Der Pützfelder- oder Schützenhof Birgel

Hubert Pitzen, Stadtkyll

In Birgel existierten zwei größere bäuerliche Anwesen. Hierbei handelte es sich zum einen um den Kurtrierischen Hof, der zum Besitztum des Trierer Erzbischofs gehörte, wobei die juristische Kompetenz bei den Grafen von Manderscheid-Blankenheim lag. Zum ändern besaß die freiadlige Familie Freymersdorf zu Pützfeld einen Hof in Birgel, über den die Quellen des 18. Jahrhunderts einige interessante Details, besonders in wirtschaftsgeografischer Hinsicht, offenbaren.

Bereits 1618 erhielt Diether von Freymersdorf, genannt vom Pützfeld, für sich und seine Erben Güter in Birgel und Lissendorf vom Grafen Karl von Manderscheid-Gerolstein, unter denen sich auch der Schützenhof befand. Bewirtschaftet wurden die Höfe von Pächtern, auch »Halfen« genannt. Mitte des 17. Jahrhunderts ist ein Adolf Schütz als Pächter nachweisbar. Die Bezeichnung »Schützenhof« lässt sich also bis in diese Zeit zurückverfolgen. Die Quellen verraten ebenso, dass der Pützfelder Hof unter Hofmann Karl Klaus zu Beginn des 18. Jahrhunderts verwahrloste und schließlich abbrannte. Sein Nachfolger Nicolaus Blum ließ im Jahre 1711 mit Einwilligung des Herrn von Freymersdorf und Genehmigung der gräflichen Kanzlei in Blankenheim den Hof auf eigene Kosten wiederaufbauen. Die Kosten beliefen sich auf 358 Reichstaler. Die Hoffnung auf eine Vergütung von selten der Familie Freymersdorf beziehungsweise der Blankenheimer Kanzlei sollten nicht in Erfüllung gehen. Maurer-, Zimmermanns-, Dachdecker- und andere Handwerkerrechnungen verraten im einzelnen die Herkunftsorte, Beschäftigungszeiten, Entlohnung und »Kost« der Handwerker. Ebenso angegeben sind die verwendeten Materialien, die heutzutage teilweise nicht mehr beim Bauen üblich sind. Neben größeren Reparaturarbeiten am Haus mussten der Giebel der Scheune, das Mauerwerk am Schaf-, Rinder und Schweinestall, beide Giebel des Backhauses und der Brunnen hergerichtet werden. Hinzu kamen Verputzer- und Dachdeckerarbeiten.

Meister Jacob Tales aus Hillesheim führte mit vier Männern die Maurerarbeiten aus, die 20 Tage in Anspruch nahmen. Pro Tag erhielten die Männer jeweils neun Albus Lohn. Über 100 Wagen gebrochener Steine, 40 Wagen Sand und vier Fuder Kalk waren zum Aufbau nötig. Der mit den Zimmereiarbeiten beauftragte Zimmermann Philipp Jör aus Berndorf verarbeitete sieben Wagen Balken und Latten sowie über 3000 Schrauben. Das Dachfachwerk stellte Peter Senger aus Hillesheim her. Die zur damaligen Zeit übliche Dachbedeckung war das Stroh. Die Strohdecker, die mit Dachgerten und Knebeln das Stroh auf dem Dach befestigten, erhielten, verglichen mit den anderen Handwerkern, eine geringere Entlohnung. Als Schreinermeister finden Meister Joachim Schmilz aus Berndorf und Peter Rettenich (Herkunftsort unbekannt) Erwähnung. Für die benötigten Materialien mussten Fahrten nach Oberbettingen, Hillesheim, Wiesbaum und Basberg unternommen werden. Das Holz kam aus Birresborn, Wiesbaum und Basberg, so dass der Fuhrlohn ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor darstellte. Die Auflistung der gesamten Baukosten ist vom Schultheißen des Hofes Lissendorf, Gerhard Davipont, und den Gerichtsschöffen Philipp Victoris und Johann Bart testiert. Nach dem Tode des Nicolaus Blum ging der Hof am 14.10.1724 an seinen Sohn Johannes Blum über. Werner Bertram Theoderich, Freiherr von Freymersdorf, genannt Pützfeld zu Pützfeld, Erbvogt von Niedermendig und Kämmerer des Kurfürsten von Köln, verpachtete den Hof mit Haus, Scheune, Stauungen, Backhaus und den dazu gehörenden Ländereien, Wiesen, Peschen und Garten. Jedes Jahr am Martinstag war das Pachtquantum fällig: 12 Malter Frucht, halb Spelz, halb Hafer sowie ein Malter Roggen. Die zum Hof gehörigen Lehnsleute zu Lissendorf hatten jährlich zwei Malter Hafer und vier Hühner abzuliefern. Die übliche Ermahnung, den Hof bestens zu bewirtschaften und viel Fleiß anzuwenden, schloss sich an. Bei Misswuchs und Hagelschlag wurde ein Nachlaß in Aussicht gestellt. Als Bürge fungierte der Schwager des Pächters Peter Mayer. Elf Jahre später kam es zu Erbauseinandersetzungen zwischen dem Pächter und seinem Bruder Wilhelm Blum, der in Oberbettingen wohnte. Wilhelm Blum forderte für sich und seine beiden Schwestern ihren Teil der Baukosten als Erbe zurück, da diese nur ihrem Bruder zugute gekommen wären. Landschultheiß Pranghe, zwei Ortsschöffen und ein Werkverständiger sollten ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Demgegenüber gedachte Johann Blum seinem Bruder und seinen Schwestern keine Abfindung zu erstatten. Der bisherige Lehnsherr sei verstorben, und es gebe keinen Erben. Der Hof sei an einen Herrn Colls »versetzt", der aber seinerseits keine Baukosten gutmachen wolle. Auch er selbst habe keine finanziellen Mittel, um die Baukosten gutzuschreiben. Beide Parteien wurden an die Hochgräfliche Kanzlei in Blankenheim verwiesen, die nunmehr folgenden Beschluss fällte:

