Vom Speicher gerettet

Seltene Schreinmadonna in Daun-Steinborn

Alois Mayer, Daun

Über die Filialkapelle »St. Lambertus« in Steinbom bei Daun berichtete bereits das Fernsehen. Es wies auf den hochinteressanten Bau hin, der in seiner Eigenart und Erhaltenheit aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts nicht nur eine Besonderheit, sondern auch ein äußerst wertvolles Kulturgut der Eitel darstellt. Seitdem ist die Lambertuskirche eine vielbesuchte Sehenswürdigkeit.

Bis 1803 war Steinborn Großpfarrei im Eifeldekanat des Kölner Erzbistums. Elf Filialen gehörten zu ihr. Das Jahr 1803 wurde zu ihrem Schicksal sj ah r. Zahlreiche Filialen wurden abgetrennt; was aber für die Entwicklung der Kirche besonders nachteilig war: sie wurde zur Filialkirche degradiert, während der Filialort Neunkirchen nunmehr die Pfarrkirche hatte. Über Jahrzehnte wehrten sich dessen Bewohner so gut sie konnten, legten sich streitend mit Neunkirchen an, doch vergebens. Erst in diesem Jahrhundert fügte Steinborn sich in die neuen Verhältnisse, erhielt 1912 wieder das Allerheiligste und seit dieser Zeit findet wöchentlich einmal Gottesdienst in ihr statt. Heute darf man sagen: Zum Glück blieb Steinborn nicht Pfarrkirche, denn mit Sicherheit wäre sie dann so oft umgebaut und verändert worden, dass man sie heute nicht mehr als die unter Denkmalschutz stehende Einmaligkeit Eifeler Kirchenarchitektur bewundern könnte. Die frühgotische Kirche, die in ihrem äußeren Aufbau als malerische und typische Eifelkirche mit romanischen Ausdrucksformen charakterisiert wird, besitzt neben einem reichen gotischen Netzgewölbe eine achteckige Mittelsäule mit rundem kanneliertem Fuß als zentralem Mittelpunkt. Dadurch entsteht der Eindruck eines zweischiffigen Raumes. In dieser Form stellt die »Einsäulenkirche« eine Besonderheit in der Eifeler Kirchenbaukunst dar. Dabei ist dieser Mittelsäule durchaus tiefe Symbolik zuzusprechen. So wie das Gotteshaus der Mittelpunkt einer Gemeinde und Christus der Mittelpunkt unseres Lebens ist, so bildet die Säule die zentrale Mitte der Kirche. Ohne Christus kein Halt, ohne Säule bricht der Bau zusammen. Der kanellierte Fuß ist rund, bildet eine geschlossene Einheit, so wie Christus und unser Glauben geschlossen eine Einheit darstellten. Aus dem Fuß erwächst nach oben strebend die achteckige Säule, wobei die Zahl Acht ganz bewusst auf Inhalte christlicher Lehre hinweist (die acht Seligpreisungen). Unter der Kirchendecke »platzt« die Säule auf und verteilt

sich netzartig durchs gesamte Kirchenschiff, die Decke tragend und untereinander fest verwoben, so wie die Lehre Christi sich in alle Welt verteilt und einem jeden, der auf sein Erlösungswerk hofft, glaubt und vertraut, festen Halt und Miteinanderverbundensein gewährt. 1980 bis 1982 war die letzte grundlegende Restaurierung der Kirche. Dabei fand man auf der Suche nach verwendbaren Statuen auf dem Pfarrhausspeicher Neunkirchen eine kleine Madonna in sehr schlechtem Erhaltungszustand. Anfangs wurde der Wert jenes Kunstwerkes noch nicht erkannt. Aber bei der anschließenden Untersuchung stellte sich der Fund als eine sehenswerte Kostbarkeit dar, die heute an der nordwestlichen Turminnenwand der Steinborner Kirche angebracht ist. Es handelt sich bei dieser als Anna-Selbdritt geltenden gotischen Figur, hergestellt um 1360 und 81 cm hoch, um eine Schreinmadonna, deren Oberkörper als zweiflügeliges Türchen geöffnet werden kann. Im bemalten Inneren wird sich dereinst ein »Gnadenstuhl« mit Reliquien befunden haben. Möglicherweise wurde die thronende Madonna erst nachträglich zur Schreinmadonna umgearbeitet. Sie erweist sich so als eine der seltenen Vertreterinnen dieses Typus. Die Muttergottes mit ihren langen, rotblonden Haaren, geziert mit einem Kopftuch und gotischem Haarschmuckband, trägt ein blaues Kleid und einen goldenen Mantel. Ihre rechte Hand ist abgebrochen und wurde auch nachträglich nicht wieder ergänzt. Das mit einem langem, braunvergoldetem Kleid angezogene Kind steht barfüßig auf dem linken Knie der Mutter, von dem es mit seinem linken Beinchen abzurutschen scheint, aber sicher von Mutter Maria gehalten wird. Es hält vor seiner Brust einen Vogel, den Heiligen Geist symbolisierend, dem es mit seinen Händchen in die ausgebreiteten Flügel greift. Das restaurierte und äußerst wertvolle Original aus Lindenholz mit einer Rückenplatte aus Tannenholz wurde als Dauerleihgabe dem Dom- und Diözesanmuseum Trier übergeben, während in der Steinborner Kirche eine Kopie ihre Aufstellung fand.