Wirich Philipp Lorenz von Daun

Alois Mayer, Daun

Die österreichische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts ist eng mit der Person des Adligen Wirich Philipp Lorenz, Graf von und zu Daun, verbunden. Deren Annalen erwähnen ihn lobend. In der Stadt seiner Vorfahren ist er nahezu unbekannt, auch wenn eine Straße seinen Namen trägt. Wirich wurde am 19. 10. 1668 (nach Hirtenfeld: 1669) in Wien geboren. Sein Vater war Wilhelm Johann Anton. Dieser hatte seine Dauner Stammburg und sein Amt Daun, die infolge des Dreißigjährigen Krieges arg gelitten hatten und sich finanziell in desolaten Verhältnissen befanden, vor wenigen Jahren (1657) verlassen und sich in Diensten des österreichischen Herrscherhauses begeben, das damals den deutschen Kaiser stellte. In Österreich heiratete er 1662 zum zweiten Male, die Maria Magdalena von Althau. Nach seiner schulischen Ausbildung, die hauptsächlich militärisch ausgerichtet war, trat Wirich als junger Mann von 17 Jahren eine »standesgemäße Kavaliersreise« an. Eine solche Auslandsreise galt in jener Zeit beinahe als unerlässlich für die Bildung eines heranwachsenden adligen Mannes. Sie führte ihn bis nach Brüssel, der Hauptstadt der damaligen österreichischen Niederlande. Nach seiner Rückkehr trat Wirich in das Regiment seines Vaters, Feldmarschall Wilhelm, ein und wurde bald darauf zum »kaiserlichen Kämmerer« ernannt, die unterste Stufe vieler angesehener Adliger. Wirich war für den Militärdienst vorgesehen und wurde rasch in den Offiziersrang befördert. 1696 nahm er an einem Feldzug in Ungarn teil. 28 Jahre war er nun alt und diente als Oberstleutnant beim Infanterieregiment Graf von Starhemberg, der als Verteidiger von Wien gegen die Türken hoch angesehen und sehr berühmt war. Unter dessen Führung nahm Wirich Philipp Lorenz an Türkenkämpfen teil und erlebte den großen Sieg über diese bei Zenta (l697) mit.

Am 4. 3. 1696 heiratete Wirich Philipp Lorenz. Zur Frau nahm er sich Maria Barbara, die Tochter von Johann Ferdinand Graf von Eberstein (= auch Herberstein; Generalfeldwachtmeister und Landrat in Graz) und Rosina Elisabeth, ebenfalls aus der Eberstein-Familie, eine Sternkreuzordensdame. Am 24. 11. 1735 war Maria Barbara, Frau von Wirich Philipp Lorenz, im Alter von knapp 66 Jahren gestorben. Sowohl durch Protektion seines Vaters, aber auch aufgrund seines militärischen Könnens wurde er drei Jahre später (am 13.6. 1699) zum Oberst ernannt und bekam ein Regiment der Starhembergischen Truppen zugeteilt, das vorher Oberst Houchin führte. Wirich Philipp Lorenz nannte dieses Regiment zunächst »Jung-Daun«, später »Alt-Daun« (IR 56, S. 12). Anders als heute, kümmerte sich ein Oberst nicht immer um seine Soldaten. Dafür hatte er verdienstvolle Offiziere. So sah Wirich sein Regiment auch nur den Sommer über. Im Winter hielt er sich in Wien auf, verkehrte viel in hohen Kreisen, nahm an dem gesellschaftlichen Leben der Weltstadt teil und schuf Kontakte zum Kaiserhaus. In Wien, wo es von Adligen und Hochherrschaftlichen wimmelte, war nichts wichtiger als Beziehungen. Dort bei Hofe war es auch, wo Wirich die Aufmerksamkeit von Prinz Eugen auf sich zog und von ihm als Führungsoffizier angefordert wurde. Prinz Eugen war nicht nur der bedeutendste Feldherr seiner Zeit, Vorbild für Friedrich den Großen und Napoleon, sondern auch Ratgeber des Kaisers mit hervorragenden staatsmännischen Eigenschaften. Unter ihm kämpfte Wirich Philipp Lorenz in Italien und wurde 1701 Generalfeldwachtmeister (Generalmajor). Im spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) zeichnete er sich unter Prinz Eugen aus in den Gefechten bei Chiari (1. 9. 1701) und Torre d'oglio. Sein Mut, sein strategisches Können wurden gelobt. Unter und neben Prinz Eugen von Savoyen half er, den Ruhm der österreichischen Waffen zu begründen. Sein Regiment äußerste sich anerkennend. Seine Vorgesetzten und Freunde benannten seine Tugenden: unerschrockene Tapferkeit, Zähigkeit, sorgfältiges Bemühen um Zucht und Ordnung, lauteres, christlich ausgerichtetes Familienleben. 1702 stand er mit der Armee des Kaisers am Rhein, und im Mai 1704 wurde Wirich Philipp Lorenz zum Generalfeldmarschallleutnant befördert. Das folgende Jahr 1705 wurde das Jahr seines höchsten Ruhmes. In Oberitalien befand sich Österreich in sehr bedrängter Lage. Die Franzosen siegten mehrmals und breiteten sich aus. Wirich erhielt das Kommando in Piemont und wurde zum Kommandanten der Festung Turin (= Hauptstadt des Herzogtums Savoyen) ernannt. Erlaubnis dazu gab der Herzog von Savoyen, der zu dieser Zeit mit den Österreichern verbündet war. Wirich hatte den Auftrag, Turin gegen die Truppen des französischen Herzogs de la Feuillade zu verteidigen, bis Er-

