Hausbesetzer, Maurer und Staatengründer

- von Mauerbienen und ihren Verwandten -

Andrea Jakubzik, Köln

Sie sind Einmieter in leeren Schneckenhäusern, nutzen Mauerritzen als Nistsubstrat ebenso wie Schilfhalme oder Totholz, legen ihre Brutkammern im Erdboden oder unter Steinen an, sie leben solitär, bilden Staaten oder leben gar auf Kosten anderer. Die Rede ist von etwa 530 in Deutschland beheimateten Wildbienenarten, deren Verbreitungsschwerpunkt die Kulturlandschaft ist. Im Landkreis Daun sind aufgrund intensiver, langjähriger Untersuchungen bislang 168 Wildbienenarten nachgewiesen worden (HEMBACH & CÖLLN 1993). Aufgrund zunehmender Vernichtung ihrer Lebensräume ist eine ganze Reihe dieser Arten akut gefährdet. Ein Einblick in das Leben dieser faszinierenden Familie der Hautflügler soll deshalb mit diesem Artikel gegeben werden.

Mit dem Begriff »Biene« ist landläufig eine im wesentlichen durch die Honigbiene geprägte Vorstellung verknüpft. Während sich die Honigbiene, nicht zuletzt aufgrund ihres schmackhaften Produktes, allgemeiner Bekanntheit erfreut, sind die zumeist versteckt lebenden übrigen Bienenarten - von den Hummeln einmal abgesehen - vielen unbekannt. So mannigfaltig die entwickelten Lebensstrategien sind, so vielgestaltig sind auch die Erscheinungsformen der einzelnen Arten, deren Körpergroße von wenigen Millimetern bis fast drei Zentimeter messen kann. Pelzig behaarte Formen wie Hummeln oder Pelzbienen treten ebenso auf wie unbehaarte, die mit ihrer gelben oder gelbroten Zeichnung eher an Wespen erinnern. Kleine schwarze Vertreter gleichen mehr Ameisen als Bienen, andere sehen der Honigbiene zum Verwechseln ähnlich und werden aus diesem Grunde kaum beachtet. Das Unscheinbare entpuppt sich jedoch oft als höchst interessant, wenn man ihm nähere Aufmerksamkeit schenkt. So fliegt an der Zaunrübe, ein von vielen Gärtnern nicht sehr geschätztes Wildkraut, knapp einen Zentimeter große Sandbiene namens Andrena florea, die nahezu ihr ganzes Leben auf diese Pflanze abgestimmt hat. Sie ist Rendevouzplatz für die Geschlechter, versorgt die erwachsenen Bienen mit Nektar, den sie gewissermaßen als »Flugbenzin« benötigen, und hier sammeln später auch die Weibchen Nektar und Pollen, aus denen sie das "Bienenbrot« zur Verproviantierung ihrer Nachkommen verfertigen. Als Gegenleistung wird diese Pflanze von den Tieren bestäubt. Dieses Beispiel verdeutlicht Grundzüge der Biologie solitärer Bienen, die im folgenden, bei der Beschreibung bemerkenswerter Sonderanpassungen als Orientierung dienen sollen.

Liebeswerben

Das Liebeswerben ist bei den Männchen verschiedener Bienenarten von unterschiedlicher Komplexität. Während bei Andrena florea die Begattungen en passant auf der Pflanze erfolgt, treiben die Männchen der gelb gezeichneten Wollbiene Anthidium manicatum erheblichen Aufwand, indem sie einen mehr oder weniger großen Bereich blühender Pflanzen als Revier besetzen. Dieses verteidigen sie gegen B l Uten besuche r aller Art. Sie attackieren nicht nur konkurrierende Männchen, sondern auch artfremde Eindringlinge wie die Honigbiene und rammen sie mit ihrem dornen bewehrte n Hinterleib zu Tode. Offenbar steht dieses Verhalten mit den Nahrungsressourcen in enger Verbindung; in einem Revier, das verteidigt wird, enthalten Blüten insgesamt ein reichhaltigeres Angebot an Nektar als in einem weniger verteidigten (WIRTZ 1992). Ein Männchen kann durch das Vertreiben von Nahrungskonkurrenten seiner potentiellen Partnerin ein reichhaltiges Nahrungsangebot zur Verfügung stellen. Der Fortpflanzungserfolg und damit die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe eigener Gene

Nestanlage der Zweifarbigen Mauerbiene Osmia bicolorin einer Hainschnirkelschnecke.

