Der Bummerang

Lotte Schahacker t

Telefon! Ich ergriff den Hörer und rief freudig »Hallo«, denn ich erwartete einen verabredeten Anruf. Aber die etwas schrille Stimme, die an mein Ohr drang, war mir fremd. »Ja wer ist denn hier wohl?» Arn liebsten hätte ich zurückgeblafft, dass man mir das sicher gleich mitteilen würde. Aber ich gelte als eher vorsichtiger Mensch, und da auch ein schlechter Ruf verpflichtet, begann ich zu überlegen. Im Eiltempo. Meine Gedanken drehten sich wie ein Kaleidoskop. Zu welchem der vielen Gesichter, die ich mehr oder weniger kannte, gehörte diese Stimme? Und wann hatte ich sie zuletzt gehört? Vor einem Jahr? Vor dreien? Und wo? Vielleicht überhaupt noch nicht am Telefon? Ein Kichern am anderen Ende des Drahtes, das mich noch mehr verwirrte. Nein, ich konnte mich an niemanden entsinnen, der so kindisch gackerte. Dann wieder die Stimme: -Ja wer mag denn hier wohl sein?» Leiser diesmal und mit Absicht (die merkte man heraus) etwas verstellt.

Mein Puls wurde schneller; unter der Nase hatte ich inzwischen ein paar Schweißtröpfchen sitzen.

Schließlich kam das Kaleidoskop so in Fahrt, dass die Fliehkraft die meisten Gesichter in den Kosmos beförderte. Übrig blieben in meinem Kopf ein paar Alberne, die sich von ihrer Pubertät nicht trennen konnten, ein paar Eingebildete, die ihre Stimme für so eindrucksvoll hielten, dass jeder sie auch nach Jahren noch wiedererkennen musste, und die Gruppe der Tückischen, die auf diese Weise mein Erinnerungsvermögen testen wollten. Ja, es war wohl eine der letzteren, denn das wiederholte Kichern klang immer hämischer. Schließlich mit meinem Seufzer, der wohl Hoffnungslosigkeit ausdrücken sollte: »Aber ich bin doch Frau Soundso!«

Der Name war mir ebenfalls unbekannt und der Tonfall machte mich nun endgültig zum Deppen.

Es stellte sich dann heraus, dass Frau Soundso falsch verbunden war. Sie entschuldigte sich nicht, sondern gab nur ihrem großen Erstaunen Ausdruck, dass ausgerechnet ihr so etwas passieren konnte.

Wie gut, dass die nicht zu meinem Bekanntenkreis gehört, dachte ich. Dass ich es nicht fertig brachte, ihr das auch zu sagen, ärgerte mich einen Moment. Und dann kam mir eine Idee; ich tröstete sie. So etwas passiere heute öfter. Wie denn ihre Nummer sei? Ob sie etwa aus dem Ausland anriefe oder aus der ehemaligen DDR? Da könne man die sonderbarsten Pleiten erleben.

Sie fiel auf den Trick herein, nannte die Zahlen klar und deutlich, zum Mitschreiben geeignet. »Also aus Bonn!» betonte sie stolz. Ich wartete einige Tage. Dann wählte ich diese Nummer, erkannte auch die schrille Stimme. »Ja wer ist denn hier wohl?« fragte ich. Schweigen. Ich hörte quasi überlegen. Im Eiltempo...