satz käme. Dies hatte ihm sein »Chef«, Prinz Eugen, versprochen: Eugen ließ noch rasch einige englische Kanoniere in die Stadt bringen, um die Artillerie von Wirich zu stärken. Dann brachte er sich vorsichtshalber in Sicherheit.

1705/06 verteidigte Wirich äußerst klug und tapfer Turin gegen die belagernden Franzosen unter dem Herzog de la Feuillade. Die Situation in der belagerten Stadt wurde immer kritischer. Der Herzog von Savoyen verließ seine Residenz und verabschiedete sich von Wirich mit den Worten: »Ich weiß Ihnen, Herr Graf, keinen größeren Beweis der Hochachtung zu geben, die ich von ihrer Tapferkeit gefasst habe, als dass ich Ihnen die Verteidigung meiner Hauptstadt anvertraue. Ich lasse Ihnen einen gut befestigten und mit allem wohl versehenen Ort. Ich lasse Ihnen eine zahlreiche Besatzung, welche aus willigen, und des Feuers gewohnten Truppen besteht. Ich lasse Ihnen eine Menge des bravsten Adels und getreue Bürger, welche Ihnen beistehen und eben den Gehorsam, als selbst mir leisten werden. Sie werden mit mir einstimmen, dass dieses die schönste Gelegenheit in ihrem Leben ist, um ganz Europa Proben Ihrer Unerschrockenheit und militärischen Kenntnisse zu geben, sich einen unsterblichen Namen zu erwerben und das zu erfüllen, was der Kaiser, Deutschland und ganz Italien von Ihrer Tapferkeit und Ihrem weisen Verhalten erwarten.«

Nun stand Wirich allein. Doch er erfüllte die in ihn gestellten Erwartungen. Seine untergebenen Soldaten, 10000 Mann, waren gut geschult und in bester Disziplin. Nach mehreren Monaten Belagerung nahte am 7. 8. 1706 Rettung in höchster Not. Prinz Eugen näherte sich, griff die Franzosen an. Wirich von Daun machte einen erfolgreichen Ausfall aus der Stadt. Die Franzosen flüchteten. Zurück blieben zahlreiche Waffen, Proviantlager und die Fülle der aufgegebenen Militärlager.

Wirich wird Fürst von Tiano

Voller Dank und Anerkennung überschickte der Herzog von Savoyen aus seinem Exil dem Grafen Daun einen kostbaren Ring, gab ihm die Herrschaft Rivoli zum Lehen, die er zu einem Marquisat erhob. Wirich durfte sich nun Marquis nennen. Die Turiner Bürger ernannten Wirich zu ihrem Ehrenbürger und schenkten ihm einen goldenen, mit Edelsteinen besetzten Degen; er zählte zu den besonderen Erinnerungsstücken der Familie. Wirichs Sohn Leopold erklärte ihn in seinem Testament als Familienerbstück. Der Vater von Wirich erlebte diesen Ruhm seines Sohnes nicht mehr. Er war kurz vorher, am 7. 6. 1706 verstorben. Auch der österreichische Kaiser zollte Wirich Dank und ernannte ihn zum Generalfeldzeugmeister. Prinz Eugen, dem ebenfalls viele Ehrungen zukamen, war stolz auf seinen Zögling und beauftragte ihn 1707, die Franzosen ganz aus dem Mailänder Raum zu vertreiben.

