Hundert Jahre Blasmusik in Mehren

Matthias Görgen, Mehren

Der Musikverein Mehren blickt auf ein seltenes Jubiläum zurück, 100 Jahre wurde er alt. Seine wechselvolle Geschichte war unter anderem von zwei schrecklichen Weltkriegen sowie drei verschiedenen Staatsformen geprägt, dem Kaiserreich, der Hitlerdiktatur und letztlich von der heutigen Demokratie. Vor diesem Hintergrund muss die Geschichte der Blasmusik verstanden werden. Sie ist nicht gleichzusetzen mit der Geschichte eines Vereines, der einmal gegründet wurde und lückenlos bis zum heutigen Tag bestanden hat. Es gab Unterbrechungen, Neugründungen und Neuorientierungen. Aber bemerkenswert war, dass es immer wieder Männer gegeben hat, die über Kriege, Zusammenbrüche und Generationen hinweg die Liebe zur Blasmusik nicht nur wach zuhalten verstanden, sondern auch sich entschieden dafür einsetzten, dass in Mehren diese Tradition in irgendeiner Form weiterhin Bestand hatte.

Ein bemerkenswerter Mann muss er schon gewesen sein, jener Nikolaus Braun aus Mehren. Im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende zog es ihn auf der Arbeitssuche nach Köln. Er übte dort das Plattenlegerhandwerk aus, gründete eine eigene Partei »Recht werde Macht« und vergaß als Trompeter auch die Blasmusik nicht. Im Jahre 1897 gründete er dann die erste Blaskapelle in Mehren, der sieben bis neun Mann angehört haben sollen. Bekannt sind auch die ersten Musiker, deren Familiennamen im heutigen Orchester einen guten Klang haben:

Nikolaus Braun Trompete

Peter Hommelsen Trompete

Paul Illigen Trompete

Johann Jungen Flügelhorn

Josef Hermes Tenorhorn

Johann Umbach Bass

 

1910 ging die Blaskapelle in die neugegründete Feuerwehr über. Als Gründer der Feuerwehrkapelle wird der königliche Förster P. Schuster, ebenfalls Mitbegründer der freiwilligen Feuerwehr, genannt.

Musiker des MV Mehren bei der Hochzeit von Adam Umbach im Mai 1933.

 

Die Musikkapelle hatte acht Mitglieder. Drei von ihnen sollten über Jahrzehnte die Blasmusik in Mehren prägen: Johann Urnbach, Franz Mayer und vor allem Peter Bley, der neben dem Amt des Küsters und Organisten auch im Musikverein das Amt des Dirigenten ausübte. Man spielte zu dörflichen Anlässen, für den Kriegerverein und vor allem zu kaiserlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel des Kaisers Geburtstag. Der 1. Weltkrieg brachte aber die Blasmusik zum Erliegen. Vor allem Peter Bley war es zu verdanken, dass nach dem Krieg wieder ein neues Orchester entstand. Zunächst bestand das Orchester aus fünf Leuten. Doch wuchs die Kapelle rasch an und die Zahl der Mitgliederstieg auf 13 Mann. Die Proben fanden zunächst in der Wohnung des Dirigenten, also bei Peter Bley statt. Die Existenzberechtigung des Vereines musste man auch unter der Not der damaligen Zeit verstehen, die geprägt war von großer Armut und noch größerem Geldmangel. So waren die Auftritte des Musikvereins für die Aktiven eine willkommene Nebeneinnahme. Man spielte auf bei größeren Hochzeiten, zur Kirmes und an Pfingstmontag. Während des Tanzes wurde die Musik unterbrochen und die Musiker sammelten den sogenannten Tanzgroschen ein. So fielen im Durchschnitt für jeden Spieler an einem Abend etwa 5 DM ab. Für den Tänzer konnte das aber eine kostspielige Sache werden, zumal zur Kirmes im Saal Zimmermann oder Schüller Weinzwang bestand. Auch damals spielte man schon zur Fron l eich n am sprozession und einige Male begleitete die Kapelle die Wallfahrer nach Klausen. Am 2. Weihnachtstag wurden die Theateraufführungen des Kirchenchores vom Musikverein umrahmt. Für den Kriegerverein spielte man zum Schützenfest. Der Schützenplatz befand sich damals Richtung Schalkenmehren in der Nähe, wo heute die Halle von Engelbert Umbach steht. Auch damals war es selbstverständlich, die Fastnacht musikalisch mitzugestalten. Am 21. 11. 1930 wurde ein Musikverein gegründet. Am 23. 2. 1932 gab er sich eine Satzung, die vom damaligen Amtsbürgermeister zur Kenntnis genommen wurde. Der Verein bestand damals aus 13 Mitgliedern.

Vor dem Krieg war ein Streit innerhalb des Ortes, der die gesamte Dorf gern einschalt mit einbezog, erfasste Kirche, Politik, Schule und schließlich die gesamte dörfliche Öffentlichkeit. Auch das Vereinsleben litt darunter sehr. Vor allem aber dem Druck, der vom Naziregime ausging, konnte der Musikverein nicht mehr standhalten. Man entzog sich diesen Repressionen auf eigene Art, verkaufte den Bass und war somit nicht mehr spielfähig. Der 2. Weltkrieg ließ erst 1946 einen erneuten Gründungsversuch zu. Die Bildung einer Sieben-Mann-Kapelle scheiterte jedoch an der Finanzierung der Instrumente. Eine kleine Gruppe fand sich schließlich doch zusammen, stöberte im Ort Instrumente auf und übte regelmäßig und fleißig in der privaten Wohnung von Leo Börse h.

1957 ergriff der damalige Bürgermeister Franzen die Initiative, und so kam es am 2. September zur Neugründung, Zum 1. Vorsitzenden wurde Jakob Frühauf und zum Stellvertreter Ewald Umbach gewählt. Das Gründungsorchester zählte 15 Mitglieder. Der neue Verein fand innerhalb des Ortes große Zustimmung. Beim ersten Musikfest 1959 säumten sage und schreibe 3000 Menschen die Straßen. Einen Höhepunkt erfuhr der Verein jedoch ab Mitte der 70er Jahre, als neben dem Orchester eine kleine Besetzung und ein Jugendorchester bestanden, von einem 17jährigen Jugendlichen aus den eigenen Reihen geleitet. Der heutige Verein fühlt sich der Tradition seiner Vorväter verpflichtet. Er steht bei Veranstaltungen der Gemeinde, wie am Vofkstrauertag, am 1. Mai, am Altentag, aber auch bei Hochzeitsjubiläen und runden Geburtstagen sowie bei kirchlichen Anlässen der Dorfgemeinschaft zur Verfügung und stellt den musikalischen Rahmen. Mit eigenen Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Dorf- und Gästefest, oder aber mit Konzerten versucht man, das kulturelle Leben im Ort zu bereichern. Ein Schwerpunkt liegt in der Jugendarbeit. Im Augenblick befinden sich 40 junge Leute in der Aus- und Weiterbildung. Der Verein zählt heute 47 aktive Mitglieder und hat damit einen absoluten Höchststand in seiner Vereinsgeschichte erreicht. 26 Kinder und Jugendliche werden in absehbarer Zeit aufgenommen, das ergibt eine Gesamtzahl von 73 Aktiven. Von diesen sind allein 55 unter 18 Jahre alt und das lässt auf eine gute Zukunft hoffen.