Völkerverständigung in Bodenbach/Borler

Jakob Schmilz, Üxheim-Heyroth

Im Spätsommer 1940 kamen französische Kriegsgefangene in die Eifeldörfer Bodenbach und Borler. Sie wurden in der Landwirtschaft eingesetzt, arbeiteten bei Familien, deren Väter und Söhne zum Militär eingezogen waren. Anfangs wurden diese Gefangenen am Abend von einem Militärposten nach Borler gebracht, wo ein Lager eingerichtet worden war. Hatten die Franzosen anfangs noch ihre Militäruniform auf dem Leib, so änderte sich das, als die Bewachung wegfiel und die betroffenen Gefangenen bei den einzelnen Familien wohnten, wo sie arbeiteten. Sie waren dann in Zivil und kaum noch als Franzosen zu erkennen. Als Schulkinder haben wir mit ihnen öfter Fußball gespielt und auch französische Wörter gelernt. Unsere Väter, die im Ersten Weltkrieg größtenteils in Frankreich Soldat waren, konnten auch mehr oder weniger französische Wörter, und so wurde zusammen geredet, vor allem über Politik. Unvergessen sind mir die Franzosen aus Kindheitstagen bis heute; der Robert, ein gelernter Metzger aus Südfrankreich, der im Dorf die Schweine und Rinder schlachtete und erstklassige Wurst fabrizierte. Er wohnte bei der Familie Grohs; der Ferdinand, der Andre, der Ludwig und noch ein Robert. Sie waren wunderbare Menschen. Hier gab es keinen Unterschied zwischen Deutschen und Franzosen. Sie gehörten während des Krieges einfach zur Dorf gern ei n schaft. So auch später Russen und Polen. Nach der Invasion am 6. Juni 1944 in der Normandie, in deren Verlauf die Alliierten über die deutsche Westgrenze vorwärts marschierten, das war so im September 1944 und nicht allzu weit vom Gerolsteiner Land, sahen die Bodenbacher Franzosen ihre Stunde gekommen und waren bei Nacht und Nebel verschwunden, in der Erwartung, sie könnten durch die deutschen Linien die Amerikaner erreichen. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, da die Amerikaner sich wieder zurückziehen mussten. Außer den betroffenen Familien wusste, wie sich später herausstellte, niemand etwas über den Verbleib der Gefangenen. Von August 1944 bis zum Einmarsch der Amerikaner am 6. März 1945 waren dauernd Einquartierungen in Bodenbach, darunter SS-Einheiten der Panzerdivision »Das Reich» ebenso -Groß Deutschland« und Anfang 1945 Angehörige der Panzerdivision "Hitlerjugend", dazu andere Heereseinheiten. Am Tage des Einmarsches der Amerikaner lagen 14 Fallschirmjäger in Bodenbach, die den Ort verteidigen sollten. Der Hauptmann, der bei der Familie Backes im Quartier lag, ließ sich ohne Widerstand gefangen nehmen. Gegen Mittag erschienen die Amerikaner und dann auch unsere Franzosen. Wo waren sie die fünf Monate gewesen? Sie haben in dieser Zeit zwischen Bodenbach und Sendscheid in der Nähe des Trierbachtales in einem fast undurchdringlichen Dickicht, einer Tannenkultur, gehaust. Sie mussten ja auch essen und trinken. Der Winter war von Dezember 1944 bis zum halben Januar 1945 schneereich und kalt. Hier ist dann eingetreten, was mehr zur Völkerverständigung beigetragen hat als viele Sonntagsreden nachfolgender Jahre. Maria Raetz-Zanzen hat mit Hilfe der Frauen, wo die Gefangenen gearbeitet haben, sie fünf Monate bei Nacht und Nebel versorgt. Es wäre nicht auszumachen gewesen, wenn die SS und die Militäreinheiten sie erwischt hätten. Die Männer der Frauen waren ja alle Soldaten.

Unsere Franzosen waren wieder da. Die Folge war, dass die Bodenbacher nicht aus den Häusern mussten, was sonst üblich war. Ich erinnere mich noch an einen Amerikaner, der bei mir auf der Bank saß und Josef hieß. Er zeigte mir einen Rosenkranz und sagte, dass sein Großvater aus Solingen stammte und er aus Detroit käme und wie weit es noch zum Rhein wäre. Im Nachbardorf Borler hat ein ehemaliger Gefangener nach dem Krieg ein Borler Mädchen geheiratet, die, soviel man weiß, heute noch in Frankreich lebt und über 70 Jahre alt ist. Wenn man heute bedenkt, wofür das Bundesverdienstkreuz verliehen wird, so hätten die Bodenbacher Frauen für ihren Einsatz unter Lebensgefahr dieses im höchsten Maße verdient.