Neues von Clara Viebig- in Büchern, im Vortrag

Brigitte Bettscheider, Kelberg - Zermüllen

Der Rhein-Mosel-Verlag in Briedel hat auch 1998 die Reihe mit Neuauflagen von Novellen und Romanen der Schriftstellerin Clara Viebig (1860-1952) fortgesetzt. Die Werke erscheinen im Taschenbuchformat tragen immer ein Titelaquarell von Regina Melsheimer und kosten jeweils knapp 20 Mark. Mit der Novellensammlung »Kinder der Eifel« hatte Clara Viebigs literarische Karriere 1897 begonnen, und viele weitere sollten in den drei Jahrzehnten danach folgen. Der Band »Kinder der Eifel« enthält sieben Erzählungen, wobei der Buchtitel sich auf alle gemeinsam bezieht - ohne dass eine von ihnen auch diesen Titel trägt. »Simson und Delila«, »Am Totenmaar«, »Der Osterquell«, »Die Schuldige«, »Das Miseräbelchen«, »Die Zigarrenarbeiterin« und »Margrets Wallfahrt« heißen die Novellen. In diesen frühen Werken Clara Viebigs ist deutlich die Nähe zu Emile Zola und zum Naturalismus spürbar. Realistisch und packend wird das Leben der einfachen Leute beschrieben, die bei den Naturalisten im Mittelpunkt des literarischen Interesses stehen. Für Clara Viebig sind das die Menschen der Eifel, die Bäuerinnen und Bauern, die Mägde und Knechte, der Förster und der Pastor, die Kinder und die Alten. Gefangen in der Arbeitswelt des Bauernhofes oder der Fabrik, vor allem aber schicksalhaft gebunden an die tief in jedem steckenden Wünsche und Sehnsüchte, entwickeln sich die Figuren - und mit ihnen das Geschehen der kraftvollen und spannenden Erzählungen, die auch nach gut einhundert Jahren die Leute von heute faszinieren. Aber es war selten eine deutsche Schriftstellerin so umstritten wie Clara Viebig, so hoch geehrt und zugleich leidenschaftlich bekämpft. Sie hat aufgeschrieben, wie die Menschen um die Jahrhundertwende lebten, was sie dachten, fühlten und sprachen, was sie bewegte und bedrückte, was sie zum Lachen und Weinen, zum Singen und Tanzen brachte. Ihre Bücher (30 Romane, acht Novellensammlungen, fünf Dramen) erlebten zunächst hohe Auflagen, wurden nach 1933 verbrannt und verboten, waren bis vor etwa zehn Jahren vom Buchmarkt verschwunden und erleben jetzt eine Renaissance. Das ist hauptsächlich das Verdienst des Rhein-Mosel-Verlags in Briedel und der Clara-Viebig-Gesellschaft e. V. in Bad Bertrich. Einen engagierten Beitrag dazu leistete auch Alois Mayer, Schulleiter in Daun und Verfasser von zahlreichen regionalhistorischen Texten. Bei einer viel beachteten Veranstaltung der Kelberger Außenstelle der Katholischen Erwachsenenbildung in der Region Westeifel erstattete er umfassend Bericht über das Leben und Schreiben der Clara Viebig - von den Kinderjahren in Trier, der Jugendzeit in Düsseldorf, den vielen Lebensjahren in Berlin-Zehlendorf bis zu den Ferien in der Provinz Posen und immer wieder in der Eifel und an der Mosel. »Sie schrieb von der Eifel und für die Eifel. Sie liebte den einfachen Eifeler Bürger, den schlichten Menschen, nahm sich seiner per- . sönlichen und gruppentypischen Interessen und Belange an, wurde von ihm aber nicht wiedergeliebt und wird noch heute oft missverstanden«, so Alois Mayer. Clara Viebigs bekanntester Roman »Das Weiberdorf« (auch beim Rhein-Mosel-Verlag neu aufgelegt) erschien im Jahr 1900 und handelt von den Zuständen im Eifeldorf Eisenschmitt; sie nennt es Eifelschmitt. Die Männer des Dorfes sind den größten Teil des Jahres im Ruhrgebiet tätig, dann herrscht im Dorf der einzige Zurückgebliebene, das Pittchen. Wenn die Männer zu Weihnachten und zu Peter und Paul heimkehren, dann geht es im Dorf hoch her. Der Roman wurde zur negativen Sensation, löste Stürme der Entrüstung und Empörung aus. Schlagzeilen und Kommentare sprachen von Skandal, Pornographie und Obszönität, riefen nach Zensur und Schutz der Jugend. »Dabei zeigt der Roman die unmittelbare Kraft der Dichterin, Wirkliches zu sehen und humorvoll zu gestalten«, erklärte Alois Mayer. Hatte der Referent beim Bericht über das Leben Clara Viebigs immer wieder kurze Passagen aus ihren Werken zitiert, so gestaltete sich seine hervorragende Rezitation der Novelle »Am Totenmaar« zum Höhepunkt der Veranstaltung. Eindringlich und eindrucksvoll las Mayer vom tragischen Tod der 16jährigen Annemarei Kohl-haas aus Schalkenmehren auf den Stufen zum Eingang der kleinen Kapelle am Weinfelder Maar. Die Novelle sei zum Nachlesen empfohlen; sie findet sich in der eingangs erwähnten Sammlung »Kinder der Eifel«.