Der Stein der Erinnerung

Hildegard Kohnen, Brühl

Ich sehe mir den Stein lange an und plötzlich ist alles wieder da, lässt mich tief in die Vergangenheit eintauchen. Ich lebte auf dem Lande bei meinen Großeltern, die einen Bauernhof hatten. Herbst, Krieg, Erntezeit! Nach der Schule ein schnelles Essen und hin ging es zum Feld. Mein Großvater, ein Erzpatriarch, hatte zum Kartoffelacker befohlen. Sich drücken war zwecklos. Jede Hand, und war sie noch so klein, wurde dringend gebraucht.

Die Erwachsenen gruben die Kartoffeln beschwerlich mit der Forcke aus. Wir Kinder lasen die gelben Knollen, die teilweise noch mit fetter Erde bedeckt waren, auf, die dicken sorgsam von den kleinen getrennt, die einen zum Essen, die anderen zur Schweinemast. Es war keine leichte Arbeit für uns Kinder, und wir wurden schnell müde.

Das Feld, an einem Hang gelegen, war übersät mit vielen Steinen, Kieselsteinen; größere, kleinere und manche bizarr geformt. Meine Phantasie erwachte, ließ die Müdigkeit schwinden, und aus den Steinen wurden Tiere, Blumen und seltsame Figuren. Die Schönsten hob ich auf und nahm sie abends mit nach Hause. Einer dieser Steine liegt heute noch auf meinem Schreibtisch. Er hat mich durchs Leben begleitet, könnte viel erzählen und immer, wenn ich mir diesen Stein betrachte, ihn in die Hand nehme, erwacht sie wieder, ist plötzlich da... die Erinnerung an Kartoffeln, gebraten am offenen Feuer; die Erinnerung an eine schöne Kindheit, meine Kindheit auf dem Lande.