Content-Type: text/html Adebar im Frack

Der kleine Gartenfreund

Anne-Marie Reuter, Bodenbach

Als ich in diesen Tagen einen Waldspaziergang machte, lief mir ein Eichhörnchen über den Weg. Den buschigen Schwanz hoch in die Luft gereckt, sauste es in Windeseile am nächsten Baum in die Höhe. Mit großen Kulleraugen blickte es mich ganz erschreckt von oben herunter an. Obwohl ich stehen geblieben war, ließ es sich auch mit zärtlichen Lockrufen nicht bewegen, herunterzukommen. Leider hatte ich kein Nüsslein dabei, vielleicht hätte es sich damit erweichen lassen.

Dieses kleine Erlebnis erinnerte mich an ein anderes, das ich heute noch in guter Erinnerung habe. Als ich ein kleines Mädchen war, hatte mein Großvater einen Schrebergarten vor den Toren der Stadt, in der ich geboren bin. Dort gab es im ganzen Jahr viel zu tun. Natürlich war ich immer mit dabei, es war für mich ein kleines Paradies. Großvater erklärte mir alles: Wie die Blumen hießen und was das für Vögel waren, die in den Bäumen herumflatterten Und helfen durfte ich immer, wenn die Erntezeit kam »Du mit Deinen kleinen Fingerchen kannst viel besser die vielen Johannisbeeren pflücken«, sagte er immer Und wie stolz war ich darauf, wenn mein Eimerchen viel schneller voll war, als seines Eines Tages, an einem schonen Sommertag, gingen wir beide wieder zu unserem Garten Schon von weitem sahen wir, wie ein Eichkatzchen ganz oben auf der Eingangstur saß und uns beiden entgegensah Großvater und ich sind zuerst einmal still stehen geblieben und haben uns dann langsam voranbewegt Das Tierchen blieb auch ruhig sitzen und harrte der Dinge, die da kommen sollten Erst als wir ganz dicht herangekommen waren - flugs -war es weg, wie der Blitz Am nächsten Tag hielten wir schon Ausschau nach ihm und siehe da, diesmal saß es auf dem Dach der kleinen Gartenlaube Großvater hatte sich ein paar Haselnüsse eingesteckt und wir legten diese einfach auf den Weg. Als wir uns zum Ausruhen in die Laube setzten und uns ganz still verhielten, kam es auch bald herunter. Aber so ganz traute es den Dingen wohl nicht.

Da wir beide nur in den Garten gingen, wenn es nicht gerade regnete, verloren wir das Tierchen einige Tage aus den Augen. Beim nächsten Besuch im Garten sahen wir, dass die Nüsse weg waren und wir erwarteten voll Ungeduld unseren kleinen Freund, hatten ihn schon richtig lieb gewonnen.

Um es kurz zu sagen: Immer, wenn wir das Gartentor aufschlossen, lief das kleine Tierchen schon irgendwo herum. Wir nannten es »Hansi« und lockten auch immer mit diesem Namen; es war unser kleiner Freund geworden.

So ging der schöne Sommer dahin. Hansi war in unserem Garten richtig heimisch, wir brachten ihm auch immer etwas mit. Kleine Brotbröckchen und Nüsse. Als Großvater nun seine Gartenarbeiten für den Winter machen musste, nahm er mich nicht mehr mit, weil es für ein kleines Kind zu kühl wurde.

Aber immer, wenn er aus dem Garten kam, erzählte er mir von Hansi und dass er ihm beim Arbeiten von oben herunter zugeschaut habe.

Eines Tages kam Großvater ganz traurig nach Hause. Als ich ihn nach Hansi fragte, sagte er, der sei heute nicht dagewesen. Er sah mich dabei ganz sonderbar an.

Am Abend, ich lag schon im Bett, hörte ich durch die nie ganz geschlossene Tür meines Zimmers, wie er mit meiner Mutter sprach: »Wir dürfen das der Kleinen gar nicht sagen, sonst ist sie traurig.« Natürlich wusste ich damals noch nicht, was er mir verschweigen wollte. Erst viele Jahre später erzählte er, dass Hansi wahrscheinlich von einem Marder gerissen wurde.

An all das dachte ich beim Wiedersehen mit dem flinken Braunen, einem HANSI im Bodenbacher Wald.