Baltische Kunst im Kreishaus Daun

Ein Baustein am Haus Europa

Franz Josef Ferber, Daun

Es ist noch nicht lange her, da sagte man den Eifeler Männern nach, sie hätten keine weiten Wege gemacht, um sich ihre Ehepartnerinnen auszuwählen, sie hätten sich stets ihre Lebensgefährtinnen im eigenen Dorf gesucht. An dieser pauschalen Behauptung ist zwar etwas Wahres dran, sie ist aber allenfalls die halbe Wahrheit. Ein Blick in ältere Heiratsregister beweist dies. Kollege Norbert jedenfalls hat, als er in den heiligen Stand der Ehe eintreten wollte, geographisch gesehen, etwas weiter ausgeholt. Er ist zu einem Mädchen im fernen Kaunas, einer großen Stadt in Litauen, freien gegangen. Und das war gut so, nicht nur für ihn selbst und die sympathische Litauerin, sondern auch für die völkerverbindenden Beziehungen zwischen den Menschen im Kreis Daun und den deutschen Nachbarn im Baltikum. Von daher nämlich rühren sie her, die Verbindungen, und sie sind, was Litauen angeht, mittlerweile recht vielfältig geworden. Auch Lettland ist nicht arg weit weg. Neuerdings ist es gottlob gelungen, zu Menschen dort freundschaftliche Bande zu knüpfen. Das machte sich gut. Der Anlass war eine repräsentative Kunstausstellung in der Kreisverwaltung Daun. Es hätte nicht alles gefehlt, und es wären sogar estländische Kunstschaffende dabei gewesen. Das nächste Mal werden sie hoffentlich mit von der Partie sein.

Nun war es beileibe nicht das erste Mal, dass im Kreishaus Ausstellungen, nicht zuletzt auch Kunstausstellungen, von regionaler und überregionaler Bedeutung präsentiert wurden. Seit Beginn der 1980er Jahre, als die Kreisverwaltung begonnen hatte, ihre Kulturarbeit in der Breite maßgeblich zu verstärken, geschah dies allenthalben. Diesmal, im Mai 1997, ging es um «Baltische Kunst«. So hieß die Gemeinschaftsausstellung. Ihr Untertitel: »Künstlerinnen und Künstler aus Litauen und Lettland zeigen Gemälde und Grafiken im Kreishaus Daun«. Sie wurde von der Botschaft der Republik Litauen in der Bundesrepublik Deutschland und der Kreisverwaltung Daun, wo sie bis zum 10. Juli zu sehen war, arrangiert. Mitbeteiligt waren auch die Botschaft der Republik Lettland, das Litauische Kulturinstitut und die Katholische Erwachsenenbildung in der Region Westeifel. Sie alle unterstützten das Projekt. Es war eine umfangreiche, großartige Präsentation. Insgesamt 23 Kunstschaffende zeigten 95 zum Teil großformatige bilder.

Am 21. Mai war es so weit, dass die Ausstellungseröffnung stattfinden konnte. Der Botschafter Litauens, Seine Exzellenz Herr Dr. Zenonas Namaveius, und Landrat Albert Nell hatten hierzu eingeladen. Viele Gäste waren gekommen. Zum Auftakt spielte das Kammerensemble Putinas aus Alytus/Litauen unter der Leitung von Jonas Vytautas Pavilonis, und es begleitete die gesamte Veranstaltung mit Musik und Gesang. Wiederholt war es auf einer Konzertreise in Deutschland und im Kreis Daun.

Der Landrat als Hausherr begrüßte die Gäste, besonders die Vertreter der beiden Botschaften und eine der anwesenden lettischen Künstlerinnen, Iness Gutmane. Er lobte den intensiven Kulturaustausch zwischen dem Landkreis Daun und Litauen, zu dem sich nun als weiterer Höhepunkt und als Besonderheit die neueste Ausstellung von Werken litauischer und lettischer Kunstschaffender geselle. Dies alles, so hob der Landrat hervor, sei besonders das Verdienst von Norbert Möller und seiner Ehefrau Daina. Und er betonte, dieses Projekt beweise wieder einmal die sichere Erkenntnis, dass Kultur keine Grenzen kenne. Im weiteren Verlauf sprach Botschaftsrat Mindaugas Butkus für den plötzlich verhinderten Botschafter Litauens Grußworte. Er wollte diese Gemäldeausstellung als ein, wie er wörtlich sagte, -historisches Ereignis« bewertet wissen. In den Beziehungen zwischen Staaten und Menschen, so erklärte er, spiele die Kunst eine besondere Rolle; sie habe die Sprache, die alle verstünden. Herr Butkus vertrat die zweifellos

Gäste hören dem Vortrag des Kammerensembles Putinas aus Alytus/Litauen zu. In der ersten Reihe von links: Landrat Albert Nell, Norbert Möller, Botschaftsrat Mindaugas Butkus (Litauen).

