Das »Kerpener Maar« und der »Beul«

Wolfgang Struve (t)

Naturmuseum und Forschungsinstitut »Senckenberg«, Frankfurt am Main

Im April 1997 verstarb der Paläontologe Doktor W. Struve. Er ist in Fachkreisen international bekannt als Kenner der Geologie der Eitel. Sein Schwerpunkt galt den mitleide von i sehen Kalkmulden der Eifel, insbesondere der Hillesheimer Kalkmulde. Nachfolgender Text ist eine Zusammenfassung eines seiner letzten Artikel, der unmittelbar vor der Veröffentlichung stand.

Vorwort

Neue Baugebiete eröffnen einerseits zusätzliche oder gar erste Einblicke in die Beschaffenheit des Untergrundes. Andererseits entziehen sie das Gebiet zumindest auf lange Sicht einer Wissenserweiterung. Diese Situation hat sich vor wenigen Jahren für die seit gut einem Dritteljahrhundert als Weidegelände dienende Flur "Auf dem Beul" am West-Rand des alten Ortskernes von Kerpen bei Hillesheim/Kreis Daun ergeben und ist Rechtfertigung für die folgenden Ausführungen. Sie sollen das festhalten, was auf lange Sicht unzugänglich werden dürfte. Den Stoff dazu bieten teils neue Einblicke, insbesondere aber bisher unveröffentlichte Unterlagen des Verfassers, - zahlreiche Fotografien und Lageskizzen sowie einige mehr oder weniger umfangreiche Protokolle aus den Jahren 1965 bis 1995.

Im Rahmen des Eifeler Vulkangebietes liegt das "Kerpener Maar« recht penpher und stellt letztlich einen Fremdkörper in der Eifeler Kalkmulden-Zone dar. Es ist damit zwar ein besonderes Phänomen, aber keineswegs eine Rarität. Die gelegentlich geäußerte Meinung, der Vulkanismus meide die Kalkmulden-Strukturen, ist mit Reserve zu betrachten. Die Wirklichkeit wird lediglich durch die dichte Vegetation verschleiert. Ausweislich der subtilen geologischen Kartierung unter den unvergleichlich günstigeren Bedingungen des ersten Nachkriegs-Jahrzehnts (viel Ackerbau, wenig Asphalt-Versiegelung, unterhaltene Bahnböschungen sowie militärische und andere, unbegrünt belassene Aufschlüsse) sind vulkanische Gesteine in der Hillesheimer Mulde außerhalb der bekannten großen Vulkan-Durchbrüche (zum Beispiel des jung-pleistozänen Goßbergs und des tertiären Arnulphusbergs) erheblich häufiger, als man zunächst vermuten möchte.

So treten auf den Äckern südöstlich vom höchsten Anschnitt des Hönselbergs zusammen mit mitteldevonischen Kalken und Fossilien eine Unzahl von Basaltbrocken auf, die vermutlich aus Radialspalten-Füllungen des Arnulphus (Arens-)-berg-Vulkans hochgepflügt worden sind.

Ganz anders der Vulkanismus am West-Rand von Kerpen. Der hier besonders herausgestellte »Beul« ist Teil der östlichen Krater-Kante eines »Kerpener Maares«, das möglicherweise dein auslaufenden bzw. abgeschlossenen jung-pleistozänen Goßberg-Vulkanismus zuzuordnen sein dürfte. In die Endphase des Eifeler Pleistozän-Vulkanismus gehört das Maar aber sicher nicht. Leider ist die bescheidene Existenz des Maars im Schatten des Goßbergs inzwischen »relativiert«: Der Goßberg, vor 60 Jahren als Landschaftsschutzgebiet und Naturdenkmal ausgewiesener Vulkankegel,«...seiner Gestalt nach einer der schönsten der vulkanischen Eifel...", und viele andere untrügliche Kennmale der »Vulkaneifel sind in erschreckend wenigen Jahrzehnten einer profanen Endnutzung als Straßenbelag zugeführt worden. Es wäre eine jetzt noch nicht zu späte Wiedergutmachung, in Anlehnung an strengstens zu schützende Aufschluss-Reste den Goßberg beispielsweise durch Anlegen einer Hochdeponie gestaltlich wiederherzustellen, was sich im Laufe der Jahre unter dem Strich sogar rechnen dürfte. Restaurieren oder nicht? Unzählige Burgruinen sind wieder zur Burg geworden, durchaus nicht zum Schaden des Gebiets, siehe Kerpen.