Bald jedoch hatte die oberste österreichische Heeresleitung andere Pläne. Berauscht von dem Turiner Erfolg und dem Zurückweichen der Franzosen, plante sie nunmehr, auch Süditalien in ihre Hand zu bekommen. Dabei war Neapel das Zentrum des politischen und Gaeta das Zentrum des militärischen Widerstandes. Voller Zutrauen in Wirich erteilte man ihm 1707 ein selbständiges Kommando. Mit nur 8 000 Mann marschierte er über Tiano und Capua ins Königreich Neapel, eroberte am 7. Juli Neapel und zwang Gaeta zur Kapitulation. Der österreichische Kaiser Joseph 1. triumphierte. Nun war er Herrscher über Süditalien. Zu verdanken hatte er es dem militärischen Erfolg seiner Truppen unter Wirich von Daun. Was schenkt man einem Eroberer? Der Kaiser ernannte ihn im November zum Feldmarschall, zum Oberkommandierenden in ganz Italien und zum Vizekönig der eroberten Gebiete.

Diese Funktion hatte er bis zum Juli 1708 inne. »Erbekleidete dieses Amt mit Strenge, zugleich aber mit Rechtlichkeit und Uneigennützigkeit, war bemüht um gerechte Verwaltung und um pünktliche Steuerzahlung«, wird geschrieben. Dass er als Vizekönig sein Konto aus Einkünften aus diesem Königreich auffüllte, versteht sich von alleine. In Italien jagte Wirich den französischen Marschall Villars aus dem Land und zwang Papst Clemens XI. zum Frieden. Doch in Norditalien gärte es noch immer. Dort setzte sich Karl III., König von Ungarn und Spanien, der Bruder des österreichischen Kaisers, mit den Franzosen um die Erbfolge auseinander. Im Moment entwickelte sich alles zuungunsten Österreichs. Prinz Eugen konnte nicht überall sein. So forderte Karl im April 1708 Feldmarschall Daun auf, von Neapel nach Piemont, in die Grenzregion zu Frankreich und der Schweiz, zu kommen und ihm beizustehen. Als Vertrauensvorschuss ernannte er, obwohl er es rechtlich gesehen als Nichtherrscher gar nicht hätte tun dürfen, ihn zum Granden Erster Klasse von Spanien und übertrug ihm das Oberkommando über seine Armee, welche in die Dauphine (Landschaft im südöstlichen Frankreich, zwischen Rhone und italienischer Grenze) einbrechen sollte. Nun war Wirich Philipp Lorenz also Befehlshaber in Savoyen und Piemont. Viel Macht, Ansehen und Einkünfte kamen ihm zu. Allein aus dem Titel Grande erwuchs ihm ein jährliches Gehalt von 12000 Talern. Am 12. 2. 1710 wurde Wirich Philipp Lorenz zum Kommandant von Wien und zum Oberst der Stadtguardia (Garde, Wachen, Polizei) ernannt. Als jener Karl nach dem Tode seines Bruders Joseph (17. 4. 1711) zum Kaiser Karl VI. gewählt worden war, verlieh er ihm den Orden des Goldenen Vlieses. Das war damals der höchste und einzige kaiserliche Orden. Ferner ernannte er ihn zum Wirklichen Geheimen Rat und am 24. 9. 1711 zum Fürsten von Tiano in Neapel. Das konnte Karl leicht machen, denn Titel und Fürstentum gehörten vorher dem Herzog von Medina-Sidonia, dem man diese Funktionen aberkannte. Denn er war Bourbone, mit denen Österreich sich auseinander setzte. Wirich nannte als Bedingung, dass dieser Ehrentitel »Fürst von Tiano« auch für seine Erben gelten dürfe. Dabei war das Fürstentum Tiano nicht souverän. Es gehörte Kaiser Karl VI. als Lehen. Der Titularfürstentitel ist daher nur als ehrenvolle Auszeichnung zu sehen, der an Würde und gemäß den Gesetzen der Etikette hinter dem Titel »Reichsgraf« rangierte.

