Der Postillion von Hillesheim

Hermann Meyer, Hillesheim

Am 1. Juli 1998 wurde im Zuge der Neuorganisierung der Post die Postamtsnebenstelle Hillesheim in eine Postagentur umgewandelt. Eine 200jährige Tradition geht damit zu Ende. Ein kurzer Rückblick: Die unter Napoleon I. in Deutschland angelegten Kunststraßen mit ihrem charakteristischen gradlinigen Trassenverlauf verbesserten das Verkehrsnetz sehr und trugen mit dazu bei, dass auch in der Eifel Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts sogenannte Postexpeditionen entstanden. Die ersten und bekanntesten in hiesiger Gegend waren die in Hillesheim ab 1787 und Stadtkyll ab 1828. Für Postillion wie für Fahrgast war sie harte Arbeit und Strapaze, insbesondere auf den schlaglochreichen Schotterstraßen, wie es sie allenthalben in der Eifel gab.

1861 befanden sich im Kreis sechs Postanstalten und 1865 die Personenposten Daun-Hillesheim, Gerolstein-Hillesheim und Hillesheim-Stadtkyll. Die Strecke Gerolstein-Hillesheim wurde 1868 wieder aufgehoben, dafür eine Personenpost mit 4-sitzigem Omnibuswagen Balesfeld-Birresborn-Gerolstein-Hillesheim eingerichtet. »Bei-Chaisen« wurden bei Bedarf gestellt und je Person und Meile sechs Silbergroschen erhoben. 1877 wird in Hillesheim eine mit der Ortspostanstalt vereinigte Telegraphenanstalt mit beschränktem Tagesdienst eröffnet, 1893 besteht in Hillesheim ein königlich-preußisches Postamt. Hier war als fahrender Landbriefträger ein Herr Zwank am 1. April 1906 eingestellt worden. Als Postillion fuhr er die Postkutsche zwischen Hillesheim und Ahütte. Die für Heuabgabe der Zugkraft - Pferd - aufzuwendenden Kosten und der dem Beförderer zufließenden Einnahmen an Fuhrvergütung, Paketbestellung und Personengeld bekam er 1906 eine Fuhrvergütung von 660 Mark jähr-

Postkutsche vor der alten Posthalterei mit Postillion Josef Meier um 1900.

lieh. Für ein Pferd musste er selbst sorgen, für dessen Kauf nebst Pferdegeschirr konnte ihm auf Wunsch ein Vorschuss gewährt werden. Laut Vorschrift der kaiserlichen Oberpostdirektion durften aber nur solche Pferde eingestellt werden, die sich noch im Vollbesitz ihrer Kräfte befanden, also zwischen fünf und sechs Jahren. Des weiteren war darauf zu achten, dass die Landbriefträger auch stets gegen Verluste durch Wertminderung infolge von Huf- und Beinleiden versichert wurden.