»Dem Pützfelder Hofmann zu Birgein, Johann Blum, wird anbefohlen, eine billige Ablage wegen des von ihrem Vater vormahls daselbst verfertigten Baws in 14 Tagen Zeit zu geben und sich hierüber güttiglich zu vereinbahren oder aber binnen selbiger Zeit erhebliche Ursachen warumb mit recht hierzu nicht könne angehalten werden.«

Wie letztendlich der Streit beigelegt wurde, ist aus den Quellen nicht mehr ersichtlich. 1762 und 1774 verpachtete der Graf Johann Wilhelm von Manderscheid-Blankenheim den Pützfelder Hof an den neuen Hofmann Philipp Caspers jeweils für 12 Jahre. Am 1. Mai 1785 ist es die letzte regierende Gräfin des Hauses Manderscheid-Blankenheim, die den Hof an denselben Pächter übergibt. Die im Herzog von Croy'schen Archiv in Dülmen befindliche Originalurkunde hat folgenden Wortlaut: »Wir Augusta d.H.R.R. Gräfin zu Sternberg, regierende Gräfin zu Manderscheid, Blankenheim und Geroistein etc. Thun kund und bekennen hiemit, daß Wir unseren sogenannten Pützfeid oder Schützenhof zu Birgein mit allem seinem Ein- und Zubehör, samt einem dritten Theii Zehntens daselbst an Philipp Caspers und nach ihm an seinen Sohn Peter Caspers auf dreißig ständige Jahre a dato

dieses Briefs anzufangen und Martini dieses Jahrs das erstemal zu liefern und ausgepfachtet haben und Kraft dieses Briefs auspfachten unter folgenden Bedingnissen:

1. Stellt Pfächter die Scheuer nach dem ihm gegebenen Abriss auf seine eigenen Kosten lie-ferhaft auch nach Ablauf der Pfachtjahre dieselbe alle übrige zum Hof gehörige Gebäude in völlig gutem untadelhaften Bau, ebenfalls auf seine eigenen Kosten.

2. Liefert derselbe jährlich zu unserer Gerolstei-nischen Rentmeisterei achtzehn Reichstaler halb Spelz, halb Hafer reiner markgiebiger Frucht Gerolsteiner Maße, mit dem Vorbehalt jedoch, daß im Fall eines totalen Mißwachses, Hagelschlags oder Kriegsverheerung auf frühzeitig geschehenes Anmelden und richtigen Befund mit ihme gnädige Einsehung wird getragen werden.

3. Erhält Pfächter diesen unseren Hof in gutem gewöhnlichen Bau und Besserung unverschlissen und u n verteilt beieinander.

4. Führt selber die dem Hof sowohl als dem Zehnten anklebenden Lasten aus dem Seinigen jährlich ab. Im Fall aber

5. Pfächter an Zahlung vermeldete Pfacht säumig gefunden würde, so dass ein Jahr das andere unbezahlt erreichte, so soll die Pfachtung aus und Wir befugt seyn, unseren Hof anderen zu verpfachten. Alles ohne Gefährde und Arglist

Zu Urkund dessen ist dieser Pfachtbrief von unserer Hofkammer ausgefertigt und besiegelt worden.