Darum ist die Ehrung »Fürst von Tiano« stets hinter dem Grafentitel zu finden, auf den die Dauner besonders stolz waren. In offiziellen Briefen oder bei Hof lasen sich die Dauns als »Hochgeborener Reichsgraf«.

Das Diplom über die Schenkung des Fürstentums Tiano und des verliehenen Fürstenstandes von Neapel an Wirich Philipp Lorenz von und zu Daun lautet: »Karl von Gottes Gnaden König von Kastilien, Aragonien, der Indier, Erzherzog von Österreich usw. entbieten unsere königliche Gnade und guten Willen dem vornehmen treuen von uns geliebten Grafen von Daun - Nichts ziemt den Königen mehr als die Denkmäler ihrer Freigebigkeit und die glänzenden Zeichen ihrer Majestäten denjenigen Männern zukommen lassen die, durch den Ruhm und das Blut ihrer Ahnen angesehen, die einzige Zier in der Tugend suchen, die, da sie der Same wahren Ruhmes ist, am meisten durch Verdienste um den Staat verherrlichet wird. So ein Mann bist Du mit diesem besonderen Ruhme erfüllt, den man sich durch Kriegskunst, Heldenmut, Klugheit, Glück, rastlose Anstrengungen und große Verdienste um den Staat verschaffen kann. In Dir findet man jenen großen Mut, den man auch an den besten Feldherrn zu loben pflegt, und über dies besitzest Du Kenntnisse von denen Du bei der Wiedereroberung des diesseitigen Siziliens die zweifellosesten Beweise gabst, da Du als Sieger von den Neapolitanern aufgenommen, die Franzosen aus dem Besitze des ganzen Königreiches vertrieben, und die einzige Freistätte, die Feste Gaeta in kurzer Zeit von dem Joche ihrer Herrschaft befreit hattest, und sonach unsere zu'eifelhaße Sache für die Zukunft entschiedest. Daher wünschen wir Deine Verdienste mit irgendeinem Zeichen der Dankbarkeit zu belohnen, und beschließen, das unter dem Lehenverband befindliche Fürstentum Tiano im diesseitigen Sizilien gelegen, einst besessen von der Herzogin von Medina Sidonia, wegen Halsstarrigkeit aber an unseren königlichen Fiskus gekommen, Dir und Deinen leiblichen Deszendenten beiden Geschlechts mit Titel und Würden, ohne aller Verminderung mit allen Rechten, wie es die obenerwähnte Herzogin im Lehenverband besaß, zu schenken, unter der Bedingung jedoch, dass nach Aussterben der vorerwähnten Erben beiden Geschlechts dieses Lehen unserer königlichen Krone anheimfallen solle; und liebreichst zu verleihen, dass Du und deine vorerwähnten Erben sich Fürsten von Tiano nennen, und als solcher in allen Angelegenheiten und Schriften, in den Versammlungen unserer, gegenwärtigen sowohl als künftig werdenden Stände, behandelt, und geehrt werden sollest, vorausgesetzt dass Du in diesem Lehenverhältnis treu bleiben und unsere Rechte unverletzt lassen werdest. Deswegen befehlen wir allen angesehenen Edlen, unseren geliebten Räten, unseren Getreuen, Generalkapitän etc. etc. so auch Fürsten, Herzögen, Markgrafen, Grafen und Baronen unseres diesseitigen Siziliens, und überhaupt allen die ein öffentliches Amt verwalten, dass sie Dich, deine besagten Erben, als Fürsten von Tiano respektieren und behandeln, und keineswegs sich das Gegenteil erlauben sollen, wenn sie unsere Gnade haben wollen, und nicht wünschen weder die Folgen unseres Unwillens und Zornes zu erfahren, noch im Übertretungsfalle l 000 Stück Dukaten unserer Kammer zu zahlen.

