im Jahr 1899.

Otto Poensgen war es auch, der im Jahre 1895 das Produktions-Programm konsequenterweise um den Großformguss erweiterte. Gerade in diesem Bereich konnte sich die »Jünkerather Gewerkschaft« schnell einen exzellenten Ruf erwerben und empfahl sich ihrer weitgestreuten Kundschaft als zuverlässiger Produzent für schwierige und besonders anspruchsvolle Projekte. Die Jünkerather Gießerei lieferte nicht nur der eigenen Maschinenfabrik zu, sondern auch im Direktverkauf handgeformte Einzelgussteile hoher Qualität an außenstehende Kunden und gewann so eine eigenständige Rolle im Rahmen des Gesamtbetriebes. Während der traditionelle Hochofenbetrieb in Jünkerath im Jahre 1898 mit der Stillegung des letzten Holzkohlehochofens der Eifel endete, wurde die Gießerei weiter ausgebaut, so etwa im Jahre 1925 durch zwei zusätzliche Kupolöfen, die es möglich machten, Gussstücke bis zu einem Gewicht von 65 t herzustellen. Auch

Turbinenteil von 321 Gesamtgewicht

Foto Werbestudio Völz, Essen.

nach der Übernahme durch den DEMAG-Konzern im Jahre 1934 konnte sich die »Jünkerather Gewerkschaft« weiter profilieren und erhielt durch die Einbeziehung in einen bereits international tätigen Firmenverbund neue Perspektiven und Möglichkeiten. Nach den kriegsbedingten Zerstörungen ging es nach 1945 schnell wieder bergauf. Im Großgussbereich stellte man weiterhin anspruchsvolle, handgeformte Einzelstücke von besonderer Qualität her, etwa für die aufstrebende deutsche Werkzeugmaschinenindustrie. Besondere Anforderungen an das gießerische Können stellten auch hochkomplizierte Kompressorteile für die chemische Industrie, die maximale Qualitätsstandards erforderten. 1968 wurde der Schmelzbetrieb grundlegend modernisiert. Die bis dahin verwendeten Kupolöfen wurden durch zwei Elektroofen (Netzfrequenztiegelöfen) mit 13 t Inhalt und einen Rinnenofen (Warmhalteofen) mit 501 Inhalt ersetzt. Mit dieser fortschrittlichen Anlage konnte die Jahreskapazität auf 16.000 t erhöht werden. Neue Gussqualitäten kamen im Laufe der Zeit hinzu, so etwa der »Sphäroguss«, der ganz neue gießerische Möglichkeiten eröffnete. Während das Werk Jünkerath zwischenzeitlich - etwa nach der Übernahme in den Mannesmann-Konzern - eine Reihe von Namens- und Rechtsänderungen erfuhr und einige traditionelle Tätigkeitsbereiche an andere Konzernfirmen verlor, konnte sich der Bereich Großguss seine eigenständige Stellung bewahren und weiter positiv entwickeln. Die unverändert hohe Bedeutung des Jünkerather Werkes für Wirtschaft und Menschen unserer Region zeigte sich auch am Tag der offenen Tür, der aus Anlass des 100jährigen Bestehens der Großstückformerei 1995 veranstaltet wurde. Die Geschäftsleitung begrüßte mehr als 3000 interessierte Besucher.

Weitere Investitionen und eine konsequente Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten werden hoffentlich auch für die Zukunft diesen Aufwärtstrend fortführen und den traditionsreichen Jünkerather Gießereistandort sichern.