(Foto: Klaus Cölln, Gönnersdorf)

wird durch diese Strategie erhöht. Nach der Devise »Der Zweck heiligt die Mittel« kommen andere, zumeist kleinere Männchen der gleichen Art mit weniger Aufwand zum gleichen Ziel. Diese »Satellitenmännchen« lauern in den unteren Pflanzenschichten der Reviere auf ihre Chance. Sobald der »Herr im Haus« kurz das Revier verlässt, steigen sie zu den Blüten auf und versuchen, die Weibchen zu begatten.

Statt Nektar Öl

Entscheidend für einen Bruterfolg sind insbesondere die Nahrungsquellen, die, wie bei vielen Arten, entweder die Blüten zahlreicher Pflanzenfamilien umfassen können oder, wie im Falle von Andrena florea, auf wenige Pflanzenarten beschränkt sind. Dies trifft auch für die Schenkelbienen (Macropis) zu, deren Larven außergewöhnliche Nahrungsansprüche haben: Sie benötigen ein Gemisch aus Pollen und Blumenöl, das die Weibchen ausschließlich an Ölblumen der Gattung Lysimachia (Gilbweiderich) eintragen. Diese liefern jedoch keinen Nektar, so dass die erwachsenen Tiere zur Eigenversorgung andere Pflanzenquellen anfliegen müssen. Die Schenkelbienen sind die einzigen einheimischen Wildbienenarten, deren Larven sich auch von Blumenöl ernähren.

Irdener Gang oder schmuckes Schneckenhaus

Ein ausreichendes und artspezifisches Blütenangebot ist nur eine von mehreren Lebensgrundlagen, die Bienen in mehr oder weniger enger Nachbarschaft vorfinden müssen, um sich erfolgreich fortpflanzen zu können. Zu diesen Requisiten zählen darüber hinaus geeignete Nistplätze sowie bei vielen Arten zusätzliches Material für den Nestbau. Andrena florea braucht zur Nestanlage lediglich schütter bewachsene Bodenbereiche, wo sie ihre Brutzellen in bis zu 10 cm tiefen Röhren unterbringt. Die einzelnen Brutzellen werden mit Pollen befüllt, auf die jeweils ein Ei abgelegt wird. Die alsbald schlüpfenden Larven verzehren diese Nahrung und spinnen am Ende ihrer Wachstumsphase einen Kokon, in dem sie sich verpuppen. Andere Sandbienen haben sich auf Feinsande spezialisiert, in dem sie ihr Nest anlegen.

Ganz anders sind die Ansprüche der weit verbreiteten und extrem anpassungsfähigen Roten Mauerbiene Osmia rufa, die ihre Nester oberirdisch in verschiedensten Hohlräumen anlegt, in hohlen Pflanzenstengeln, in den Fraßgängen Totholz bewohnender Käfer oder auch in Nislhilfen. Osmia rufa, deren Weibchen auf dem Kopfschild zwei kleine Homer tragen, tritt bereits Anfang April auf. Zur Abgrenzung ihrer Zellen und zum Verschluß der Nestanlagen benötigt sie Lehm als zusätzliches Baumaterial, das. sie in der Nähe ihres Nestes vorfinden muss.

Die Weibchen von Anthidium manicatum benötigen zum Auskleiden ihrer Kinderstube abgeschabte Pflanze n wolle, zum Beispiel von Salbei oder Königskerze. Diese transportieren sie, zu einer Kugel zusammengerollt, zwischen Kopf und Vorderbeinen ... zu ihren Wohnstätten in verschiedenen Hohlräumen wie Mauerritzen oder Erdlöchern. Vor dem Nest, das zumeist aus mehreren Zellen besteht, werden Erdbröckchen, Steinchen oder Halmteile angehäuft.