Zum Zeichen dessen unser großes Geschäftssiegel von dem diesseitigen Sizilien. Gegeben in unserer Stadt Barcinone am 24. August 1711 seit Christi Geburt Auf Befehl des Königs Yo el Reg. D. Joh. Ant. Romeo und Andreaz V. W. haze merced ad conde de Daun de Principe de Tiano en el Regno de Napoles« Diese Ernennung zum Vizekönig und Generalkapitän der Königreiche Neapel und Sizilien wurde am 16. 3. 1713 erneuert. Wirich Philipp Lorenz packte seine Koffer und kehrte nach Neapel zurück, wo er am 20. 5. 1713 eintraf. Er ließ seine Frau und Familie nachkommen. Das hört sich heute selbstverständlich an, war aber seinerzeit nicht typisch für Generäle im Feld oder auf Außenposten. Es bestätigte die Meinung, die auch in Wien von der »Menage Daun« herrschte, daß die Ehe der von und zu Dauns glücklich war. Im gleichen Jahr wurden Wirich Philipp Lorenz und seine Söhne in die »Sedia di Montagna« aufgenommen. Das war die Vereinigung des neapolitanischen Hochadels, der zur gleichen Zeit nur fünf Aristokraten angehören konnten. Eine hohe Ehre für die Dauns, die für Persönlichkeit und Menschlichkeit sprach. 1716 wurde die Amtszeit von Wirich Philipp Lorenz für weitere drei Jahre verlängert.

Während dieser Zeit folgten zahlreiche kriegerische Verwicklungen. Die Spanier griffen Sizilien an, das ein Teil des Königreiches Neapel war, um es für das französische Haus Bourbon zu erobern, das ja ebenfalls den spanischen Thron beanspruchte. Endlich kam es zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges und dem Frieden von Utrecht (1713). Österreich erhielt Süditalien (mit Sizilien), mit Ausnahme des Kirchenstaates zugesprochen.

Wirich fällt in Ungnade

Auf dem Madrider Königsthron saßen nun Bourbonen und sie waren interessiert, nachgeborenen Söhnen Besitzungen in Italien zu verschaffen; 1717 besetzten sie Sardinien. Sie wollten auch Sizilien. Am 1.7. 1718 landeten Spanier unter Marquis de Lede auf Sizilien, bedrängten den Herzog von Savoyen (der mit Österreich verbunden war). Der Herzog zog sich zurück, konnte nur mehr die Städte Syrakus und Trapani behaupten. In Melazzo waren 6000 Österreicher, die vom Feldzeugmeister Baron Zum jungen kommandiert waren, eingeschlossen. Alle Hoffnungen auf Befreiung und Vertreibung von den Spaniern wurden nun auf Feldmarschall Daun gesetzt. Wirich Philipp Lorenz hatte Truppen zur Verfügung, die in den neapolitanischen Landen standen. Desweiteren konnte er mit Regimentern rechnen, die nach Beendigung des Türkenkrieges in Ungarn freigeworden waren. Es dauerte bis 1719, bis er alle Truppen in Neapel hatte. Glücklicherweise befand sich zur selben Zeit eine englische Flotte unter Admiral Byng vor Neapel (= England war mit Österreich verbunden). Byng gestattete die Einschiffung. Wirich Philipp Lorenz ließ die Flotte mit kaiserlichen Truppen volladen, sorgte für Lebensmittel für 30 Tage, Munition und Geschütze an Bord. Mitte Mai 1719 segelte die englische Transportflotte Richtung Sizilien: 18 Bataillone, 12 Grenadierkompanien, 18 Schwadronen, insgesamt 12000 Mann zu Fuß und 2 700 Reiter. Darunter vermutlich auch Leopold, der Sohn von Graf Wirich, der später noch berühmter als sein Vater werden wird. Ergebnis: Es kam zu einem Seegefecht bei Syrakus. Die englische Flotte gewann. Die Landung in Sizilien war erfolgreich. Die Spanier wurden verdrängt, zogen sich nach Messina zurück, kapitulierten am 18. 10. 1719. Die gesamte spanische Armee wurde später auf englischen Schiffen in die Heimat zurückgebracht. Bei dieser Landung und dem Gefecht auf Sizilien war Wirich Philipp Lorenz nicht dabei. Er war überraschend im Juni 1719 durch Grafen Gallas abgelöst worden. Wirich selbst musste nach Wien und wurde dort zum Stadtkommandanten von Wien und General-Land- und Haus-Zeugmeister (Oberst verantwortlich für Logistik) ernannt. Warum Wirich Philipp Lorenz abgelöst wurde, ist nicht klar. Möglicherweise wurde am Wiener Hof gegen ihn inti-griert. Man war dort der Meinung, ein Zivilbeamter könnte das Königreich Neapel wohl besser verwalten als ein Militär. Wirich Philipp Lorenz blieb für fünf Jahre in Wien, wurde während dieser Zeit noch zum Statthalter der Niederlande (1725) und zuletzt zum Gouverneur von Mailand (1721-1733) ernannt. Seine Visitenkarte muss groß gewesen sein, wenn sie alle Titel aufführte. 1722 ließ Wirich Philipp Lorenz in Wien an der Freyung ein Palais erbauen, das bis zu seinem Verkauf »Palais Daun« genannt wurde. Heute befindet sich in diesem Gebäude die argentinische Botschaft. Als Statthalter der spanisch-österreichischen Niederlande begab sich Philipp Lorenz im Dezember 1724 nach Brüssel, aber nur vorübergehend. Zum einen musste er die Reise der Erzherzogin Maria Elisabeth vorbereiten, zum anderen den niederländischen Ständen die »Pragmatische Sanktion« verkünden und schmackhaft machen. (Anm.: Pragm. Sanktion: = Kaiser Karl VI. hatte nur einen Sohn, Leopold, der bald nach seiner Geburt starb. Daher sollte seine älteste Tochter, Maria Theresia, die Thronfolge übernehmen. Eine Frau als Kaiserin! Das war mehr als außergewöhnlich! Auf diese Tatsache und die Akzeptanz von Maria Theresia sollte Europa nun vorbereitet werden.) Am 28. 12. 1725 begab sich Wirich Philipp Lorenz nach Mailand. Er war ja ebenfalls Statthalter im österreichischen Oberitalien. Dort blieb er acht Jahre. Doch gegen Ende seiner Amtszeit erlebte er noch viel Kummer. Der sogenannte Polnische Erbfolgekrieg brach aus. Die Ereignisse überschlugen sich, die Franzosen bedrängten mit Macht Oberitalien.