Das »Kerpener Maar«

- Linksgeneigte schräge Schraffur = das Maar

- Rechtsgeneigte schräge Schraffur = Auslass des Maares zur örtlichen Erosionsbasis

»Kerpener Maar« und »Beul«

Überbleibsel des »Kerpener Maares« ist eine morphologische Schüssel von etwa 400x600 Meter Durchmesser bei und nördlich bis nordwestlich des Straßen-Knotenpunktes Walsdorf - Kerpen - Ahütte/Hillesheim - Berndorf - Kerpen - Loogh, Mitte des Maares etwa bei Blatt Üxheim R 517507 H75250. Eine ursprünglich wohl größere geometrische Regelmäßigkeit ist dadurch verschleiert, dass die Schüssel nach Südsüdosten in ein enges Tälchen übergeht: Das Maar ist - vermutlich durch die Grundgebirgs-Architektur begünstigt - in das Einzugsgebiet des von Loogh herkommenden Felschbach-Niedereher Baches einbezogen, erosiv angezapft und teilweise ausgeräumt worden. In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind die wenn auch schwachen, aber von Eutrophierungs-Erscheinungen klar unter scheinbaren Gas-Austritte an einer von der Tektonik her zu erwartenden Stelle im Bach (zum Beispiel Kerpen - Loogher Brückchen). Die unübersehbare Überarbeitung der Morphologie darf wohl als Hinweis darauf gewertet werden, dass das »Kerpener Maar« nicht zu den allerletzten vulkanischen Ereignissen in der Eifel gerechnet werden darf. Entsprechend der landwirtschaftlichen Nutzung war über den Untergrund der weitflächigen Südost-Abdachung des Weinberg-Eilenberg-Rückens immer nur sehr wenig bekannt, an Konkretem letztlich überhaupt nichts. Ergiebigen Einblick gewährten erstmals die umfangreichen Dränage-Arbeiten von 1959. Sie erschlossen in flächenhafter Verbreitung stellenweise ansehnliche Tuff-Ablagerungen, - die einzigen vulkanischen Produkte in diesem Gebiet. Die örtlich häufigen »Hasselsteine« - unteremsische, »Klerfer« Plattensandsteine, wie sie die Unterlage der Kalkmulde(n) bilden - sind nicht zwingend als Auswürflinge aus dem Ausbruchs-Zentrum zu deuten, die häufigen Buntsandstein-Brocken (untere Trias) jedenfalls nicht als »Nachfall« aus dem »Deckgebirge«, welches zur Entstehungszeit des Maares an dieser Stelle bereits rückschreitend abgetragen war. Statt dessen wäre insbesondere zu denken an zerpflügte Gebäude-Fundamente einer früheren Siedlung in dieser bekanntermaßen klimatisch begünstigten Lage.

Im Verlaufe der genannten Dränage-Arbeiten war im Mai 1959 im Inneren des Kerpener Maares eine geringmächtige Schicht von mürbem,

Der Tuff bzw. Lapillituff hat sich seinen Weg zwischen den gefritteten Gesteinsbänken gebahnt und ist an der großen schrägen Bruchfläche sozusagen »in Freiheit gesetzt«.

Großer Tuff- und Lapilli-Durchbruch zwischen dem nördlichen und dem südlichen »Schwarze Beul-Kalk«-Komplex