Foto: Daniel Ferber, Daun

Ensemble Putinas aus Alytus/Litauen.

Foto: Daniel Ferber, Daun

richtige Auffassung, dass den Reden der Staatsmänner Taten folgen müssten. Geographisch seien wir - gemeint waren die Balten und die Deutschen - uns ganz nahe, psychologisch noch nicht ganz. Er hoffe, dass diese Ausstellung unsere Länder einen Schritt näher bringen.

Als Vertreterin des lettischen Botschafters, Seiner Exzellenz Herrn Andris Kesteris, war Veronika Erte (II. Sekretär, so ihr Titel) zur Vernissage gekommen. Sie ist es. die, wie ihre Nachbarn von der litauischen Botschaft, zum Gelingen der nicht alltäglichen Kunst Präsentation maßgeblich beigetragen hat. In ihrer umfassenden, vielbeachteten Ansprache bemerkte sie, dass dies ein wichtiger Tag für die lettische Kunst sowie für die hier ausstellenden Künstlerinnen und Künstler sei. Rege zwischenstaatliche Beziehungen lebten vor allem von der Aktualität eines außerordentlichen Interesses aneinander. Es gebe, so die Rednerin, keinen besseren Weg zu gegenseitigem Vertrauen als den, der über die Kultur führe. Frau Erte ging auch auf die Rolle ihres Landes in einem vereinten Europa ein. Für Lettland, dessen Geschichte sich größtenteils nicht auf der Sonnenseite abgespielt habe, sagte sie, seien die Europäische Gemeinschaft und die Atlantische Allianz entscheidend für seine Rückkehr in die freie Völkergemeinschaft, für den Aufbau seiner Demokratie, für seine Wirtschaft und seine Sicherheit. Alldem ist ohne Einschränkung zuzustimmen.

Danach war Norbert Möller, der Vertreter der Katholischen Erwachsenenbildung, an der Reihe. Sein Part war es, in die Arbeiten einzuführen. Das tat er mit einer guten Portion Sachkenntnis. Er wusste den aufmerksamen Gästen Fundiertes aus der litauischen Kunstgeschichte zu erzählen, zum Beispiel, dass die Kunst der Gegenwart versuche, eine Brücke zu schlagen zur Kunst der Vorkriegs- und der vorsowjetischen Zeit. Während der Sowjetzeit sei jeder Künstler vom Künstlerverband völlig abhängig gewesen, ohne ihn habe er kein Bild verkaufen, nicht mal Farbe und Leinwand frei kaufen können. Eine Vielzahl von Malstilen sei zwar gewahrt gewesen, natürlich mit der Einschränkung, dass Kritik an der Gesellschaft, eine wichtige Aufgabe der Kunst, als unerwünscht gegolten habe. Auch dies sollte gesagt werden: Die Ausstellung war in vielerlei Hinsicht ein großer Erfolg, vor allen Dingen auch im mitmenschlichen Bereich. Das Miteinander von Mensch zu Mensch, von Botschaftsangehörigen zu Bediensteten der Kreisverwaltung war unkompliziert, harmonisch, freundschaftlich, mit einem Wort gesagt: normal. So sollte es auch sein. Es war geradezu wohltuend, an diesem Kunstprojekt miteinander zu arbeiten. Mir kam es zuweilen so vor, als ob wir schon jahrelang gemeinsam Teamarbeit getan hätten. Man spürte, wir Europäer aus Ost und West gehören zusammen. Und ich bin davon überzeugt, dass diese Gemeinschaftsarbeit wieder ein Schritt in die richtige Richtung war, dass sie ein Baustein an unserem Gemeinschaftshaus Europa ist.