Anno 1314 - König Ludwig der Bayer in Bewingen und Feusdorf

Heinz Schmitt, Trier

Wohl kaum in den vergangenen fast 700 Jahren haben Bewingen und Feusdorf noch einmal so prominente Gäste gesehen wie in jenen denkwürdigen Novembertagen des Jahres 1314, den frisch gewählten deutschen König Ludwig den Bayern und in seiner Begleitung den berühmten Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg. Zwei in Bewingen und Feusdorf ausgestellte Urkunden geben uns Kenntnis vom Zug der beiden Fürsten durch die Eifel nach Aachen, wo Ludwig am 25. November zum deutschen König gekrönt werden sollte. Beide für die Ortsgeschichte von Bewingen und Feusdorf so wichtigen Urkunden sind erst Ende des vorigen Jahrhunderts von dem Historiker Jacob Schwalm wiederentdeckt worden. Über ihre genaue Datierung wird später noch zu sprechen sein. Zum Verständnis von Inhalt und Anlass besagter Urkunden einige Vorbemerkungen:

Am 24. August 1313 war Kaiser Heinrich VII., der Bruder Erzbischof Balduins, auf seinem Italienzug plötzlich gestorben und so musste ein Nachfolger für den Kaiser gefunden werden. Seit 1257 hatten die sieben Kurfürsten das ausschließliche Recht der Königswahl inne. Dieses Recht war aber eigentlich nur ein Gewohnheitsrecht und noch nicht staatsrechtlich verbindlich geregelt. Dies sollte erst in der sogenannten »Goldenen Bulle« im Jahre 1356 geschehen. Dennoch war es bei den bisher durchgeführten Wahlen stets gelungen, sich seitens der Kurfürsten einmütig auf einen Kandidaten zu verständigen. Bei der nun anstehenden Wahl sollte dies erstmals nicht gelingen, und es kam schließlich zu der bekannten und für das deutsche Wahlkönigstum so beschämenden Doppelwahl des Jahres 1314. Kaiser Heinrichs VII. Vorgänger Albrecht und Rudolf stammten aus dem österreichischen Hause Habsburg, während er selbst dem Hause der Luxemburger entsprossen war. Nach seinem Tod versuchten nun beide Dynastien, in die Nachfolge Heinrichs zu gelangen. Die Habsburger hofften dadurch, ihre frühere Vormachtstellung in Böhmen wiederzuerlangen, doch genau dies suchten die Luxemburger, die Böhmen seit 1310 als ihr Erbland betrachteten, zu verhindern. So bildeten sich alsbald zwei Parteien; eine habsburgische und eine luxemburgische.

Die Habsburger brachten als ihren Kandidaten den Sohn König Albrechts, Friedrich v. Österreich, der später den Beinamen der Schöne erhielt, ins Spiel, während die Luxemburger zunächst hofften, König Johann v. Böhmen, den Sohn Heinrichs VII., als legitimen Nachfolger seines Vaters durchzubringen. Beide Gruppierungen warben in der Folgezeit in eifrigen Verhandlungen für ihren Thronbewerber um Bundesgenossen und Kurstimmen. Im Frühjahr 1314 aber mussten die Luxemburger, deren Wortführer Erzbischof Balduin v. Trier und Erzbischof Peter v. Aspelt v. Mainz waren, erkennen, dass sie für ihren Kandidaten Johann keine Mehrheit, geschweige denn einstimmige Zustimmung im Kurkollegium erwarten konnten. Überdies wäre ihnen die böhmische Kurstimme bei Johanns eigener Kandidatur verloren gegangen. So wechselte man im Sommer 1314 kurzentschlossen den Kandidaten und stellte als neuen Thronbewerber den jungen Herzog Ludwig den Bayer aus dem Hause Wittelsbach vor, der sich trotz seiner Jugend bereits beachtlichen Kriegsruhm erworben hatte, was seine Akzeptanz zweifellos erhöhte. Inzwischen murrte das Volk schon vernehmlich über die lange Thronvakanz und man geriet allmählich unter Zeitdruck. So trafen sich Anfang Juni 1314 die Kurfürsten oder ihre Vertreter in Rhens am Rhein, konnten sich aber wiederum auf keinen gemeinsamen Bewerber einigen. Immerhin setzte man den Wahltag auf den 19. Oktober fest. In den folgenden Wochen zeichnete sich immer deutlicher ab, dass es zu einer Doppelwahl kommen würde, da keines der beiden Lager von seinem Bewerber lassen wollte.

