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Radersberg, ein sterbendes Monument

J. Baptist Hölzern, Heyroth

Es ist schon ein gewaltiger, wie auch gewaltsamer Eingriff in das vor vielen Tausenden von Jahren durch mächtige vulkanische Eruptionen entstandene Landschaftsbild, wenn in wenigen Jahrzehnten ein aus Lava gebildeter Berg so im Anblick verändert wird, dass er fast nicht mehr als ein Berg zu erkennen ist. Als vor Jahren die Baumspitze der letzten Fichte dort niederging, wo auf der Bergkuppe seit jeher ein kleiner Nadelwald gestanden hatte, konnte man sich nicht des spontanen Eindrucks erwehren, als sei der Berg skalpiert und überdies seiner Krone beraubt worden. Wenn man dann manchmal der Lava abbauenden Raupe am und auf dem Berg zusah, hätte man unvermittelt an eine riesige lebendige Raupe denken können, die sich gierig in den Berg hinein frisst, der als optisches Wahrzeichen von Brück bald nicht mehr als ein solches zu erkennen sein würde.

Die älteren Leute von Brück können sich noch an die ergötzliche Ruhe erinnern, die um die dreißiger Jahre am und auf dem Radersberg herrschte. Zwar wurde von Privat und auch von Pächtern in Handarbeit Lava abgebaut, aber in so geringen Mengen, dass damit am Berg kaum Spuren entstanden. Jedes Jahr, am ersten Fastensonntag, auch Freuden- oder Scheefsonnisch genannt, wurde das brennende Feuerrad vom höchsten Punkt des Berges vor einer großen, begeisterten Zuschauermenge ins Tal gerollt. Im Anschluss daran hatte die Jugend des Dorfes wieder einmal ein kleines, gemütliches Fest.

Ein besonders beschauliches Bild bot der Radersberg an mehreren Tagen im Jahr, wenn nämlich der Viehhirte fast alle Kühe des Dorfes in einer großen Herde dort weiden ließ. Als dann um 1933 der Radersberg dank seiner günstigen Lage und Windverhältnisse zum Segelfliegerhorst wurde, war es natürlich mit der ursprünglichen Ruhe am und um den Berg vorbei. Doch die Jugend des Dorfes sah darin keinen Nachteil, sondern eine interessante Abwechslung. Erst in den Kriegsjahren um 1942 wurde der Segelflugbetrieb eingestellt, die Hallen und eine Wohnbaracke zu einem späteren Zeitpunkt zur Schlächterei, Fleisch- und Wurstverarbeitung für die damalige Wehrmacht umfunktioniert.

Erst 1949/50 kam wieder Bewegung auf den südlichen Ausläufer des Berges. Die Fa. Vereinigte Bauhütte Dortmund - Lava Auf bereitungs GmbH plante und erbaute eine umfangreiche Produktionsstätte für Lava Hohlblocksteine. Bereits im Mai 1952 waren die Gebäude fertiggestellt und die Produktion angelaufen. Später 1959, wurde das Werk von der Fa. Delabau Kniffke & Söhne übernommen und die Produktion erweitert auf Waschbetonverlegeplatten, Treppen und Fensterbänke, Marmor und Terrazzoarbeiten. Nach über 23 Jahren dieser umfangreichen Herstellungspalette musste 1982 die Produktion aus wirtschaftlichen Gründen zurückgefahren werden, 1988 verließ dann der DELABAU endgültig seine ehemalige Produktionsstätte. Aber bereits 1991 wurden von der Fa. Ludwig, Dockweiler und dem TPS Röhren-

Radersberg, Ansichtspostkarte von 1933/34 mit zwei Segelfliegern, vorn das Dorf Brück.

werk Daun, die vorhandenen Hallen zu 50 % Anteil erworben und genutzt. In den darauf folgenden Jahren veränderte sich das Bild auf dem ehemaligen Lagerplatz DELABAU, denn von der Fa. Ludwig, Dockweiler wurden drei weitere große Lager und Produktionshallen gebaut und damit die Voraussetzung für Lagerung und Herstellung zukunftsorientierter Waren geschaffen. Zur Zeit werden diese von fünf verschiedenen Firmen genutzt. Es sollte nicht vergessen werden, dass dort bereits um 40 Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Und das Kuriose ist, während man den eigentlichen, zu diesem Terrain gehörenden Radersberg weiter und weiter bis zum »geht nicht mehr« abbaut, wird am Ausläufer seiner ehemaligen Kuppe aufgebaut und aufgebaut...

Der abgetragene Radersberg heute.

Foto: Baptist Hölzern