Vom Pastorat zur Kunstakademie

Zum Geburtstag der Akademie für bildende Kunst Vulkaneifel

Franz Josef Ferber, Daun

"Das ist's ja, was den Menschen zieret, Und dazu ward ihm der Verstand. Daß er im Innern Herzen spüret, Was er erschafft mit seiner Hand.«

F. v. Schiller, Das Lied von der Glocke

In Steffeln, einem idyllischen Dorf der Verbandsgemeinde Obere Kyll, wird Kunst gelehrt. Dort, an dieser Stätte der Ruhe, fernab von Hektik und Verkehrslärm, liegt sie, die Kunstlehranstalt. Von der Akademie für bildende Kunst Vulkaneifel ist die Rede. Im Frühjahr 1998 hat sie Geburtstag. Zehn Jahre wird sie alt. In der Geschichte ist das keine lange Zeit. Trotzdem ist ein solcher Zeitraum in unserer schnellebigen Zeit nennenswert. Wenn dazu noch eine Institution ihren Geburtstag feiert, die für ländliche Verhältnisse nicht gerade alltäglich, sozusagen etwas Besonderes ist und die obendrein mit großartigen Leistungen aufwarten kann, dann ist das sehr wohl ein Grund zürn Rückblick.

Interessanter Plan, hohe Hürden

Die Kreisverwaltung Daun war von der ersten Stunde an mit dabei. Angefangen hatte alles im Jahre 1987. Am 20. Juli war's, als Norbert Blaeser, Galerist aus Düsseldorf, im Dauner Landratsbüro vorsprach. Eine Kunstakademie wolle er errichten, sagte er, nicht etwa in Düsseldorf, sondern im Kreis Daun, in Steffeln, genauer gesagt, im dortigen Pfarrhaus, das leerstehe. Und was das konkrete Ziel seiner Planungen anging, so wurde Herr Blaeser deutlich. Die Akademie solle eine Begegnungsstätte für Kunst und Künstler, für Kunstinteressierte jeglichen Alters, aller Nationen, mit oder ohne Vorbildung werden. Sie könne vielfältige Aufgaben erfüllen: Entscheidungshilfe für Schulabgänger mit Neigung zur Kunst, Begegnung von Studierenden an Kunstakademien mit sonst für sie unerreichbaren Künstlern, Bildungsstätte für interessierte Laien, Hilfe bei sinnvoller Freizeitgestaltung. Und was das Betätigungsfeld angehe, solle dies so breit wie möglich angelegt sein. Dies alles, so Herr Blaeser, könne er ganz alleine nicht schaffen, dazu brauche er auch die Unterstützung der Behörden, primär bei seinen Bemühungen, das Steffelner Pfarrhaus für einen längeren Zeitraum anzumieten; denn dieses Haus sei genau das passende Objekt. Herr Blaeser trug seine Vorstellungen engagiert und überzeugend vor. Seine Schilderungen ließen Landrat Karl-Adolf Orth und seinen Kulturamtsleiter aufhorchen. So etwas hatte ihnen gerade noch gefehlt. Eine Kunstakademie passte genau in ihr Konzept »Kulturlandschaft Kreis Daun«. Viele Dinge in punkto Kunst und Kultur hatten die beiden bis dahin schon in Gang gebracht, und sie waren dabei, Weiteres zu bewegen, hochrangige Kunstausstellungen zu arrangieren, die Kreisbibliothek Daun und das Eisenmuseum in Jünkerath zu errichten, um nur diese wenigen Beispiele aufzuzählen. Bei aller Euphorie waren die Gesprächsteilnehmer sich jedoch im klaren darüber, dass der Projektplan aus dem Blickwinkel einer Kreisbehörde von hohem Interesse sein musste, aber bis zu seiner Realisierung noch ein steiniger Weg zu gehen war. Um es an zwei Beispielen zu verdeutlichen: Zuallererst ging es darum, die Bereitschaft der Pfarrgemeinde zu wecken, ihr Pfarrhaus auf längere Sicht zu vermieten. Das war damals gar nicht so leicht, denn zu dieser Zeit -

das muss man verstehen - konnten viele katholische Christen (nicht nur in Steffeln) sich noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ihr Pfarrhaus, weil ihr Pastor es nicht mehr als Wohnstätte brauchte, für andere als rein kirchliche Zwecke genutzt werden sollte. Mit anderen Worten: Die Verwaltungsratsmitglieder der Pfarrei sind dem Düsseldorfer Plänemacher weiß Gott nicht vor lauter Freude um den Hals gefallen, als er bei ihnen um die Überlassung ihrer alten Pastorei nachsuchte. Eine ziemlich hohe Hürde war auch der schlechte bauliche Zustand des historischen Hauses. Es war unumgänglich, es grundlegend und denkmalgerecht zu restaurieren. Dies war mit hohen Kosten verbunden. Schließlich ist alles gut gegangen.