Wirich Philipp Lorenz sah große Gefahr auf sich zukommen. Daher zog er sich mit der Kriegskasse, der Kanzlei und seiner Familie zuerst nach Mantua, dann nach Wien zurück. Und genau das wurde ihm zum Verhängnis. Seine politischen Gegner und die an jedem Kaiser- oder Königshof wimmelnden Intriganten warfen ihm vor, dass er zum einen viel zu überstürzt abgezogen und zum anderen, dass er nicht genügend auf den feindlichen Einfall vorbereitet gewesen wäre. Der hochdekorierte Feldmarschall und Graf Wirich fiel in kaiserliche Ungnade. Sogar eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Die sprach ihn zwar von den Vorwürfen frei, trotzdem war der Kaiser enttäuscht. Erst 1733 durfte Wirich Philipp Lorenz wieder zu einer Audienz zum Kaiser. Zu dieser Zeit war Wirich Philipp Lorenz krank, man sprach von Depressionen. Ob diese Einfluss auf seine Mailänder Entscheidung hatten?

Im Oktober 1740 starb Kaiser Karl VI. Seine Tochter Maria Theresia wurde Nachfolgerin. Sie hatte großes Verständnis für Wirich von Daun und bestätigte ihn in allen seinen »Dignitäten« und »Chargen«.

Wirich Philipp Lorenz starb am 30. 7. 1741 im 73. Lebensjahr. Drei Tage später wurde er »auf sehr solenne Weise« in der Wiener Augustinerkirche beigesetzt.

Die Inschrift auf seinem Denkmal lautet:

Complebunt dies suos in bono ft annos suos in Gloria, Job 36, VII Togaque Sagoque inclytus Excelmus et illustmus

D.D. Wirricus Philippus Laurentius

S.R.J. comes et Cominus de et in Daun,

anno natus 1668. 19. Octob. Heroum est annos sic numerare suos:

