Aktion

Formen und Gießen mit Zinn im Eisenmuseum Jünkerath

Erwin Holzer, Feusdorf

Jeder »Museumsmann« kann bestätigen, dass es nicht immer leicht ist, die Besucher ins Museum zu locken. Allzu viele Menschen haben Vorbehalte, weil sie in einem Museum nur »hohe« (und damit für »normale Leute« langweilige und unverständliche) Kultur erwarten. Ins Museum zu gehen, so lernt man häufig schon in der Schule, ist eine anstrengende Pflichtübung, die mit bitterem Ernst zelebriert werden muss und auf keinen Fall Spaß machen darf. Um diese Schwelle zu überwinden und den Menschen die antrainierte Berührungsangst gegenüber Kultur und Museen zu nehmen, muss gerade ein Museum auf dem flachen Lande wie das Eisenmuseum Jünkerath neue Wege gehen. Seit etwa anderthalb Jahren wird deshalb im Eisenmuseum Jünkerath in der Ferienzeit etwas Besonderes geboten: Mit der Aktion »Formen und Gießen« wird das Museum »lebendig«. Die Aktion wurde erstmals im Jahre 1996 im Rahmen einer Pressefahrt vor einer Gruppe deutscher und niederländischer Reisejournalisten präsentiert und zwar mit so gutem Erfolg, dass sie seitdem unter der Regie des Verkehrsvereins Oberes Kylltal zum regelmäßigen Bestandteil des Freizeitangebotes in den Sommer- und Herbstferien und auch den Weihnachtstagen geworden ist.

Dabei hört es sich zunächst sogar etwas merkwürdig an: Zinngießen in einem Eisenmuseum. Beide Metalle, das Eisen und das Zinn, haben aber durchaus einiges gemeinsam. Mit einer kurzen Einführung in die Eigenschaften beider Metalle beginnt dann auch die Vorführung: Zinn ist genau wie das Eisen ein Schwermetall. Beide haben das gleiche spezifische Gewicht, nämlich 7,5. Auch Zinn kann wie Eisen »rosten«. Wird das Zinn kühl und feucht gelagert, zerfällt es zu einem grauen Pulver, dem sogenannten Grauzinn. Beim Zinn nennt man diesen Vorgang auch »Zinnfraß« oder »Zinnpest«. Auf Erstaunen bei den Museumsbesuchern stößt oft eine andere interessante Eigenschaft des Zinns: Wenn man eine Zinnstange hin und her biegt, dann gibt sie ein deutlich hörbares Geräusch von sich, den sogenannten Zinnschrei. Sowohl Zinn als auch Eisen kann man gut zum Gießen verwenden, wobei das Gießen mit Eisen, wie noch zu erwähnen sein wird, anspruchsvoller und aufwendiger ist. Beide Metalle werden bereits seit der Antike von den Menschen genutzt, um daraus Gebrauchsgegenstände herzustellen. Während das Eisen aber häufig als ungöttlich verachtet und nicht zu Kultzwecken verwendet wurde, war dies beim Zinn anders. Zinnlegierungen wurden gerne zur Herstellung von Gefäßen für religiöse Handlungen eingesetzt. Eine Legierung aus Zinn und Kupfer, die Bronze, hat sogar einer ganzen Epoche, der »Bronzezeit«, ihren Namen gegeben und wird auch heute noch gerne zur Herstellung von Plastiken und anderen Kunstgegenständen verwendet. Im Mittelalter nannte man das Zinn auch »Bürgersilber« oder

»Bürgerkupfer«, weil Zinngeschirr im bürgerlichen Haushalt das an Adelshöfen übliche Geschirr aus edleren Metallen ersetzen musste. Diese Einschätzung änderte sich allerdings, als im 16. und 17. Jahrhundert die Kunst des Zinngießens ihren Höhepunkt erreichte. In dieser Zeit entstanden teilweise sehr aufwendige und pompöse Gegenstände aus Zinn, die auch an den Adelshöfen beliebt waren. Schön verzierte Kannen oder Löffel aus Zinn waren der Stolz jeden Haushalts. Im 18. Jahrhundert wurden dann die ersten Zinnfiguren für Sammlerzwecke gegossen. Beliebt war es unter anderem, ganze Schlachten mit bunt bemalten Zinnfiguren nachzustellen, die man heute noch in verschiedenen Ausstellungen sehen kann. Zinn wird aber natürlich nicht nur für die Herstellung von Dekorations- und Sammelstücken verwendet, sondern findet auch vielfältige Anwendungen in der Industrie. Das Zinn wird unter anderem zur Herstellung von Weißmetall, Stanniol, Lötzinn und in zahlreichen anderen Legierungen verwendet. Dabei kann es auch eine Verbindung mit dem Eisen eingehen: Zugaben von Zinn beim Gießen von Eisen machen das Gefüge des Eisenmaterials gleichmäßiger.

Zinn unterscheidet sich vom Eisen aber insbesondere durch einen wesentlich niedrigeren Schmelzpunkt. Es schmilzt schon bei 232 Grad Celsius, während Eisen erst bei l 535 Grad flüssig wird. Zinn ist deshalb besser als Eisen, das große und aufwendige Schmelzöfen erfordert, auch für eine Gießvorführung in einem Museum geeignet. Viele Techniken des Formens und Gießens mit Zinn sind dabei ganz ähnlich wie beim Eisen. Hauptteil der Vorführung ist deshalb das praktische Formen und Gießen mit Zinn. Benutzt wird dabei Reinzinn (also ohne Beigabe von Blei). Durch den niedrigen Schmelzpunkt und die guten Gießeigenschaften des Zinns lässt sich sehr gut anschaulich machen, wie der Werkstoff in verschiedenen Arbeitsschritten in den gewünschten Gegenstand umgewandelt wird. Das Metall wird durch Schmelzen in einem kleinen Elektroofen zunächst flüssig und formlos. Es erhält seine spätere feste Gestalt durch die Form, die das flüssige Gießmetall aufnimmt und erstarren lässt. Der Gießer zwingt also das Gießmetall mit Hilfe einer vorgefertigten Form, eine bestimmte Gestalt anzunehmen.

Die Formen kann man aus Formsand herstellen, aber auch aus Stein, Metall oder Kautschuk. Die Vorführung bietet alle Varianten. Gegossen werden unter anderem die bereits oben angesprochenen Zinnsoldaten, Medaillen, Tierfiguren und auch kleine Zinnteller. Da sie meist noch etwas matt und mit kleinen Unregelmäßigkeiten aus der Form kommen, wird gezeigt, wie man sie nach bearbeiten kann, damit sie schön präsentiert werden können. Nicht nur die kleinen Zuschauer bekommen große Augen, wenn sie im Laufe der Vorführung hautnah mitbekommen können, wie aus dem unscheinbaren Rohzinn in verschiedenen Stufen silbrig glänzende Kostbarkeiten entstehen. Häufig mögen sie sich dann gar nicht mehr vom Gießtisch trennen. Zum Abschluss der Vorführung wird dann noch der alte Brauch des Gießens von flüssigem Zinn in Wasser gezeigt. Dabei entstehen bizarre Formen, die anschaulich werden lassen, warum diese Variante des Zinngießens früher häufig am Silvesterabend zum Wahrsagen der Ereignisse des kommenden Jahres benutzt wurde.

In den letzten anderthalb Jahren haben fast 2 000 Besucher diese Vorführungen miterlebt, die wahrscheinlich sonst den Weg ins Museum nicht gefunden hätten. Die Aktion »Lebendiges Museum« hat sich gelohnt!