5. Internationale Jugendmedienwoche in Daun

Eine Veranstaltung des Kultursommers Rheinland-Pfalz 1998

Siegfried Czernohorsky, Daun

Erschöpft, aber mit den Ergebnissen hoch zufrieden, zeigten sich die Teilnehmer der 5. Internationalen Jugendmedienwoche am 8. Mai 1998 beim großen Abschlussabend im Medienzentrum Kreis Daun. In einer Live-Sendung im Bürgerfernsehen Offener Kanal Daun erhielten auch die Dauner Bürger einen Einblick in die Jugendmedienwoche. Sie war in diesem Jahr eine Veranstaltung des Kultursommers Rheinland-Pfalz und wurde durch die Nikolaus-Koch-Stiftung, die Dauner Banken und erstmals auch durch die Europäische Gemeinschaft (»Jugend für Europa III«) gefördert.

Ein Projekt mit Geschichte

Die internationale Jugendmedienwoche ist das Ergebnis der gelungenen Zusammenarbeit des Kreises Daun, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, des Landkreises Oder-Spree Brandenburg und der Bezirksregierung Trier. Die Veranstaltungsreihe ergab sich ursprünglich aus den vielfältigen Kontakten, die zwischen den teilnehmenden Regionen schon seit 1991 bestehen, insbesondere aber aus den Verbindungen zwischen dem Kreisjugendamt Daun, dem Medienzentrum des Kreises Daun, den Medienarbeitsgemeinschaften des Thomas-Morus- Gymnasiums, dem Offenen Kanal Daun und dem Büro des Medienministers der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Karl-Heinz Lambertz, in Eupen. 1994 fand im ostbelgischen Burg Reuland die erste Jugendmedienwoche statt. Im Mittelpunkt der journalistischen Arbeit der Jugendlichen standen regionale Aspekte, wie Projekte mit arbeitslosen Jugendlichen oder Fragen der kulturellen Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Die zweite Jugendmedienwoche im März 1995 in Trier führte die Teilnehmer nach Luxemburg, die damalige »Kulturhauptstadt Europas«. Die Jugendlichen be-

Landrat Dr. Jürgen Schröter (Landkreis Oder-Spree) und Landrat Albert Nell im Gespräch mit Moderator Daniel Conrad in der Live-Sendung im Offenen Kanal Dann am 8. Mai 1998

Das Fernsehteam von »Tape That« des Südwestfunk Schulfernsehens mit Teilnehmern der Medienwoche auf dem Hof der Familie Prangen (Ulmenhofl in Sarmersbach.

schäftigten sich mit dem Tank- und Warentourismus im deutschluxemburgischen Grenzgebiet. 1996 in Neuzelle war der Landkreis Oder-Spree in Ostbrandenburg Ausrichter der Veranstaltung. Die Grenze zu Polen war für die Jugendlichen aus Rheinland-Pfalz und Belgien von besonderem Interesse, da es sich um eine Grenze handelt, an der ein wirtschaftliches Gefalle sichtbar wird, wie es die Jugendlichen von ihrer Heimat her nicht kennen. Auf dem Programm stand eine Werkführung im EKO-Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, sowie Fahrten ins polnische Zielona Gora und zur Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Die Internationale Jugendmedienwoche 1997 fand wiederum in Trier - dieses Mal in der Katholischen Akademie - statt und stand unter dem Motto »Akademiker bis Zimmermann - Berufe in Europa«. Zum einen ging es dabei um den Raum Trier/Luxemburg als Region in Europa, in der ein reger Austausch stattfindet, der auch den Faktor Arbeit einschließt. Zum anderen lernten die Teilnehmer die Schattenseiten der Arbeitswelt kennen.

Sie besuchten einige der zahlreichen Initiativen, die sich im Bereich der Stadt Trier um arbeitslose Jugendliche und deren Wiedereingliederung in die Arbeitswelt kümmern. Mit Ignaz Bubis, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, und dem Trierer Bischof Dr. Hermann Josef Spital standen den Jugendlichen überdies hochkarätige Gesprächspartner zur Verfügung.

Lebensbilder! - Vorbilder? - Trugbilder? - Motto 1998

Die diesjährige Jugendmedienwoche in Daun stand unter dem Motto »Lebensbild! - Vorbild? Trugbild?« - Von Gutenberg bis digital. Die 47 Jugendlichen aus Brandenburg, Polen, Frankreich, Belgien, aus Trier und Daun setzten sich in der Woche vom 4. - 8. Mai - meist bis tief in die Nacht hinein - mit Lebensläufen oder Lebensentwürfen von Persönlichkeiten der Region auseinander, um aus ihnen Orientierungshilfen für ihr eigenes Leben abzuleiten und auch die Vulkaneifel durch ihre Menschen kennenzulernen. (Ein Besuch im Vulkanmuseum durfte natürlich auch nicht fehlen.) Als Zeitungs-, Internet-, Radio-, und Fernsehmacher erlernten sie durch eigenes Tun - vor allem mit Hilfe des Werkzeuges Computer - grundsätzliche Arbeitsweisen des modernen Journalismus. In gemeinsamer Arbeit in national gemischten Kleingruppen kamen sie sich näher und erkannten Gemeinsames und Trennendes.