1699, factus caesareus legionis pediturn colonellus. - 1701, caesareus General, vigiliariim prae-fectus. - 1704, caes. General. Vi-ce-Mareschallus. - 1706, C. G. aciei instructor castrorum prae-fectus. - a. eod. Augustae Tauri-noriim contra gallos obsidentes defensor. - l 707, Ejcercitus caes-arei supremus ductor in Nea-polim. - a. eod. Victor ft ejusdem regnis expugnator. - a. eod. crea-tus regis hispaniarum Carol. HL campi Mareschaüus. - a. eod. Ejusdem regis Gener, armorum moderator. - 1708, caes. BcMi Mareschalliis. - 1710, Praesidii militaris totiusque urbis Vien-nensis commendans. - a. eod. us-que ad saeculi annwn \2,m per sabaudiam omnem summus milit. arbiter. - 1712, creatus ab imperatore Carol. VI. aurei velleris eques. - a. eod. in praemium me-ritorum donatusfeudo principa-tus Thiano. - 1713, Intimus caes. consiliarius actualis renunciatur.

- a. eod. Prorejc neapolitanus: primo jussus, post Herum confir-matus. - 1719, caes. domi belli-que supremus castorum ft Tor-mentariae rei praefectus. ~ l 725, Gener. Gubernator austriacae Belgiae in qua etiam Brabant. Flandriaeque ordinum homagium Augustissimi nomine exepit. -1728, Gubernator Mediolanensis.

- anno demum 1741. Viennae, Austritte sub glorioso regimine M. Theresiae Hung. et Bohem. re-ginae, meritis ac actate gravis, placidissime obiit, cuius, dum

anima, ut pie speramus coelo re-cepta, hoc ejusdem corpori mo-numentum posuit: Leopoldus comes, ßlius secundo genitus, opti-mi parentis bellicis vestigiis insi-stens.«

Zu Lebzeiten hatte Wirich Philipp Lorenz beträchtlichen Grundbesitz für seine Familie erworben, darunter die Herrschaft Ladendorf in Niederösterreich. Bei seinem Tode waren seine Vermögensverhältnisse jedoch relativ zerrüttet, so dass zum Beispiel die Herrschaft Ladendorf an Khevenhüller verkauft werden musste.

Wirich und die Stadt Daun

Wirich hatte Daun, den Stammsitz seiner Vorfahren, wahrscheinlich nie gesehen. Es ist unwahrscheinlich, dass er bei seinen Reisen nach Brüssel einen Abstecher in die Eifel machte. Er hätte in Daun auch nicht viel gesehen. Höchstens den kleinen Ort mit wenigen hundert Einwohnern und hoch auf dem steilen Burgberg die in Trümmern liegende Burg, die 1689 nahezu gänzlich durch die Franzosen zerstört worden war. Aber noch nannten sich die österreichischen Grafen »Herren von und zu Daun«. Es bestanden noch Bindungen nach Wien, von den Daunern zu dem Grafen, auch wenn sie sich immer mehr von ihrem ehemaligen Eifeler Besitz trennte. So hatten am 21. 4. 1714 Wirich mit seinen Brüdern Heinrich und Heinrich Josef einen Vertrag mit Kurfürst Karl von Trier geschlossen, in dem sie diesem alle ihre im Erzstift gelegenen Güterund Besitzungen übertrugen. Lediglich die Personalrechte auf das Stammschloss Daun behielten sie sich aus.

