Orchester der Westeif el Werkstätten

Brigitte Bettscheider, Kelberg-Zermüllen

Montags von zehn bis zwölf Uhr ist Probe. Dann kommen die elf Frauen und Männer im Probenraum in Gerolstein zusammen; bei einigen sind das nur ein paar Schritte aus einer Werkstattabteilung oder einem Gruppenraum, die anderen werden aus den Zweigbetrieben herbeigefahren. Die Diplom-Sozialpädagogin Monika Neumann ist die Dirigentin. Dem Aufbau der Instrumente folgt das Arbeiten nach der Methode »Ulwila«, einem System aus Farbnoten zu Zupf- und Blasinstrumenten und einem Lernprogramm mit Spiel- und Singmaterial.

»Westeifel Werkstätten Orchester« heißt die Gruppe. Die Musikerinnen und Musiker sind Menschen mit Behinderungen, die in den Westeifel Werkstätten (WEW) Gerolstein, Hermesdorf und Weinsheim arbeiten. Seit neun Jahren musizieren sie zusammen - nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit Hackbrett, Steckflöte und Kontrabass. Seit Dezember '96 kann man die Musik auf Compact Disc oder Musikkassette kaufen. »Durch Europa« heißt der Titel; zwölf Stücke sind zu hören: traditionelle Volksweisen und Lieder, die Europa erobert haben, eingerahmt von der Eurovisionsmelodie und der Europahymne. In einer Feierstunde erhielten Klaus Peter Metzger, Vorsitzender des Verwaltungsrates, und Erwin Görgen, WEW-Geschäftsführer, die ersten CDs.

Das Foto zeigt das Westeifel-Werkstätten-Orchester bei der Präsentation seiner CD, in der Mitte Dirigentin Monika Neumann, links Erwin Görgen, rechts Klaus Peter Metzger.

Die Gruppe hat bereits unzählige Auftritte im In- und Ausland hinter sich und erfährt dabei immer wieder die stürmische Begeisterung des Publikums. Die Mitglieder des Orchesters könnten sich mittlerweile gut auf neue Situationen, etwa bei den Auftritten an wechselnden Orten, einstellen. Gerade bei behinderten Menschen sei die Individualität besonders ausgeprägt, erläutert Monika Neumann. Und davon handelt auch »Die Geschichte vom Saitensprung«, die die Dirigentin aufgeschrieben hat und in der sie in heiteren Worten vom ersten Auslandsauftritt im benachbarten Belgien erzählt. Der Leser erhält ein Schlaglicht, was so alles schiefgehen kann und dennoch die Musiker nicht aus dem Takt zu bringen vermag: Nach einer "verdächtig- guten Generalprobe bekam ein Musiker kurz nach dem Start im Bus vor Aufregung einen Kreislaufkollaps. Die Einnahme von Tropfen machte die Fahrt dann doch noch möglich - mit reichlich Verspätung allerdings. Als die Gruppe ihre Bühnenplätze im Konzertsaal »auf den letzten Drücker- eingenommen hatte, fehlte der Klöppel für die Triangel. Ein Kaffeelöffel musste als Ersatz herhalten. Im weiteren Verlauf des Auftritts ereignete sich »nur« noch, dass aus der Flötengruppe zwei verschiedene Melodien erklangen, eine Saite riss und einer der Musikanten während der langatmigen Worte eines Redners einschlief, zu guter Letzt noch der Notenständer umfiel. Aber normalerweise steht unser Musizieren unter einem besseren Stern als an jenem Abend im Mai", versichert Monika Neumann.

Mit der Veröffentlichung ihrer Musik auf Tonträgern möchte das Orchester einen Auszug aus seinem vielfältigen Repertoire dokumentieren.

Der Titel "Durch Europa« wurde gewählt, weil sich die Westeifel Werkstätten in wirtschaftlicher Hinsicht längst dem europäischen Markt geöffnet haben, aber auch an gemeinsamen europäischen Bildungs-, Freizeit- und Begegnungsmaßnahmen teilnehmen. Die Orchesterarbeit gehört zur Persönlichkeitsförderung der behinderten Menschen durch Angebote im pädagogischen, therapeutischen und kreativen Bereich, der sich die WEW neben der Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet haben. Bei allen Festen im eigenen Haus musiziert die Gruppe, aber auch für Dorffeste und Jubiläen wird sie angefordert. »Wir machen keine Werbung, es spricht sich einfach herum«, so Monika Neumann.

Sie war es, die die Idee für ein solches Orchester hatte und es vor neun Jahren aus der Taufe hob. Damals testete sie über 50 Behinderte; elf wurden schließlich ausgewählt - drei Frauen, acht Männer. Die Initiativgruppe Kirchweiler finanzierte die Anschaffung der Instrumente. Aber auch ohne die Unterstützung der Eltern seien die Auftritte nicht möglich, betont Monika Neumann. Die Freude an der Musik, am Erarbeiten eines neuen Stückes und nicht zuletzt am Erfolg, hält die Gruppe zusammen. Dabei beobachtet die Sozialpädagogin durch das Musizieren eine enorme Steigerung des Selbstwertgefühls und der Flexibilität bei den behinderten Menschen.

Im ersten Halbjahr 1997 hat das Westeifel-Werkstätte n-Orchester drei neue Stücke eingeübt. Mit einem davon - ein von Monika Neumann komponiertes Rheinland-Pfalz-Lied -beteiligte sich das Orchester an dem Wettbewerb »Unsere Bühne«, den das Südwestfunk-Femsehen zum diesjährigen Rheinland-Pfalz-Tag in Pirmasens ausgeschrieben hatte. Ende Juni trat die Gruppe beim Johannesfest in Neuerburg auf. Im Juli standen zwei besondere Auftritte auf dem Programm des Orchesters - beim Tag der offenen Tür der Rennsteig-Werkstätten in Thüringen und beim Kurfestival der rheinland-pfälzischen Lebenshilfe in Mainz.