Der letzte Korbmacher in Mehren

Zu Besuch bei Nikolaus Greis

Claudia Eiden

Wenn man heute durch das Dorf geht und Leute bei der Gartenarbeit sieht, kann man noch so manchen handgefertigten Weidenkorb im Einsatz sehen. Und in nicht wenigen Haushalten ziert auch ein edleres Stück Korbgeflecht Flur oder Stube. Was früher ein weitverbreiteter Gebrauchsgegenstand war, ist heute eher ein Schmuckstück geworden, moderne Materialien (Plastik) haben der Weide den Rang abgelaufen.

Auf dem Land wurden diese aus Weiden geflochtenen Waren lange Zeit von den Bauern hergestellt. Sie nutzten sie entweder selber oder verkauften sie, um etwas Geld hinzuzuverdienen. Ein richtiges Korbmacherhandwerk gab es erst relativ spät (ab 1590), und vor allem im Umkreis großer Städte wie Hamburg oder München.

Eine Blütezeit hatte das Korbmacherhandwerk dann allerdings für 100 Jahre ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, als ein großer Abnehmermarkt dafür entstand. Zentren waren zum Beispiel am Niederrhein.

Sicher hat es auch hier in Mehren Leute gegeben, die die Kunst des Korbflechtens beherrschten. Einer, der das heute noch kann und auch tut, ist Nikolaus Greis, 75 Jahre alt, in der Steininger Straße 10 wohnend. Von ihm habe ich folgende Auskünfte erhalten: Nikolaus Greis war von 1945-1948 in französischer Kriegsgefangenschaft in Montelimar. Er arbeitet auf einem großen Gutshof als Landarbeiter. Abends, wenn die Arbeit getan war, machte er Bekanntschaft mit Sintis, die an der Hofmauer halt machten und dort ihre Waren verkauften; selbstgemachte Körbe aus Weiden. Von ihnen lernte er die Kunst des Korbflechtens, was ihm anfangs gar nicht so leicht fiel. Nikolaus Greis freundete sich so gut mit den Sintis an, dass sie ihm anboten, ihn im Kastenwagen über die Grenze (Straßburg) nach Deutschland zu schmuggeln. Dies lehnte er jedoch ab, weil er wusste, dass Mehren zur französischen Besatzungszone gehörte und er sich keine Chancen ausrechnete. Als er wieder zu Hause war, machte er das Korbflechten zu seinem Hobby und fertigte seitdem jedes Jahr für den Eigengebrauch verschiedene Sorten von Körben an. Seit er Pensionär ist, hat er dafür noch mehr Zeit, und wer ihn gut kennt, kann sogar einen Korb bei ihm kaufen. »Leben könnte ich davon aber nicht«, meinte Nikolaus Greis, der für einen Korb im Schnitt vier bis fünf Stunden benötigt. Die Technik des Korbflechtens: Zunächst werden die Weidenruten etwa in der Adventszeit geschnitten - Nikolaus Greis hat sie zum Teil selber gepflanzt und erntet sie jährlich, wobei ihm nicht selten ungebetene Gäste zuvorkommen! Weil die Weiden beim Verarbeiten elastisch sein müssen, werden sie vor der Arbeit einige Stunden gewässert. Der erste Schritt ist die Anfertigung eines Korbbodens. Dazu werden kurze, dickere Weidenstöcke aufgespaltet und kreuzweise ineinander gesteckt. Dieses »Kreuz« ist dann mit Weiden zu umflechten, bis der Boden die gewünschte Größe hat. Dann werden neben die Bodenstöcke lange Ruten in das Geflecht gesteckt, die eine Art Gerippe für den Korb bilden. Sie müssen am Boden eingeknickt und festgeklopft werden (mit einem sogenannten »Biege«- oder »Schlageisen«). Das Gerippe wird nun vom Boden her mit Weiden umflochten und ebenfalls festgeklopft, damit die Korbwand stabil wird. Ist die Korbhöhe erreicht, muss man die Rippen nochmal knicken und verflechten, damit ein dicker Rand entsteht, der dem Korb Halt gibt. Überflüssiges wird abgeschnitten. Zuletzt sind die Griffe oder ein großer Henkel einzusetzen, wozu man das Flechtwerk an den entsprechenden Stellen etwas lockern muss. • Je nach Beanspruchung sollen diese Weidenkörbe mehrere Jahre haltbar sein. Ich habe gehört, dass manche Leute sie auch erneut wässern, um die Lebensdauer zu verlängern.

Ich wünsche Herrn Greis, dass er noch viele Körbe flechten kann und vielleicht jemanden findet, dem er diese alte Handwerkskunst beibringen kann, damit sie im Ort erhalten bleibt. Vielleicht bietet er ja demnächst bei genügend großem Interesse einen Korbflechtkurs an!? Dann wäre sichergestellt, dass diese alte Kunst des Körbeflechtens in unserem Dorf nicht ausstirbt.

Benutzte Literatur: Zur Geschichte des Korbmacherhandwerks. Rheinisches Freilichtmuseum, Kommern 1992.