Die Dorfschmiede in Niederbettingen

Feier Jakobs, Simmern

Bis viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte zum Dorfbild unserer Region neben der Dorfschule, dem Tante-Emma-Laden und der Gastwirtschaft auch die Dorfschmiede, da die meisten Familien mit der Landwirtschaft zu tun halten.

Auch Niederbettingen hatte seit Generationen eine Schmiede, deren Bestand sich bis weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Um 1870 wurde sie von Herrn Uters betrieben, dann von einem Schmied namens Schilling erworben, der beim Bahnbau Trier-Köln beschäftigt war. Er heiratete eine Tochter aus der Familie Druckes.

1907 wurde die Gastwirtschaft Druckes mit einer Kegelbahn und einer Schmiede erbaut. Zu dieser Zeit war Niederbettingen landwirtschaftlich strukturiert. Die Bauern betrieben ihre Landwirtschaft mit Gespannkühen und Ochsen. Diese Tiere hatten harte Arbeit zu leisten, es wurde ihnen viel abverlangt. Um Schäden an den Füßen zu vermeiden, mussten sie immer wieder in die Schmiede, um -geplättet« zu werden.

Diese »Plätten« wurden im Schmiedeverfahren auf Vorrat hergestellt und bei Bedarf angebracht.

Darüber hinaus wurden auch Ackerwagen gebaut und einzelne Räder angefertigt. Die Räder aus Holz hergerichtet, wurden mit starken Eisenbändernbelegt.

Leonhard Druckes hatte drei Söhne, die alle das Schmiedehandwerk und das des Wagenbauers (Stellmachers) erlernt hatten: Hermann, Alex und Nikla, genannt Kloos. Im Jahre 1932 übernahm Alex die Schmiede und führte diese bis Anfang des Krieges.

Von weitem konnte man hören, wenn er am Schmieden war, denn am Amboss ging es nicht gerade leise zu. Bei der heutigen Empfindlichkeit der Menschen wäre vielleicht die Polizei mit Phonmessgeräten erschienen. Doch damals hatten die Leute von Niederbettingen andere

Alte Schmiede in Niederbettingen                Zeichnung Klaus Linden

Sorgen. Alex hatte vollauf zu tun, er hatte auch Kunden aus den Nachbardörfern. Die Schmiede war, wie man heute sagen würde, auch ein Kommunikationszentrum. Dort traf man sich um die neuesten Nachrichten aus Dorf und Umgebung zu erfahren und auszutauschen. Es war das, was heute der Stammtisch ist. Zudem war es in den Wintermonaten schön warm in der Schmiede. Auch wir Kinder wurden von Schmied Alex dort geduldet, für uns war alles interessant.

In Niederbettingen, in der Mühle von Landenberg, wurde durch eine große Wasserturbine Strom für den Ort und das Nachbardorf Bolsdorf erzeugt. Hiervon profitierte auch die Schmiede im Ort, es wurde unter anderem ein Gebläse eingebaut, das mit Drehstrom angetrieben wurde. Auch andere Maschinen wurden auf Strom umgestellt. Oft war die Stromleistung für die Schmiede zu schwach. Dann wurden wir Kinder als Boten zu »Müller-Mattes« beordert. Wir mussten ihm ausrichten, er möge doch mal »ordentlich aufdrehen«. Das war im Sommer leichter gesagt als getan, weil wenig Wasser in der Kyll und demzufolge auch im Mühlenteich war.

Alex Druckes wurde Soldat, Hitler rief zu den Waffen, die Schmiede wurde geschlossen. Die Landwirte mussten mit ihrem Gespannvieh in Schmieden der Nachbarorte Oberbettingen und Bolsdorf ausweichen. Die deutschen Einquartierungssoldaten nutzten die Schmiede nach Bedarf. Nach dem Krieg wurde die Schmiede für eine kurze Zeit als »Schwarzbrennerei« genutzt. Man konnte in ihrer Umgebung einen seltsamen Geruch wahrnehmen. Die Polizei war jedoch schnell zur Stelle und nahm die Schnapsbrennanlage mit.

Das Gebäude war in die Jahre gekommen und wurde 1977 im Rahmen der Aktion »Unser Dorf soll schöner werden« abgerissen. Bekanntlich war diese Aktion in Niederbettingen ein voller Erfolg. Wenn heute bei den älteren Mitbürgern über die »gute alte Zeit« diskutiert wird, ist dabei auch von Alex und seiner Schmiede die Rede.