Geschehen zu Blankenheim, den 1. Mai 1785.« Die im Punkt 1 erwähnte Scheune sollte im weiteren Verlauf der Hofchronik noch eine Rolle spielen. Philipp Caspers teilte der Hofkammer

mit, dass die Scheune so baufällig und dem Umsturz nahe sei, so dass sich niemand mehr darin aufhalten könnte. Um dem Landesherrn nicht lästig zu sein, bot Caspers an, die Scheune selbst aufbauen zu lassen. Als Gegenleistung erwartete er eine Erbpacht des Hofes, damit er seine elf Kinder und seine 90 Jahre alten Schwiegereltern standesgemäß unterhalten könnte. Baumaterialien sollten während des Winters herangeschafft werden, damit im Frühjahr mit dem Neubau begonnen werden könnte. Somit würde der Ackerbau nicht behindert. Er bat um entsprechende Verfügung und um das Fällen des notwendigen Bauholzes. Die beiden Zimmerleute Egidius Vogelsberg und Johannes Gaßen aus Waldorf erhielten den Auftrag, die »Hofscheuer« zu besichtigen und einen Bericht anzufertigen, der wie folgt lautete:

"Die Scheuer laut vom 1. Februar überkommenen Überschlag ist 33 1/2 Schuhe (= ca. 10 Meter, d. Verf.) lang, in der Zimmerarbeit der äußersten Baufälligkeit unterworffen, so forth vier neue Sparren hinzustellen mit diesem Beding, daß der vierte Sparren über den Pferdestall außer oben abgezogenen Länge zu stehen kombt, um alles in eines Tach zu bekommen; das Holtz in dem angewiesenen Busche zu hauhen, beschlagen, schneiden, verfertigen und lieferhaft auf Besichtigung hinzustellen, dar noch stehen bleiben den Gedäche außer oben erwehnten District so auß ihre läge gewichen, sowie möglich auf ihre gehörige Platze zu bringen, den Giebel mit einem Walme zu versehen, eine neue Scheuerpfosten, wozu die Bordten zu schneiden fertig hinzustellen über längs auf dem Zimmermann seine Kost; oben specifizier-te Arbeit übernimbt Egidius Vogelsberg und Johannes Gaßen, beyde Zimmermeisteren von Waldorff.

Auf Ratification einer Hochgräflichen Regierung für 30 Reichsthaler und 39 Albus. Bierglen, den 6. Mertz 1785. Interessant ist auch die am gleichen Tag notierte Übersicht über die anderen auszuführenden Arbeiten an .der Scheune: »Maurer Arbeit

Funff ein Viertel Ruth Mauer neu hinzustellen, die stehengebliebene Mauren 8 Zoll erhoben, den Giebel am Hauß wieder gemelter Scheuer auszubeßern, die Löcher an der stehenbleibenden Mauren außzuflicken, die notwändig Mauerstein zu brechen überhaupt alles lieferhaft hinzustellen, übernimbt Johann Schneider von Lißendorff für 21 Reichstaler.

Dem Strohdecker das Gedäche zu decken 8 Reichstaler.

200 Dübelnägel per 100

ad 18 Albus 36Albus

Die Pfordt nun zu beschlagen

ad 2 Rtl. 39 Albus

2 Fuder Kalck per Fuder

ohne Fracht 8 Rtl.

Das Tach zu decken mit

Stroh 37 Rtl. 39 Albus

Maurerarbeit 21 Rtl. 30 Albus

Zimmerarbeit 33 Rtl. 39 Albus

Die Gesamtkosten beliefen sich auf 111 Reichstaler und 27 Albus.

Philipp Caspers starb am 3. Februar 1797. Zu dieser Zeit verwaltete ein Ratskollegium die Blankenheimer Besitzungen unter französischer Oberaufsicht. Doch auch der Pützfelder Hof wurde, wie so viele gräfliche und kirchliche Gebäude, von den Franzosen versteigert. (20. Juli 1804 für 446Taler).

1906 wurde das heutige "Haus Schütz« von den Eheleuten Johann und Anna Hoffmann gebaut, wobei der Grundriß des Hauses in etwa dem Schützenhof entsprechen dürfte.

Quellenangabe

Herzog von Croy'sches Archiv Dülmen, Archiv Manderscheid-Blankenheim

Nr. 8: "Kurtrierische  oder vielmehr Abtei Prüm'sche Lehen zu Birgeln

und Lehenroth betr. 17 Ff Jhdts. «