Der Ortolan

Heinz Hürth, Auel

Gartenammer oder Fettammer sind gebräuchliche Namen für diesen wenig bekannten Vogel; aus dem lateinischen Wort hortus, was soviel wie Garten heißt, ist der Name entstanden. Unter den Vögeln, denen früher besonders nachgestellt wurde, war wegen ihres Wohlgeschmacks die Gartenammer beliebt. Was sie besonders begehrenswert machte, war ihre schnelle Gewichtszunahme bei einer Mästung. So war eine Verdoppelung ihres Gewichtes in kurzer Zeit zu erreichen, daher auch der Name Fettammer. Viele Lobpreisungen alter und ältester Schriftsteller, bis hin zu den Römern, haben von der Delikatesse berichtet, für die ein Golddukat gezahlt wurde. Welch schwunghafter Handel mit diesen Vögeln getrieben wurde, sofern man sie in ausreichender Anzahl erbeutete, ist zum Beispiel bei Jean Baptiste Tavenier Baron d/Aubonne 1680 nachzulesen.

»Es werden in Cypern die Hortolani im Herbst Hauffenweise gefangen/daselbst sie die Venitianer einkauffen/und solche füglich überzubringen / gehen sie damit also um: Wann sie gerupft / und zwey oder dreymal aufgesotten worden / legt man sie mit Salz und Essig in die Tonnen / wann man sie essen will / thut man sie zwischen zwey Schüsseln über eine Glutpfanne / und sind selbige so fett / dass sie Selbsten die Suppe darzu machen / man führet ihrer offt bey eintausend Fässern aus Cypern / und wäre dieser Handel nicht / dörfften wol die armen Christen in der Insul wenig Geld zu sehen bekommen / in etlichen Jahren bekommen sie viel / inetlichen aber sehr wenig / und dienet dieser Vogel den Venetianern zu einem Leckerbißlein / bey denen keine Gastery in der Fastnacht vorbey gebet / da nicht / von solchen Vögeln / gantze Pyramides in Schüsseln vorgetragen werden.«

Im Brockhaus Konversationslexikon von 1893 steht über den Ortolan folgendes: Der Ortolan gilt seit den ältesten Zeiten als feiner Leckerbissen, und wird auf besonderen Vogelherden gefangen. In Südeuropa wird er in eigentümlichen Behältern gemästet, wo er ungemein fett wird, und aus Südfrankreich und Griechenland fast nach Art der Seefische mariniert oder in Fett eingegossen verschickt.

Der Altmeister der Ornithologie, J. A. Naumann, berichtet noch 1824, dass in der Niederlausitz eigens zum Ortolanenfang neue Vogelherde aufgestellt wurden. Für die Einrichtungen von Vogelherden und den Fang von Ortolanen ließen sich Fürsten und Landesherren Fänger aus Italien kommen, die ganzjährig angestellt waren und hoch bezahlt wurden. Der Kölner Kurfürst und Fürstbischof Clemens August war den Fettammern sehr zugetan, auch er hatte eigens für den Fang derselben einen »Hortulanenmeister« mit mehreren Gehilfen angestellt.

W. H. von Hochberg bemerkt über die Haltung im Jahre 1687: Der Hortolan ist gern in den Feldern / wo Habern / Gersten / Hirsen / Pfennich und dergleichen angebauet, darinnen er auch / wie die Lerchen und Wachteln nistet / legt fünf oder sechs Eyer / wird gerne fett / daher er in finsteren Zimmern (darinnen er mehr nicht als sein Essen sehen kann) gemästet wird / die Anschauung der grünen Felder wird ihm darum genommen / damit das Verlangen und die Sehnsucht darnach / sein Aufnehmen nicht verhindere / sein Getränke muß sauber und rein / und das Gemach vor den Mäusen und Ratzen wol verwahret sey / in ein jedes Ecke setzt man an einem Pfal grüne Äste / darauf er Nachts ruhen kann / daneben hat man noch ein Beykämmerlein / darein man ihn durch ein eröffnetes Thürlein lassen / und was man tödten will / ohne Erschreckung der anderen / wegnehmen mag. Man gibt ihnen Hirß und Pfennig / so viel sie mögen / er wird so feist / das offt einer von drey bis vier Unzen wägt / sie werden gerupfft / in Mehl eingemacht / und also auf Rom und anderwärts hohen Personen übersendet, er wird offt so fett / dass er darüber sterben muss / sonst lebt er von drey bis ins vierte Jahr.

Der Ortolanenfang hat auch in wenigen deutschen Landen gute Ergebnisse gebracht, so zum Beispiel bei Osnabrück und im Lippischen sowie im Hannoverschen, wo bis zu 11.000 in einer Fangperiode zur Strecke kamen. Der gemästete Ortolan galt auch als ein wirkungsvolles Kräftigungsmittel, leider nur für hochgestellte Personen, für normale Bürger unerschwinglich und bei Strafe galt für dieselben ein Fangverbot.

Reisende Fürsten ließen sich zur »Consumtion« die Leckerbissen auf ihre weit verstreuten Schlösser durch Kuriere oder gar Stafetten nachsenden. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts ging allmählich der Ortolanenfang nach und nach zurück, einmal wegen der hohen Kosten für die Hortulanenfänger und deren Gehilfen, zum anderen durch den Rückgang dieser Vogelart. Es verwundert schon, daß trotz dieser Massenfänge der Ortolan bis zum heutigen Tag überlebte.

Noch 1968 haben am Steffeln/ Auler Mühlenberg zwei Paare, deren Nester keine fünf Meter auseinander gebaut waren, erfolgreich gebrütet. Die letzte Sichtung war nach Dr. Einhard Betzel in der Eifel im Jahre 1983 bei Mehren.

Die Flurbereinigung hat diesen schönen Vogel wie anderorts auch bei uns auf dem Gewissen. Gerade die kleinen Parzellen mit Getreidearten und Hackfrüchten waren der ideale Lebensraum für den Ortolan.

Den größten Aderlass hat - wie viele andere Vogelarten - auch in den 60er Jahren die Ausbringung von Biociden der Vogelwelt allgemein gebracht. Viele Vogelarten, die in der Mehrzahl von Körnern leben, sind in den 60er Jahren um über 50 Prozent reduziert worden.