Auf den Trockenrasen des Kreises Daun lebt in großer Zahl die Zweifarbige Mauerbiene Osmia bicolor, die hinsichtlich des Nestbaues ganz ungewöhnliche Ansprüche entwickelt hat. Sie baut nämlich ihre Nester in leere Gehäuse der Hain-Schnirkelschnecke oder der Weinbergschnecke, wobei sie eine Abfolge komplexer Verhaltensweisen offenbart, die alle im Dienste der Nachkommen stehen. Die kleine Biene dreht dieses in eine Position, bei der sie ins Innere gelangen kann. Aus kleinen Blattstücken wird unter Zugabe von Speichel "Pflanzenzement« hergestellt, mit dem sie die Oberfläche des Gehäuses markiert. Es folgen Sammelflüge, Eiablage und schließlich der Bau der Abschlusswand, wiederum aus Pflanzenzement sowie kleinen Steinchen oder ähnlichen Füllmaterialien. Nach Fertigstellung des Nestes dreht Osmia bicolor das Schneckenhaus solange, bis dessen Mündung dicht auf der Bodenoberfläche aufliegt. Eine perfekte Tarnung, bestehend aus Kiefernadeln und trockenen Grashalmen, die in mehreren hundert Anflügen herbeigetragen werden, lässt schließlich die Brutstätte vollkommen unsichtbar zurück. Für die Anlage einer einzigen Brutzelle benötigt Osmia bicolor im Durchschnitt zwei Tage, eine sehr hohe Investition für jeweils einen Nachkommen. Doch offenbar werden die Nester nur selten von Parasiten aufgespürt, so dass die geringe Fortpflanzungsrate wieder ausgeglichen wird. Die Bienen sind bereits gegen Ende des Sommers fertig entwickelt, bleiben jedoch bis zum nächsten Frühjahr im Nest.

Kuckucke, die nicht rufen

Auch die perfekteste Tarnung schützt nicht vor Feinden; nicht nur verschiedene Hautflügler wie Schlupf-, Gold- und Erzwespen, sondern auch Käfer, Fliegen, Vögel und Säugetiere intervenieren in das Leben der Wildbienen. Sogar aus den eigenen Reihen treten Bienen in Erscheinung, die selbst kein Nest errichten, sondern ihr Ei während der Verproviantierungsphase in die Brutzelle ihres Wirtes einschmuggeln. Etwa ein Viertel der einheimischen Wildbienenarten verfolgt diese Strategie. Einige dieser "Kuckucksbienen« sind streng an eine Wirtsart gebunden, wie die im Kreis Daun vertretene Wespenbiene Nomada obscura. Sie erinnert durch ihre gelb-rote Färbung mehr an eine Wespe und befällt die Sandbiene Andrena ruficrus.

Andere Kuckucksbienen sind weniger spezialisiert und vermögen eine Reihe von Arten als Wirt zu nutzen. Die auf dem Hinterleib weiß befilzte Kegelbiene Coelioxys quadridentata beispielsweise, die in einem Steinbruch bei Gönnersdorf vorkam, kann als Wirt offenbar Arten aus drei Gattungen nutzen, nämlich Vertreter der Sand-, Blattschneide- und Harzbienen. Die aus dem Ei schlüpfende Larve saugt das Wirtsei aus oder tötet die Wirtslarve, um sich anschließend über den eingetragenen Pollenvorrat herzumachen. Die erwachsenen Tiere hingegen ernähren sich ausschließlich von Pollen und Nektar.

Söhne betreiben Inzucht mit der Mutter

Aus den Reihen der Erzwespen (Chalcididae) werden die Wildbienen von der winzigen Melittobia acasta bedroht, die ein weites Wirtsspektrum besitzt und einen außergewöhnlichen Lebenszyklus vollführt. Unbegattete Weibchen suchen die sich in den Zellen entwickelnden Wirte auf und belegen sie zunächst mit einer kleinen Anzahl von Eiern, aus denen sich ausschließlich Söhne entwickeln. Diese paaren sich anschließend mit der Mutter. Das begattete Weibchen legt sodann eine große Zahl von Eiern, aus denen sich jetzt allerdings nur Töchter entwickeln. In den Bauten nagen sich die Mütter dabei mit ihren kräftigen Mundwerkzeugen durch die Trennwände der Zellen und können somit ganze Mastanlagen befallen.