Im Gespräch mit Thomas Leif, Chefreporter beim SWF in Mainz, gewannen sie einen Einblick in den kritischen Journalismus, der gesellschaftsrelevante Themen auf die Tagesordnung setzte (»agenda-setting«), zu Diskussion, zum Nachdenken und bewusstem Handeln anregen will. Im Boulevardjournalismus dagegen, so Leif, werde eine große Portion Trugbilder produziert. In der modernen Droge Talkshow flüchte der Zuschauer aus der Realität. Mit den Landtagsabgeordneten Herbert Schneiders und Astrid Schmitt diskutierten die Teilnehmer die Ursachen der Politikverdrossenheit und des Rechtsradikalismus unter Jugendlichen angesichts der Ergebnisse der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Sie begegneten den unterschiedlichsten Lebensbildern. Sie sprachen mit dem innovativen Jungunternehmer Rolf Wagner aus Kelberg, der ein vollautomatisches Lagersystem für Apotheken entwickelt hat. Richard Mayer aus Daun gab sein Priesteramt auf, um Stahlarbeiter und dann Entwicklungshelfer in Nicaragua zu werden. In den Westeifelwerkstätten in Gerolstein verbrachten die Jugendlichen einen Arbeitstag mit dem Behinderten Horst Billewillems, der mit seiner Lebensgefährtin in der Ballondruckerei eine Beschäftigung und ein Stück Lebenssinn gefunden hat. Sie sprachen mit Patienten der Klinik Altburg (»Psychiatrie - Gefängnis oder Friedhof?«}, portraitierten Frauen in Politik (Nicole Morsblech, FDP) und Wirtschaft (Glockengießermeisterin Cornelia Mark-Maas). Den Dauner Maler Franziskus Wendels, fanden alle ganz »cool«. Er begeisterte sie für die Welt der Kunst als Möglichkeit der intellektuell-kreativen Auseinandersetzung mit der Realität. Eine exotische Figur besonderer Art trafen sie in Mehmet Fistik in Esch. Nach 25 Jahren politischem Aktionstheater in Köln hat sich der Pantomime in die Eifel zurückgezogen. Auch heute versteht er sein Theater in einem alten Bauernhof mitten im Dorf als Stück Politik für die Menschen. Die Zeitungsgruppe der Medienwoche unter der Leitung von Gerhard Deussen - Schülerzeitung »Klecks«- verfaßte zahlreiche Artikel, die in der 24 Seiten starken Tagungszeitung und im Trierischen Volksfreund sowie auf der Homepage des Medienzentrums im Internet veröffentlicht wurden und somit weltweit abrufbar sind. Zeitungsarbeit bedeutete nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der Medienwoche, sondern auch die Reflexion unterschiedlicher Sichtweisen und Einstellungen der Teilnehmer aus Ost und West. Die Radiogruppe unter Bernd Krings - Schülerradio »RaDau« - bearbeitete erstmalig Ton und Wort rein digital mit dem Computer. Professionelle Unterstützung erhielten sie durch einen Workshop mit dem Radio-Journalisten Helge Haas, SWF Baden-Baden. So produzierten die jungen Radiomacher Beiträge über die Personen, mit denen sie gesprochen hatten. Highlights waren multimediale Präsentationen von Stimmungsbildern und Themen der Medienwoche, die im Internet (http://www.dasding.de) und im Fernsehen zu sehen und zu hören waren. Jeden Morgen war die Gruppe im Fernsehen S3 in der Sendung »Das Klasse-Ding« vertreten.

Über die Arbeit der Fernsehgruppe - geleitet von Siegfried Czernohorsky - Bernd Schauer (Landesfilmdienst Rheinland-Pfalz) und Christian Köllmer (Landeszentrale für Private Rundfunkveranstalter) berichtete die Sendung »Tape That« im Schulfernsehen des Südwestfunks Baden-Baden. Sie stellte die Vulkaneifel vor und begleitete die Fernsehmacher bei ihren Aufnahmen auf dem Demeterhof der Familie Prangen in Sarmersbach. Die jungen Filmer stellten die Arbeit auf dem Hof aus der Perspektive der Ziege Anja dar. Die Frangens sind Ökobauern aus Überzeugung und haben aus dem Hof einen kleinen Musterbetrieb gemacht -mit eigener Käserei und Selbstvermarktung.

Perspektiven

Mit einer 90-minütigen Live-Sendung im Offenen Kanal Daun ging die Medienwoche zu Ende. Der Schulleiter des Thomas-Morus-Gymnasiums, Hans Rößler, unterstrich die Vorbildfunktion der Medienarbeitsgemeinschaften für seine Schule. Ihre Arbeit sei ein Teil einer Schulkultur, in der Schüler ihre mediale Kompetenz entfalten und eigene Lebensbilder entwickeln könnten. Die Landräte Dr. Jürgen Schröter und Albert Nell gaben die Vor- und Leitbilder ihrer Jugend preis. Minister Karl Heinz Lambertz plädierte für die Entzauberung der Medien durch Einrichtungen wie das Bürgerfernsehen Offener Kanal, das im Herbst 1998 auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft eingerichtet werden soll. Er lud zur nächsten Internationalen Jugendmedienwoche vom 15. - 19. März 1999 nach Büttgenbach ein. Auch über die Jahrtausendwende wird es die Internationale Jugendmedienwoche geben. Sie wird einen kleinen Teil dazu beitragen, dass sich Jugendliche verschiedener Nationen in gemeinsamer Arbeit begegnen und aus ihnen medienkompetente Europäer werden.