Ziel erreicht, Eröffnung der Akademie

Wer hätte das gedacht! Schon ein Jahr danach, am 24. März 1988, war es soweit, dass die »Akademie für bildende Kunst Vulkaneifel« - so ihr offizieller Name - eröffnet werden konnte. Das geschah im Beisein zahlreicher Gäste; die Landesregierung war durch die Staatssekretärin im Mainzer Kultusministerium, Frau Elisabeth Rickal, vertreten, die des Lobes voll war über das, wie sie wörtlich sagte, »mutige Unternehmen". Der Dauner Landrat K.A. Orth zeigte sich in hohem Maße erfreut über das gelungene Werk. Er, der stets und ständig behauptet hatte, Kunst sei nicht das Vorrecht größerer Städte, sah sich in seinen kulturellen Intentionen bestätigt. Besonders die Frage nach dem Standort einer Kunstakademie, so Orth, lasse sich kaum treffender beantworten, als mit dem Wahlspruch, den der Gründer dieser Kunststätte, Norbert Blaeser, prägte: "Kunst ist keine Frage des Standortes, sondern eine Frage des Standpunktes". Der Landrat nannte auch im einzelnen die verschiedenen Gründe, die es gebieten, eine Kunstakademie hier auf dem Lande zu errichten, zum Beispiel das ungestörte Arbeiten können in dörflicher Ruhe, die Künstler von jeher gesucht hatten; die Nahezu europäischen Nachbarländern, zu denen die Dauner Kreisbehörde seit längerem kulturelle Fäden geknüpft habe; die Möglichkeit, sich kreativ zu entfalten, ein Hauptwesensmerkmal ländlicher Kulturpflege. Zu alldem komme die nachgerade glückliche Fügung, dass die Akademie in dem denkmalrechtlich geschützten atmosphärischen Pfarrhof ihre Bleibe gefunden habe. Die sinnvolle Nutzung eines Kulturdenkmals sei bekanntlich die sicherste Gewähr für dessen dauerhaften Erhalt. Alles in allem, so der Landrat, passe die Akademie für bildende Kunst Vulkaneifel in jeder Hinsicht nach Steffeln.

Was daraus geworden ist

Um es vorweg zu sagen: Aus dem Projekt ist genau das geworden, was der Gründer sich in den Anfängen seiner Planungen vorgestellt hat und was Kunstliebende erhofft haben. Die Akademie habe »manchen Sturm überstanden«. So schreibt Norbert Blaeser im Veranstaltungsprogramm 1997. Er lässt keine Zweifel aufkommen, dass er an dem ersehnten Ziel, das er beharrlich ansteuerte, angelangt ist. Und damit hat er vollkommen recht. Die Steffelner Akademie - das darf man heute mit Fug und Recht sagen - ist zu einer weithin angesehenen Kunstschule geworden. Namhafte Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland lehren in vier Ateliers vom Frühjahr bis zum Spätherbst. Und was alles im Lehrplan steht, ist an Vielfalt wohl schwer zu überbieten. Ölmalerei, Aquarell, Zeichnung, Radierung, Illustration, Chinesische Malerei, Modellieren, bildhauerisches Gestalten und Tonplastik sind eindrucksvolle Beispiele einer breiten Palette, die in Intervallen angeboten wird. 1658 Lernende waren es, die die Akademie seit dem Beginn ihrer Kurse besuchten, sie kamen aus Deutschland und aus unseren Nachbarstaaten. Viele von ihnen haben sich unter qualifizierter Führung entfalten können. Und immer wieder werden die Kursangebote ausgebaut, wie beispielsweise 1997 mit Holzschnitt und Landschaftscollage.

Auch Aktivitäten außerhalb

So offen, wie die Lehranstalt bei der Aufnahme von Lehrenden und Lernenden ist, so ist sie es auch nach außen. Ihre Arbeit vollzieht sich keineswegs ausschließlich im verborgenen. Erst recht nicht bleibt all das anonym, was in dieser Schule geschaffen wird, im Gegenteil, es wird regelmäßig öffentlich vorgezeigt. In zweijährigem Turnus werden Ausstellungen arrangiert, in denen Dozenten und Schüler ihre Arbeiten zeigen. Um nur einige Ausstellungsorte beispielhaft zu nennen: Bürgerhaus Steffeln, Kreisverwaltung Daun, Rathaus St. Vith/Belgien, Bezirksregierung Trier und Landtag Rheinland-Pfalz. Kunstfreunde nehmen regen Anteil daran, und nicht selten sind sie überrascht von der Fülle und der künstlerischen Qualität der vielfältigen Arbeiten. Erfreulicherweise tragen auch die Medien ihren Teil dazu bei, auf das Kunstgeschehen in und außerhalb der Akademie aufmerksam zu machen.

Grund zum Danken und zum Feiern

Der engagierte, kunstsinnige Akademiegründer und seine helfenden Familienmitglieder haben allen Grund, auf das von ihnen Geschaffene stolz zu sein, sich an dem großen Werk zu erfreuen, das Jubiläum gebührend zu feiern. Grund zur Freude haben aber auch all diejenigen, die sich der Kunst verbunden fühlen. Hierzu zählen nicht zuletzt zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Daun sowie die Vertreter der Behörden, die für die Kultur- und Kunstförderung mitverantwortlich sind. Sie alle erkennen dankbar an, dass in ihrer Nähe durch die hervorragende Tatkraft eines kunstsachverständigen Mannes ein wichtiger Kulturauftrag erfüllt werden kann. Mit diesem großartigen Werk ist der Landkreis Daun um einen bedeutenden Kulturträger reicher geworden.

Der Familie Norbert Blaeser Dank und Glückwünsche, weiterhin gutes Gedeihen für die Arbeit in der Akademie!