Noch verwickelter machte die ganze Angelegenheit, dass nicht einmal Klarheit darüber bestand, wer eigentlich wahlberechtigt war. Die böhmische und die sächsische Kurstimme waren nämlich strittig. Die böhmische beanspruchte König Johann gegen den 1310 aus Böhmen vertriebenen Herzog Heinrich v. Kärnten, der sich jedoch weiterhin als böhmischer König betrachtete. Um die sächsische stritten die beiden Erblinien Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wittenberg. Nie zuvor war die Selbstsucht und Habgier der Kurfürsten so deutlich zutage getreten wie im Vorfeld der anstehenden Wahl. Beide Kandidaten mussten den ihnen zuneigenden Fürsten Schenkungen, Verpfändungen und erhebliche Geldsummen, die sogenannten Kapitulationen, für den Fall ihrer Wahl versprechen. Die unrühmlichste Rolle spielte hierbei zweifelsohne Markgraf Waldemar v. Brandenburg, der letztendlich dem Meistbietenden seine Stimme verkaufte, in diesem Falle Ludwig v. Bayern. Aber auch die drei geistlichen Kurfürsten ließen sich ihre Wahlzusagen wahrhaft fürstlich honorieren.

Nicht einmal sie waren sich einig über einen Kandidaten. Balduin v. Trier und Peter v. Mainz standen auf selten des Wittelbachers Ludwig, während ihr Kölner Amtskollege Erzbischof Heinrich v. Virneburg zu dem Habsburger Friedrich hielt. Allein schon, weil er damals mit Balduin in Fehde lag. Die Uneinigkeit reichte sogar in einzelne Familien hinein. So gab später Pfalzgraf Rudolf nicht etwa seinem Bruder Ludwig seine Stimme, sondern dessen Konkurrenten Friedrich. Ebenso unterstützten beispielsweise die Grafen Johann und Heinrich v. Sponheim-Starkenburg die Kandidatur Ludwigs, während ihre Vettern Johann und Simon v. Sponheim-Kreuznach treue Gefolgsleute Friedrichs waren.

So kam der Tag der Wahl heran und beide Thronbewerber zogen mit ihrem Anhang nach der alten Wahlstadt Frankfurt. Ludwig schlug sein Lager am Frankfurter Mainufer auf und befand sich damit in der strategisch günstigeren Lage, während Friedrich sich auf der gegenüberliegenden Seite bei Sachsenhausen niederließ. Ludwig hatte an seiner Seite Erzbischof Balduin v. Trier, Erzbischof Peter v. Mainz, König Johann v. Böhmen, Markgraf Waldemar v. Brandenburg und Herzog Johann den Älteren v. Sachsen-Lauenberg, während in Friedrichs Lager nur Pfalzgraf Rudolf, Heinrich v. Kärnten und Rudolf v. Sachsen-Wittenberg waren. Erzbischof Heinrich v. Köln ließ sich nämlich vom Pfalzgrafen vertreten, weil er nicht gewagt hatte, durch Trier und Mainzer Gebiet nach Frankfurt zu ziehen. Zum letzten Mal versuchten die Anhänger Ludwigs, eine Doppelwahl zu verhindern, indem Erzbischof Peter v. Mainz kraft seines Amtes als Erzkanzler des Reiches, die Wahl auf den 20. Oktober verschob. Man gab vor, damit dem Kölner Erzbischof doch noch die Anreise zu ermöglichen, aber in Wirklichkeit hoffte man, dass angesichts der Kräfteverhältnisse die Gegenpartei doch noch nachgeben würde.

Diese wählte aber unbeirrt am vorgesehenen Tag, dem 19. Oktober, Friedrich den Schönen zum König. Am folgenden Tag wurde dann auch Ludwig von seinem Anhang gewählt. Ludwig hatte sicherlich die gewichtigeren Stimmen und deren Mehrzahl für sich verbuchen können, was wohl den Ausschlag gab, dass Frankfurt zwei Tage später nur ihm die Tore öffnete, damals ein wichtiges Symbol für die Rechtmäßigkeit der Wahl. Während Ludwig dem jubelnden Volk präsentiert wurde, machte sich Friedrich sogleich auf, um zunächst befreundetes Kölner Gebiet zu erreichen und dann vor Ludwig die traditionelle Krönungsstadt Aachen zu erreichen. Zudem war seine Stellung bei Frankfurt unhaltbar geworden, weil der ihm zugeführte Proviant dem Mainzer Erzbischof in die Hände gefallen war. Aber auch Aachen sollte ihm später den Einlass verwehren. So war also der schlimmste Fall eingetreten und die verderbliche Doppelwahl sollte einen elfjährigen erbitterten Thronstreit der beiden gewählten Könige mit zum Teil bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Nun aber zu den oben angesprochenen Urkunden. König Ludwig machte sich ebenfalls auf den Weg nach Aachen, und zwar mit großem Gefolge, wie der Chronist Peter v. Zittau berichtet. Am 29. Oktober befindet er sich in Mainz, wo er Erzbischof Peter 1.000 Mark Kölner Denare verspricht, weil dieser mit 100 Reitern in Aachen zur Krönung erscheinen wird. In den ersten Novembertagen zog man von Mainz auf der sogenannten Königsstraße, die über Ockenheim nach Kreuznach und von dort über den Hunsrück an die Mosel führte. Nach dem Moselübergang bei Bernkastel ging es in nördlicher Richtung durch die Eifel nach Aachen.