Postillion Zwank fuhr auf der Strecke Hillesheim-Ahütte werktäglich 25,2 km und zu Fuß noch 11,8 km. Seine Einnahmen und Ausgaben aus der Verrichtung der Landpostfahrt betrug 1908 913,92 Mark. Dabei galten folgende Personengeldsätze: Hillesheim-Berndorf 20 Pfg. Berndorf-Kerpen 20 Pfg. Kerpen-Flesten 10 Pfg. Nollenbach-Leudersdorf 10 Pf. Ludersdorf-Üxheim 10 Pfg. Üxheim-Ahütte 05 Pfg. Ganze 30,80 Mark brachte der Personenverkehr 1907/08 und 98,40 Mark im Paketbestelldienst. Für die »Hergabe der Zugkraft« verlangte er 720 Mark, im einzelnen: täglich 6 1/2 kg Hafer ins-ges.: 474,87 Mark, täglich 7 1/2 kg Heu 162 Mark, Strohhäcksel 17,60 Mark, täglich Streustroh 30,60 Mark, Hufbeschlag des Pferdes 38,40 Mark, Wagenschmiere 11 Mark, Pferdeversicherung 27,75 Mark, Miete für Stall und Wagen, 67,60 Mark, Instandsetzungskosten 12,30 Mark, Tilgung für Anschaffung des Pferdes, Geschirr, Decken, Stallgeräte 74,80 Mark. Zwank erhielt 1909 ein Gehalt von 850 Mark jährlich nebst 108 Mark Wohnungsgeld. Der Postillion Zwank nahm es mit seinen Pflichten wohl nicht immer so genau. So rügte das kaiserliche Postamt Hillesheim am 13. September 1908, dass Zwank erst um 11.35 Uhr von Leudersdorf nach Üxheim gefahren sei, obwohl die Abfahrt um 10.05 Uhr erfolgen sollte. Eine weitere Rüge besagt, dass Zwank nach Abfahrt vom Postamt bis 7.21 Uhr den Wagen mit dem Pferd auf der Straße in der Nähe des Bürgermeisteramtes stehen ließ und in seine Wohnung zurückkehrte. Das Pferd war nicht angebunden, die Stränge nicht ausgehangen und die Hemmvorrichtung nicht angezogen. Während der angegebenen Zeit hat der Postamtsvorsteher beim Pferd gestanden und auf den Postillion gewartet. Auf Befragen antwortete er, er habe das Futter für sein Pferd vergessen und dasselbe jetzt abgeholt. Der Postamtsvorsteher rügte weiter, er habe in Kerpen erfahren, dass Zwank mit den Reisenden, welche mit ihm fahren, während der Ausübung der Landpostfahrt zeitweise in Wirtschaften verweile und geistige Getränke zu sich nehme, wodurch die Landbestellung verzögert würde. Ein andermal verlor er vor dem Posthaus seine Freimarkenmappe sowie Zeitungen, welche der Amtsvorsteher auf der Straße im Rinnstein gefunden hatte. Zur Rede gestellt gab er zu, etwas angetrunken gewesen zu sein. Über diese Vorfälle wurde dann am 17. September 1908 dem Landbriefträger Zwank vom Postverwalter in Hillesheim folgendes eröffnet: Wegen nachlässiger Ausführung der Dienstgeschäfte wird der Landbriefträger Zwank mit einem Verweis bestraft und aufgefordert, seine Dienstobliegenheiten gewissenhafter zu erfüllen. Mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage - verheiratet, zwei Kinder - wird von einer Geldstrafe abgesehen. Wie er selbst zugegeben hat und der Amtsvorsteher selbst gesehen hat, ist Zwank während seines Dienstes auf dem Rückweg nach Hillesheim mit dem Polizeiserganten Mehs in der Wirtschaft Meyer (zum Höfchen) gewesen, angeblich weil Mehs zum Bezahlen des Personengeldes nicht genügend Kleingeld bei sich gehabt hätte. Dieser Entschuldigungsgrund kann nicht als stichhaltig bezeichnet werden. Wie aus den Personalakten ersichtlich, hat sich Zwank auch in den folgenden Jahren nicht viel gebessert. Wegen schwerer Verletzung der Dienstzucht sowie unpünktlichen und verspäteten Dienstantritts, Trunkenheit im Dienst und ungebührlichen Benehmens wurde er zu einer Geldstrafe von 10 RM verurteilt mit dem Hinweis, im Wiederholungsfalle zwangsweise in den Ruhestand versetzt zu werden. Vom letzten Hillesheimer Postillion Josef Meier - hier neben der Postkutsche mit seiner prächtigen Uniform - wird folgende Episode erzählt: Wenn er in Walsdorf seinen Landpostdienst erledigt hatte - immer pünktlich und korrekt -dann genehmigte er sich nach getaner Arbeit einen Trunk in der Wirtschaft. Sein Pferd wartete indessen treu und brav vor dem Wirtshaus. Wenn er dann müde die Postkutsche bestieg, schlief er bald ein, während seine »Billa« den Heimweg nun alleine fand und den Postillion sicher vor die Haustüre brachte.

Postkutschen konnten sich später in dem ungleichen Konkurrenzkampf mit der überall entstehenden Eisenbahn nicht mehr behaupten. So auch in Hillesheim. Bei der feierlichen Eröffnung der Eifeleisenbahnlinien am 30. Juni 1912 in Hillesheim fuhr bei einem stattlichen Festzug zum Festlokal in Hillesheim die schön geschmückte Postkutsche ein letztes Mal im Zuge mit. Das war das Ende der Postkutschenromantik.