Vom Alltag unserer Vorfahren

Therese Schneider, Brockscheid

Unser jetzt so schönes und beliebtes Eifelland war in früheren Zeiten ein recht armes Land. Heute noch wird es von Spöttern - sehr zu Unrecht - "Rheinisches Sibirien« genannt. Viele Bewohner wanderten aufgrund von Armut und Not nach Amerika aus. Es gibt noch mündliche Überlieferungen aus dem vorigen Jahrhundert, die Aufschluss geben über das kärgliche Leben der Eifelbewohner. Die Kinderzahl war in fast allen Familien hoch, und es lebten mehrere Generationen unter einem Dach. Die braven Leute kannten es nicht anders und waren zufrieden. Gemeinsam erarbeiteten sie den Lebensunterhalt. Einer half dem anderen und sogar die Großeltern arbeiteten noch mit, soweit es ihre Kräfte erlaubten. Wie sich die Leute ernährten, erscheint uns heute wunderlich. Die Nahrung wurde meistenteils im eigenen Feld, Garten und Stall gewonnen. Große Viehzucht konnte niemand betreiben, dazu fehlte es an vielem, vor allem an Ländereien und Geld. Trotz aller Mühseligkeit gab es aber auch Leute, die mit »Kopf und Hand« etwas mehr zuwege brachten. Sie zimmerten zum Beispiel Gegenstände für die Einrichtung ihrer winzigen Kammern, aus grobem Holz. Aus Schafswolle und Leinen, selbst gesponnen und gewebt, wurde Bekleidung hergestellt, vielfach selbst von Hand genäht. Fast immer gab es auch Unverheiratete in einer Großfamilie, sei es eine Tante oder ein Onkel. Und gerade diese zeigten viel Familiensinn, sie waren die guten Geister in den kinderreichen Häusern. Meist waren sie auch Patentante oder Patenonkel. Aber nicht nur die Patenkinder nannten sie »Jett" oder »Paat«, sondern auch die anderen Kinder, und in der Nachbarschaft wurden sie oft - unter Zusatz des Hausnamens - so genannt. Durch ihren selbstlosen Einsatz waren sie sehr beliebt und geachtet. Für sie traf das Sprichwort zu: »Einem geduldigen Pferd kann man viel aufladen." Eigentlich führten sie ein Schattendasein, taten aber bereitwillig ihre Pflicht in der großen Familie. Und wenn sich wieder ein Kindlein anmeldete, was in der Regel 15-18 Monate nach der letzten Geburt vorkam, war es oft die gute Tante, die alles für die Ankunft des kleinen Erdenbürgers vorbereitete, um die schwangere Schwester oder Schwägerin zu entlasten. Auch übernahm die Tante während des Wochenbettes der Hausfrau den gesamten Haushalt und die Betreuung der Kinder, wobei die Großmutter noch etwas Hilfe leistete. Wenn es nun soweit war, zündete sie am Hausaltar vor dem Muttergottesbild eine Kerze an und betete für die in den Wehen liegende Mutter. War alles glücklich überstanden, brachte die Großmutter der Geschwächten das stärkende Süppchen. Diese Suppe bestand aus in dünne Scheibchen geschnittenem Brot, das mit heißem Wasser übergössen und mit ein paar Körnchen Salz gewürzt war. Man ließ das Brot einige Minuten weichen und goss kurz vor dem Verzehr eine halbe Tasse süße oder saure Sahne darüber. Die Suppe war durstlöschend, kräftigend und sehr schmackhaft. So hatte sie auch den Namen »Kindbett-Süppchen«. Normalerweise wurde selten bei der Zubereitung von Speisen Sahne verwendet, sie musste gespart werden zur Butterherstellung. Butter ersetzte oft das Bargeld für dringende Anschaffungen, zum Beispiel einer Sense, einer Mistgabel oder einer Gartenhacke. Trotz aller Plage lebten die Leute im allgemeinen friedlich miteinander. Oftmals gab es schwere Schicksale, woran die Menschen nicht zerbrachen. Nicht wenige verhielten sich heldenhaft. Dabei schöpften sie aus ihrer Gottgläubigkeit Kraft. Im allgemeinen erreichten die Leute kein hohes Lebensalter. All zu oft geschah es, dass eine Frau viel zu früh verstarb und ihre Kinder als Halbwaisen hinterließ. Und dann war es wieder die Tante, die sich der armen Kinder annahm und ihnen die Mutter ersetzte. Aber auch weniger tragische Vorkommnisse wurden erzählt. So wurde berichtet, dass eine Familie zehn Kinder hatte; sechs davon waren Buben.

Es war nicht möglich, sie alle in Schlafstuben unterzubringen, darum hatte man für die Buben auf dem Speicher ein Strohlager hergerichtet, wo sie dicht nebeneinander schliefen. Wenn die Mutter im Winter die Burschen morgens aufweckte, fegte sie zunächst mit einem Reisigbesen von den Schlafenden den Schnee, der über Nacht durch das schadhafte Dach hereingeweht war.

Viele Liedermacher und Gedichteschreiber drückten in ihren Werken über die Eifel große Bewunderung aus, so auch die verstorbenen Heimatschriftsteller Paul Böthig aus Schalkenmehren und Klaus Mark aus Brockscheid. Beide ließen einige ihrer Gedichte von Bertram Hoffmann dem früheren langjährigen Brockscheider Lehrer und Kirchenchorleiter, vertonen. Ältere Leute kennen sie noch.