Nach den einschlägigen Quellenwerken wurden die beiden Urkunden (Notariatsinstrumente) am gleichen Tag ausgestellt. Und zwar soll zunächst König Ludwig seine Urkunde am Dienstag den 18. November um die Mittagszeit auf der Feusdorfer Gemarkung ausgestellt haben (die Martis decima octava mensis Novembris, hora qausi sexta, ..., in campis apud villam dictam Faustorf). Die zweite Urkunde soll Erzbischof Balduin am gleichen Tag bei Be-wingen im Hause des Peter Lambekin (Lambert) gegen Sonnenuntergang veranlasst haben (apud villam Beppingen in domo Petri Lambekini ibidem, circa horam quasi completorii). Betrachtet man jedoch das Itinerar (Reiseroute), die Örtlichkeiten und die Zeitangaben näher, so fällt sogleich eine bislang übersehene Unstimmigkeit auf. Die Zeitangaben und die Ausstellungsorte wären nur in Einklang zu bringen, wenn sich der königliche Zug in genau umgekehrter Richtung, also von Norden nach Süden, bewegt hätte, was ja ganz offensichtlich nicht der Fall war, da das Ziel doch Aachen war. Vielmehr kann es sich nur so verhalten haben; da der Zug aus südlicher Richtung kam, musste er zwangsläufig zuerst Bewingen erreichen und danach erst das etwa 13 km Luftlinie nördlicher gelegene Feusdorf. Die Bewinger Urkunde ist also in jedem Falle zeitlich vor der Feusdorfer ausgestellt worden. Da aber die Bewinger Urkunde gegen Abend ausgestellt wurde, kann die Feusdorfer nicht schon am Mittag des gleichen Tages ausgestellt worden sein. Bei der Datierung muss sich also ein Irrtum eingeschlichen haben. Die Forschung nahm bislang an, der Schreiber der Feusdorfer Urkunde, der Speycrer Kleriker und Notar Johannes, genannt Certamen, habe sich im Wochentag geirrt und versehentlich Dienstag (die Martis) geschrieben anstatt Montag, da der 18. November zweifelsfrei ein Montag war. In Wirklichkeit war es umgekehrt. Der Schreiber wusste zwar, dass es dienstags war, aber er hatte offensichtlich das Datum im Moment nicht präsent und schrieb aus Versehen den 18ten statt den 19ten. Der logische Ablauf war also dieser: König Ludwig und Balduin erreichten mit ihrem Gefolge am späten Nachmittag des 18. Novembers 1314 Bewingen. Hier beschloss man zu übernachten, wahrscheinlich im Hause des Peter Lambekin, wo dann Balduin am frühen Abend seine Urkunde anfertigen ließ. Am nächsten Vormittag brach man von Bewingen auf, zog weiter nach Norden und gelangte gegen Mittag des 19. Novembers, einem Dienstag, in die Nähe von Feusdorf, wo dann König Ludwig seine Urkunde ausstellte. Wie hätte auch Balduin mittags in der Feusdorfer Urkunde als Zeuge auftreten können, wenn er am gleichen Abend seine Urkunde in Bewingen ausgestellt hätte. Er hätte folglich nach Bewingen zurückreiten müssen, um seine Urkunde ausfertigen zu lassen, eine absolute Unmöglichkeit. Da die Feusdorfer Urkunde auf freiem Feld (in campis) angefertigt wurde, war man offensichtlich in großer Eile, was auch den Irrtum des Notars in der Datierung erklären mag und warum dieser niemanden auffiel. Der Inhalt der beiden Urkunden ist im wesentlichen der gleiche. Beide Aussteller bevollmächtigen den aus der Trierer Schöffenfamilie v. Wintrich stammenden Johanniterbruder Werner, dem Kölner Erzbischof Heinrich aufzutragen, dass dieser am 24. November in Aachen erscheinen möge, um den rechtmäßig in Frankfurt' gewählten König Ludwig an diesem Tage zu krönen. Dem Kölner Erzbischof stand nämlich unbestritten das Krönungsrecht zu. Balduins Urkunde bezeugten die Rechtsgelehrten Heinrich v. Geldonia und Johann v. Vinstingen, Balduins Kaplan Hermann sowie der päpstliche Notar Ludwig v. Kansme. Angefertigt wurde sie vom päpstlichen und kaiserlichen Notar, dem Trierer Kleriker Peter Anshelm, der sie mit seinem Signet unterzeichnete. Ludwigs Urkunde bezeugen Erzbischof Balduin, der Deutschordenskomptur der fränkischen Provinz Konrad v. Gundolfingen, die Grafen und Brüder Johann und Heinrich v. Sponheim-Starkenburg und Aegidius v. Rodemacher, der am 4. Juni 1314 Lehensmann der beiden geworden war. Wie bereits gesagt, wurde die Urkunde von Johannes, genannt Certamen, geschrieben und von ihm ebenfalls signiert. Erst auf dem Ritt Richtung Feusdorf hatte sich König Ludwig wohl entschlossen, mit einer eigenen Urkunde Balduins Aufforderung an Erzbischof Heinrich nochmals zu bekräftigen, obwohl er bereits vorher den Abt des Klosters Ebrach mit dem gleichen Auftrag an den Kölner Erzbischof abgeschickt hatte. Bei Feusdorf trennten sich nun die Wege von Bruder Werner und Johannes Certamen und dem königlichen Zug. Während die beiden Gesandten sich mit ihrer Begleitung nach Nordosten wandten und wohl über Blankenheim, Münstereifel und Rheinbach nach Bonn ritten, wo Erzbischof Heinrich residierte, setzte der übrige königliche Troß seinen Zug in nordwestlicher Richtung, wohl über Jünkerath und Schleiden oder Monschau nach Aachen fort. Schon am nächsten Tag lehnte der Kölner Erzbischof erwartungsgemäß die Krönung Ludwigs ab, da er natürlich Friedrich den Schönen als rechten König ansah. So kam es schließlich, dass am 25. November 1314 Ludwig der Bayer in Aachen von Erzbischof Peter v. Mainz gesalbt und gekrönt wurde und am gleichen Tage Friedrich der Schöne in Bonn von Erzbischof Heinrich v. Köln, womit ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte einen allerdings nur vorläufigen Abschluss gefunden hatte. Den Eifelern und besonders den Bewinger und Feusdorfern gab der prächtige Krönungszug König Ludwigs sicherlich noch lange Zeit Gesprächsstoff.