weißen Kalk aufgeschlossen. Darüber lagerte eine schwärzlich-braune, moorige Schicht. Ein derartiges Vorkommen entspricht dem klassischen Bild eines Quell- oder Gehängemoores, entstanden an der Grenzfläche zwischen stauendem, pelitreichem Spät-Eifelium/Früh-Givetium einerseits und wasserdurchlässigem Tuff andererseits. Bekanntlich nimmt im genannten Abschnitt der mitteldevonischen Schichtenfolgen der Anteil wasser-stauender toniger Ablagerungen etwa von der Gegend von Nollenbach an in Richtung zur »Oberbettinger Schlammfalle« immer mehr zu. Die gegenwärtige, linienhafte Entwässerung des »Kerpener Maares« 'mag allerdings im wesentlichen auf die Bündelung der 1959er Dränage-Rohre zurückzuführen sein. Eine palynologische Datierung der »moorigen« Schicht gibt es nicht. Proben-Material ließe sich aber auf Grund der vorliegenden Orts-Angaben mit Handbohrer leicht lokalisieren und recht einfach gewinnen, weil das Vorkommen im Bereich von etwa ein bis zwei Metern unter Tages-Oberflache liegt. Nördlich von diesen Vorkommen waren im Mai 1959 auf einer Fläche von mindestens 4000 Quadratmetern unübersehbare Mengen von autochthonen Lapilli-Tuffen angeschnitten. Mitteldevonische Kalkbrocken waren in diesem Bereich auffällig gering vertreten. Gemäß Protokoll vom 5. Oktober 1965 fallen die Gesteinsbänke des »Schwarzen Beul-Kalkes« fast durchweg entgegengesetzt zu der für den Nord-Flügel der Hillesheimer Kalkmulde »normalen« Südost-Richtung, nämlich nach Norden bis Nordosten und damit ungefähr vom Ausbruchs-Zentrum weg. Am Nord- und Süd-Ende und am Ost-Rand sowie im West-Abschnitt des damaligen Aufschlusses überwogen vulkanoklastische Gesteine. Im mittleren Teil des West-Anschnitts standen zwei hauptsächliche Kalk-Komplexe an, die von Tuffen und anderem vulkanoklastischen Material durchzogen waren. Dort, wo die Tuffe stärker hervortraten, waren die Kalke stärker zerrüttet, von eisenreichen Mineralklüften durchsetzt und von mürben Oxidnestern erfüllt. Entlang den Aufstiegswegen der Tuffe machten sich Frittungs-Erscheinungen durch weissliche Gesteinsfarbe der ursprünglich schwarzen Kalke bemerkbar. Außerdem wurden gebrannte Ton- oder Mergel-Knollen sowie nicht selten auch Verkieselungs-Produkte festgestellt. Aggressive, heiße Gase und Dämpfe mit ihren mineralischen Komponenten dürften also auch dann noch die Kalke und Mergel durchströmt haben, als diese im wesentlichen bereits in ihrer heutige Lage zur Ruhe gekommen waren. Im höchsten Teil des »Beul« ist derjenige Bereich markiert, in dem noch die größten Relikte von "Schwarzem Beul-Kalk« anstehen. Der Glücksfall des Einblicks in den »Beul«- Aufschluss von 1965 rief spontan die Erinnerung an die Süddeutschland-Exkursion des Frankfurter Geologisch-Paläontologischen Instituts im August 1949 wach, als RUDOLF RICHTER (1881 -1957). wohl der bedeutendste deutsche Paläontologe und Geologe dieses Jahrhunderts, am Jusi im Vulkangebiet von Uracn die »züngelnden Gase« des wissenschaftlich, künstlerisch und didaktisch so genialen Bonner Ordinarius HANS CLOOS (1880 - 1951) seinen Schülern zu lebendiger Gegenwart zu erwecken verstand. Eine ganze Reihe von Erscheinungen, die CLOOS (1941) in seiner wegweisenden Arbeit über den »Schwäbischen Vulkan« beschrieben, illustriert und gedeutet hat, hat der »Beul«-Aufschluss von 1965 trotz seiner so bescheidenen Größe wiedererkennen lassen. Die vulkanischen Phänomene im »Kerpener Maar- sind sozusagen im Embryonalen steckengeblieben. Beim Aufstieg der vulkanischen Fördermassen ist es im Grundgebirge letztlich nur zu einer Auflockerung des Gesteinsgefüges gekommen. Auf geweiteten Klüften und in begrenzten Zerrüttungszonen konnten die aggressiven heißen magmatischen Dämpfe und Gase empor »züngeln« und es konnten schließlich auch Tuffe ausgeblasen werden. Zusammengefaßt von Dr. l. Eschghi, GEO Zentrum Vulkaneifel.