Matthias Pütz, genannt Pättchen

Josef Esch, Birgel

"Pättchen« war unverheiratet und mein Urgroßonkel, wohnte im Haus Bielen in Birgel und war Schäfer und Fuhrmann. Bis um das Jahr 1855 zog er mit seiner Schafherde durch die Eifel, im Winter meistens bis zum Niederrhein. Dann gab er die Herde mit einem Vertrag an einen Schäfer aus Wiesbaum {Nikolaus Eich) ab. »Pättchen« kaufte sich zwei gute Pferde und einen Planwagen und gründete ein Fuhrgeschäft. Er war von Kindheit an ein Pferdenarr. Unter dem Planwagen hing ein großer Kasten an Ketten. In ihm bewahrte er seine Wäsche und sonstige Sachen auf. In dem Kasten hatte auch sein Hund seinen Platz, der ihn immer begleitete. Auf der linken Seite des Wagens war ein geflochtener Korb aus Weiden angebracht, den man »Faulenzer« nannte. Aber den brauchte er sehr selten, er sagte, Laufen ist gesünder. So ging »Pättchen» immer neben dem Wagen. Da er zu Fuß ging, war der Verschleiß an Schuhen erheblich. Bevor er losfuhr, ließ er sich in Birgel beim Schuster Querin drei Paar Schuhe nach Maß anfertigen. Seine Pferde verhandelte er unterwegs. Da er ein guter Pferdekenner war, kam er auch immer wieder mit guten Pferden nach Hause, wie mein Großvater und andere im Dorf erzählten. »Pättcnen- fuhr zuerst an die Mosel und lud dort Branntwein und Wein. Mit dem Branntwein beglich er seine Übernachtungen und sonstige Unkosten. Von der Mosel fuhr er nach Monschau, wo Tuch und Papier geladen wurden. Damit ging es dann nach Leipzig. Von Leipzig fuhr er mit Leder bis nach Königsberg. Von Königsberg, wo er Leinen lud, ging es über Berlin, Hannover und Kassel wieder an die Mosel und er brachte wieder Wein und Branntwein für die hiesigen Wirte mit. Er wechselte jeden Tag die Wäsche und trank fast ausschließlich klares Wasser. Die Wirte unterwegs bezahlte er meistens mit dem damals schon bekannten Moseltrester. Zu damaliger Zeit gab es Streichhölzer, die man am Hosenboden oder an der Schuhsohle anzünden konnte. Aber es war verboten, die Streichhölzer lose in der Tasche zu tragen. »Pättchen" verwahrte sie deshalb in kleinen Fässchen aus Holz, die wie Weinfässchen aussahen, etwa 10 Zentimeter hoch und 5-6 Zentimeter breit. Wir haben als Kinder noch damit gespielt In diesen Fässchen hatte er auch immer sein Geld, im Kasten unter dem Wagen zwischen der Wäsche, versteckt. Die Barschaft bestand in der Hauptsache aus Münzen, die man »Goldfüchschen« nannte (=20 Goldgulden). Sie hatten die Größe der heutigen ein und zwei Pfennigstücke. Unser Großvater hatte noch ein Fässchen mit Münzen und wir Kinder durften das Geld ab und an mal zählen. In dem Kasten war das Geld immer sicher aufgehoben durch die Bewachung des Hundes. Wenn »Pättchen« von der Reise zurückkam, brachte er für jeden in der Familie etwas mit, meistens waren es Dinge, die es in der Eifel noch nicht gab. Zu seiner Mutter hatte er kein gutes Verhältnis mehr, seit seine Schwester Katharina am 29. 5. 1871 Nikolaus Schmitz aus Oberstadtfeld geheiratet hatte. Mutter starb 1887, 1885 heirateten mein Großvater und meine Großmutter, die zwei Jahre bei ihrer Schwiegermutter waren für sie die Hölle. Aber »Pättchen« hielt zu meiner Großmutter, die von ihm am meisten bedacht wurde. Für seine Großnichten Maria, Gertrud und Helene (meine Mutter) brachte er Stoffe für Mäntel für den Winter mit, Mutter bekam sogar einmal einen Umhang von ihm. Sie waren die einzigen Kinder im Dorf, die einen ordentlichen Mantel hatten. Als sie größer waren, bekamen sie einmal Kleider aus rotem Stoff, deshalb nannte man sie auch »Die Kinder mit den roten Kleidern.« »Pättchen« hatte auch eine Kutsche, mit der er über Land fuhr, wenn er mal Pause von seinen großen Reisen machte. Dann besuchte er seine Schafe sogar am Niederrhein. Die Herde war bis auf fast 1 000 Tiere angewachsen und wurde zu einer Wanderherde, die nur noch selten in die Eifel kam. Wenn er sie besuchte, durften auch die drei Mädchen mitfahren. Später fuhr er sogar mit den dreien auf die Nachbardörfer zum Kirmestanz, aber immer als Aufpasser. Bei ihm spielte die Mitgift bei eventueller Bekanntschaft eine große Rolle. So gab es auch mal Tränen bei den dreien. Zum Beispiel wollte »Pättchen« meine Mutter mit einem reichen Bauern und Gastwirt aus Scheid verheiraten. Als der Bauer mit seinem Sohn an einem Sonntag vor dem Haus vorfuhr, sprang Mutter hinter dem Haus aus dem Fenster in den Garten und ließ sich nicht mehr sehen, bis die Kutsche wieder weg war.

Meine Großeltern hielten sich immer aus diesen Angelegenheiten heraus, denn sie wussten ihre Mädchen in besten Händen. Als Mutter eine kleine Liebschaft mit meinem Vater hatte, war dieser in den Augen von »Pättchen« nur ein armer Beamter. Was war schon ein Bürgermeisterei-Sekretär? »Pättchen« war naturheilkundig und konnte viele Krankheiten und Unbilden an Mensch und Tier besprechen. Ganz besonders hatten es ihm die Pferde angetan. Da er, wie schon erwähnt, ein großer Pferdekenner war, wurde es um Dorf üblich, wenn einer ein Pferd gekauft hatte, dass er es auf den Hof gebracht bekam, um es zu begutachten. Auch später, als er fast blind war, wurde das bei den Bauern und Fuhrleuten beibehalten. Aus noch vorhandenen Unterlagen geht hervor, dass er oft meinen Großvater mit Geld unterstützte. Da heißt es: »Vom Oheim bekommen 20 Mark«. »Pättchen« hatte ein einmalig gutes Verhältnis zu meinen Großeltern und den Kindern. Im Testament hatte er auch nur sie und ihre drei Kinder bedacht. Er war so angesehen, dass er in der Pfarrkirche in Lissendorf einen Betstuhl für sich zur Verfügung hatte. Am 8. 4. 1921 ging die irdische Reise meines Urgroßonkels zu Ende. Er starb im gesegneten Alter von 96 Jahren.