In einers Gärtners Garten...

Marianne Schönberg, Jünkerath

Was das Fernsehen so alles »rüberbringt«, wenn man das Glück hat, zur rechten Zeit den richtigen Knopf bedient zu haben. Da gibt's eine Schule, nein, den Ort weiß ich nicht, anfangs war ich nicht recht bei der Sache, als der Bericht lief; es ging um die Einrichtung eines historischen Klassenzimmers. Schön, aber nichts Außergewöhnliches, davon hört man öfter. Doch dann kam's! Die Lehrer waren der Meinung, den Kindern nur etwas von früher zu erzählen, wäre zu museal. Zwar standen da liebevoll arrangiert die alten Bänke mit den Tintenfässern, die Wandtafel mit den dünnen roten Linien für die alte Schrift... rauf, runter, rauf, Pünktelchen drauf. Auch das Pult für's FRÄULEIN oder den HERRN LEHRER war da. Wie war's, wenn man dem allen Leben einhauchte? Eine Lehrerin sagte zu, in gewissen Zeitabständen für die Mädchen und Jungen eine Schulstunde WIE FRÜHER zu halten. Zuerst sollten die aber ihre Großeltern befragen und sich erzählen lassen, wie es damals so war. Doch was ist das alles gegen die Realität!

Für diese besondere Stunde verwandelte sich die Lehrerin, mit Brille und hochgeknöpfter Bluse ausgestattet, in ein ganz anderes Wesen. Und so ernst wirkte sie, so streng, einen Rohrstock trug sie in der Hand..., so soll das zu Omas und Opas Zeiten gewesen sein? Energisch forderte sie von den Kindern ein gemeinsames GUTEN MORGEN und nach der Weisung HINSETZEN hieß es: HÄNDE AUF DEN TISCH. Sauber müssen sie sein, oben, unten, wenn nicht, gibt's einen Klaps drauf. TAFELN HERAUS! Die alten Buchstaben standen an, mehr gemalt als geschrieben nach der Weisung RAUF RUNTER RAUF. Kein Gezappel, kein Geschwatze. Ab und an hat ein Kind geweint, musste getröstet werden mit dem Hinweis, dass es ja nur Spiel ist und man erleben soll, wie Schule früher war. Der besondere Nebeneffekt für die Kinder: Wie gut haben wir's heute! Und für Oma und Opa gab's auf einmal so ein Gefühl wie ALLE ACHTUNG. Mich hat diese Sendung nachdenklich gemacht, die eigene Schulzeit kam in Erinnerung, vor allem die Jahre nach Kriegsende, in denen der Unterricht aus der Improvisation lebte. Das galt für Bücher, Schreibpapier - es gab so gut wie nichts und unsere Lehrer, die standen menschlich auch zwischen den Stühlen. Im Grunde sollten die ALTEN - damit waren die gemeint, die im Kriege unterrichteten - ausgemustert werden. Aber die JUNGEN, politisch unbelastet, kamen gerade von Schnellkursen, waren zwar mit Begeisterung bei der Sache und uns Kindern gefielen sie - vermitteln konnten sie uns wenig und das kam wohl OBEN an; die Pädagogen der Kriegsjahre taten wieder Dienst und waren nicht drum zu beneiden. Wer von ihnen noch Bücher hatte, konnte sich glücklich schätzen. Doch nun galt's, dieses Wissen den Kindern zu vermitteln. Wie das geschah? Durch Vorsprechen und Auswendiglernen. Welch mühevolle Kleinarbeit, für den Lehrer, für die Schüler. Nicht jedes Kind ist begabt, Gehörtes zu speichern. Dann stand die Entlassfeier für die GROSSEN an und sie sollte einen Rahmen haben. Ein Gedicht, ein Lied? Auf jeden Fall nicht nur die Ansprache des Rektors und wir, die Nachfolgeklasse, wurden auserkoren, uns da was einfallen zu lassen. Hilfesuchende Blicke zum Lehrer...; was machen wir? Tags darauf hatte er DIE Lösung, ein Gedicht, man konnte es auch singen und wir lernten:

In eines Gärtners Garten da wuchs ein Bäumelein, in seinem stillen Warten gedieh's im Sonnenschein.

Mit nimmermüder Liebe pflegt er's auf gutem Land, beschnitt die wilden Triebe mit seiner milden Hand.

Du Bäumelein viel Gutes nun harre tapfer aus, und trotze festen Mutes in Sturm und Wetters Braus.

Nicht Sonne nur kann's geben auch Wetter müssen sein, Kampf härtet jedes Leben, viel gutes Bäumelein.

Woher die Verse und die Melodie kamen? Für uns war das damals unwichtig, wir fanden's gut für die GROSSEN und als wir ihnen in der Feierstunde sangen, waren wir auch ein wenig mit der Seele dabei, wünschten ihnen, dass sie TAPFER AUSHARREN. Wenn ich die Zeilen heute bedenke, meine ich, der Autor war unser alter Lehrer, er hat's gereimt und in leichte Tonfolgen gesetzt, denn ich habe bisher weder Text noch Lied irgendwo gefunden. Nichts kann ich mehr nachfragen. Dabei wüsste ich so gern, wen er mit dem Gärtner meinte. Die Bäumelein - seine Schüler? Er der Fachmann, der um wilde Triebe wusste, sie möglichst unauffällig und liebevoll beschnitt? Es könnte so gewesen sein.

Ergebnis dieser Fernsehsendung und des Nachdenkens der Erinnerung: Gestern, heute und morgen werden wir Pädagogen brauchen, die mit nimmermüder Liebe ihre Bäumelein auf gutem Land pflegen. Auch wenn der Text ein wenig altmodisch klingt, sein Sinn ist so aktuell wie vor 50 Jahren.

Der Rohrstock als Erziehungshilfe hat ausgedient, heute ist Unterstützung aus dem Elternhaus gefragt, denn Kinder müssen lernen, dass es Grenzen gibt. Für jedes Lebensalter sind sie anders gesteckt, sie einzuhalten, ist für ein harmonisches Miteinander der Generationen unumgänglich, auch für die Gemeinschaft Gleichaltriger.

Nicht Sonne nur kann's geben, auch Wetter müssen sein...; die auszuhaken, lernt man am leichtesten als junger Mensch. Schule soll Freude machen, sie soll lehren zu denken, auch nachzudenken.