Quellen:

MGH CONSTITUTIONES V, l, hg. v. Jacob Schwalm, Hannover/Leipzig 1909-1913,

S. 121 f., Nr. 121 (Feusdorf); S. 122 f., Nr. 122 (Bewingen) REGESTEN DER ERZBISCHÖFE VON KÖLN Bd. IV, bearb. v. Wilhelm Kisky, Bonn 1915 (= PublGesRhGkde XXI,4), S. 191, Nr. 880 (Feusdorf); S. 191 f., Nr. 881 (Bewingen) REGESTEN DER ERZBISCHÖF'E VON MAINZ VON 1289-1396, 1. Abt., Bd. l (1289-1328), bearb. v. Ernst Vogt, Leipzig 1913, S. 311, Nr. 1701 (Feusdorf); S. 311, Nr. 1702 (Bewingen]

REGESTEN DES ARCHIVS DER GRAFEN VON SPONHEIM Bd. I, (1065-1370), bearb. v. Johannes Mötsch, Koblenz 1987 (= Veröff.Ldsarchverw. Rhld-Pf., 41) S. 247, Nr. 342 (Sponheim-Starkenburg); S. 246, Nr. 340 (Sponheim-Kreuznach); S. 330, Nr. 330 (Rodemacher)

Benutzte Literatur: DOMINICUS, ALEXANDER, Balde-win von Lützelburg, Erzbischof und Kurfürst von Trier. Ein Zeitbild aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, Coblenz 1862

HOMANN, HANS-DIETER, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314-1330, Diss. Münster 1970, gedruckt: München 1974 (= Miscellanea Bavarica Monacensia 56]

LÄMMERT, FRIEDRICH, Der Streit um die Kurwürde zwischen Sachsen-Lauenburg und Sachsen-Wit-tenberg; in: HistVjschr. 30, 1935, S. 305-315

MÜHLING, C(ARL), Die Geschichte der Doppelwahl des Jahres 1314, Diss. Leipzig 1882, gedruckt: München 1882

SALOMON, FRITZ, Die Brandenburgische Stimme bei der Doppelwahl von 1314; in: Forschbrandbg-preußGesch. 21, 1908, S. 537-548