Eiabwurf im Fluge: Hummelschweber

Auch unter den Fliegen haben sich in verschiedenen Familien Spezialisten herausgebildet, die es auf das Leben der Wildbienen abgesehen haben. Eine dieser Familien repräsentieren die Hummelschweber, kleine bis mittelgroße, sehr gewandte Flieger, von denen einige Vertreter durch ihr pelziges Aussehen an Hummeln erinnern.

Die Weibchen einiger Arten zeigen ein bemerkenswertes Verhalten bei der Eiablage. Nach der Paarung werfen sie im Schwebeflug über Kolonien erdnistender Wildbienen ihre Eier aus etwa 30 cm Höhe ab. Vorher nehmen sie auf dem Erdboden sitzend mit dem Hinterleibsende in eine dort befindliche Tasche feinen Sand auf. Bei der Eiablage müssen die Eier diese Tasche passieren, wobei der Sand aufgrund der klebrigen Oberfläche der Eier an diesen haften bleibt. Der Sinn dieser Verhaltensweise ist noch nicht geklärt, möglicherweise schützt die Ummantelung die Eier vor Feinden. Die auf dem Boden schlüpfenden, sehr beweglichen Larven suchen aktiv die Brutzelle ihres Wirts auf, um dann sowohl Bienenbrot als auch die Wirtslarve zu verzehren. Das letzte Larvenstadium mancher Arten überwintert außerhalb des Wirtsnestes in der Erde, das anderer Arten auch im Nest der Biene.

Schutzmaßnahmen für die Wildbienen

Eine Reihe von Lebensräumen, in denen Wildbienen mit ihren spezifischen Ansprüchen leben, ist in ihrer Existenz bedroht. Hierzu zählen Trockenrasen, Sandgruben, Feldraine, Trockenhänge und Hohlwege, die immer mehr pflegerischen Gestaltungen der Landschaft anheirn fallen. Schutzmaßnahmen für Wildbienen sollten deshalb insbesondere auf den Erhalt solcher Strukturen abzielen oder aber auf die Schaffung von Ersatzlebensräumen. Im Landkreis Daun käme hier zum Beispiel dem Erhalt alter Steinbrüche und Lavagruben große Bedeutung zu. Aber auch Privatinitiativen können viel bewirken (JAKUBZIK 1996), zum Beispiel durch reich strukturierte Gärten, in denen Wildbienen nicht nur Nistsubstrat vorfinden, sondern auch ein reichhaltiges Blütenangebot. Durch Nisthilfen für Holznister, für die es einfache Bauanleitungen gibt, kann auch auf geringem Raum das Nistangebot für Wildbienen optimiert werden.

Literatur

Bellmann, H. (1995) Bienen, Wespen, Ameisen. - Kosmos Naturfrührer, Stuttgart

Bellmann, H. (1997) Bienen in Schneckenhäusern. -  Biologie in unserer Zeit 27 (2), 106-113

Dorn, M. & Weber, D. (1988) Die Luzerne- Blattscheidebiene und ihre Verwandten in Mitteleuropa. Die neue Brehm-Bücherei 582, Wittenberg, Lutherstadt

Günther K. et al. (1994) Urania - Tierrecih: Insekten. - Jena.

Hembach J. & Cölln, K. (1993) Die Wildbienen (Hymenoptera, Apidae) von Gönnersdorf (Kr. Daun). Beiträge zur Insektenfauna der Eifeldörfer X. - Dendrocopos 20, 170-199

Hintermeier, H. & Hintermeier, M. (1994) Bienen, Hummeln, Wespen im Garten und in der Landschaft. - München

Jakubzik, A. (1996) Weg- und Grabwespen von Köln (Hymenoptera, Aculeata: Pompilidae et Sphecidae). - Decheniana- Beihefte 25, 241-272

Schwarz, M., Gusenleiter, F., Westrich, P. & Dathe, H. H. (1996) Katalog der Bienen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz (hymenoptera, Apidae). Entomofauna, Supplement 8, 389 S., Ansfelden

Westrich, P. (1989) Die Wildbienen Baden-Württembergs. -  Stuttgart

Wirtz, P. (1992) Territorialverhalten der Wollbiene. - Spektrum 8, 70-76.