Als sie am 20. 6. 1722 erneut mit ihrem Haus auf dem Burgberg belehnt wurden - die anderen Häuser gehörten bereits Trier und den Manderscheider Grafen - ist nur mehr die Rede von dem »zerfallenen Gehäuss«. Eine Woche später, am 27. 6. 1722, verkauften die Daun-Brüder der trierischen Hofkammer ihren vom Erzstift zu Lehen getragenen Weinzehnten zu Enkirch an der Mosel für 2 000 Reichstaler. Was sie aber noch nicht verkauften, waren die Rechte an der Dauner St. Nikolauskirche. Es war ja ihre Kirche, über die sie die Kollatur besaßen und in der Generationen der Dauner Burgherren ihre letzte Ruhestätte fanden. Als 1754 und 1756 Graf Wirich jedesmal 200 Gulden überwies, um die Dauner Burgmauer instand zu halten, schrieb der Dauner Pastor nach Wien, die Mauer befände sich in gutem Zustande, die Pfarrkirche benötige dieses Geld dringender. Da überließ Graf Wirich das Geld der Kirche, unter der verpflichtenden Bedingung, diese müsse dann aber etwaige Reparaturen an der Burgmauer vornehmen. Aus dieser Bindung an die Dauner Kirche bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass jener Wirich (auf Bitten des Dauner Pastors?) voller Stolz der Kirche und einer Vorfahrenstadt (um 1735) ein Wappenbild als Erinnerung schenkte. Seine sämtlichen Titel fasst die Inschrift unter diesem Wappenbild in folgender Weise zusammen: »Wirich Philipp Lorentz des Heil. Römisch. Reichs Graffund Herr von und zu Daun Fürst zu Tiano etc. etc. Herr aufSassen-heimb, Valleborndorff, Eickers-dorff, Pel/endorff und Newbaw etc. etc. Ritter des goldenen Vlises der Römisch. Kays. Cath. May, wirklich geheimbter Rath Gubernator des Staats von Mayland, Generalfeldmarschall Obrist Land- und Hauszeugmeister Obrister über ein Regiment zu Fus Quardi Obrister und Comman-dant der Kayserl. Resident! Statt Wienn.« Das Wappenschild ist dreimal geteilt und dreimal gespalten, also in acht Felder geschieden. Oben rechts und unten links sieht man das bekannte Geschlechtswappen, das rote Gitter in goldenem Grund. Unten rechts und oben links die Krone auf schwarzem Grund, das Amtswappen der Reichsgrafen von Daun, auf den Mittelfeldern oben rechts und unten links die silbernen Lilien in Blau, auf den beiden übrigen Feldern die Sassenheim'schen Löwen in Gold. Auf jedem der oberen Felder ruht der ritterliche Helm mit drei Spangen und Halskleinod. Die Helmkleinodien sind: vorn rechts die Reichsgrafenkrone, darüber der Daunische Silberne Schwan mit zwei schwarzen Adlerflügeln, links der schwarze Hut mit drei weißen und drei schwarzen Federn, die Helmzier der Grafen von Daun-Falkenstein; hinten rechts die Reichsgrafenkrone, darüber der Sassenheim'sche Löwe, links die Krone in einem schwarzen Adlerflügel. Das Wappen umkränzt die Ordenskette des goldenen Vlieses.

Das fürstliche Wappenzelt ist purpurn mit Hermelinfutter. Dieses Wappenbild hing im Turm der Nikolaus-Pfarrkirche. Um die Jahrhundertwende (1900) ließ der Hotelier Hommes sich von diesem Wappenbild eine Kopie anfertigen, mit der er sein Hotel schmückte. Gott sei Dank, kann man heute sagen, denn während eines Bombenangriffs am 2. 1. 1945 fiel die Nikolauskirche in Trümmer. Unversehrt blieben Turm und Wappenbild. Jahrelang war die Kirche offen, Schutt und Kalk lagerten im Turm. Durch Witterung, aber noch mehr durch den Kalkstaub wurde das Wappenbild zerstört und war unbrauchbar, so dass heute nur mehr jene Kopie von dem einstigen Original zeugt.

Wirich Philipp Lorenz hatte mehrere Kinder 1. Ferdinand Heinrich * 19. 5. 1698; studierte 1719 in Rom; wurde 1720 = kaiserlicher Kämmerer und niederösterreichischer Regierungsrat; heiratete 18. 4. 1722 Maria Rosina Genoveva

(t 1769), Gräfin von Eberstein (wie seine Mutter), Tochter von Johann Ernst, Graf von Eberstein zu Guttenhag und Maria Caroline Dorothea, Gräfin von Dietrich; + 21. 10. 1739, nach Barsch: 6 Kinder, nach Fam.archiv: 9 Kinder, nach Weißgrill: 12 Kinder

2. Josefa

3. Weirich Lorenz, t 1715 in Rom

4. Richard (früh gestorben)

5. Karl (früh gestorben)

6. Leopold Josef Maria

* 24. 9. 1705; der berühmteste des Dauner Grafengeschlechts, t 5.2. 1766

Literatur:

Allgemeine Deutsche Biografien

Daun-Biografien von 1759

Hirtenf'eld, im österreichischen Militär-Conversationslexikon II, 14,

Wien 1851

Hörsch, Wilhelm, Beschreibung des

Pfarrbezirks Daun, Daun 1877

von Teuffenbach, Albin Freiherr,

Vaterländisches Ehrenbuch,

Wien+Teschen 1877

von Thadden, Feldmarschall Daun

Urkundenbuch Dun, Köln 1909