Entstehung und Untergang der Brockscheider Mühle

7805 erbaut, vor hundert Jahren ein Raub der Flammen und nie wieder aufgebaut

Klaus-Dieter Hammes, Aachen

Eine handschriftliche Aufzeichnung aus dem Jahre 1962 von Johann Zapp - einem ehemaligen Brockscheider Bürger - behandelt den Untergang der Brockscheider Mühle und den Bau eines neuen Hauses in Brockscheid. Die Erzählung, die Johann Zapp der Nachwelt erhalten hat, handelt vom letzten Pächter der Brockscheider Mühle und beginnt mit den Worten: Der Müller erzählte: Ich befand mich auf einer Tour. Eine Tour macht der Müller, wenn er den Leuten das Mehl ins Haus bringt und wieder Korn mit zur Mühle nimmt. Ich befand mich auf dem Heimweg von Brockscheid kommend erzählte er. Als ich nun an Mühlenheck kam (vorgelagerter Wald der Mühle) und über den Wald schaute, sah ich dicke schwarze Rauchwolken zum Himmel steigen. Nichts Gutes ahnend, trieb ich die Pferde schneller an. Und als ich an die Lieser kam, da wo der Weg rechts ab zur Mühle geht, sah ich meine Mühle in Flammen stehen. Als ich die lodernden Flammen sah, dachte ich, ach Gott meine Mühle. Ich jagte im Galopp bis zur Mühle und musste dann zusehen, wie meine Mühle in Staub und Asche zerfiel. Wasser zum Löschen war ja genügend vorhanden, aber es fehlte an Leuten. Und als dann die Männer aus Brockscheid und Tettscheid ankamen, die eine halbe Stunde Anmarsch hatten, war es zu spät. Der Müller hatte mit seinen Leuten das Allernotwendigste gerettet, auch sein Vieh, das sich zum größten Teil auf der Weide befand. So war er mit einem Schlage heimatlos, obdachlos geworden. Da er aber Brockscheider Bürger war, nahm ihn die Gemeinde Brockscheid auf. Und alsbald reifte in ihm der Entschluss, ein neues Haus zu bauen. Mit Hilfe einer kleinen Versicherungssumme erwarb er sich die Baumaterialien. Mit seinem Fuhrwerk schaffte er sie heran. Den Baukalk musste er in Pelm bei Gc-rolstein holen, wo er für eine Fahrt einen vollen Tag benötigte. Aber auch die Brockscheider Bürger halfen ihm beim Bau des neuen Hauses tatkräftig mit. Jeder im Dorf fuhr ihm ein bis zwei Wagen Steine oder Sand heran. Er baute sein Haus am Rande des Dorfes am neuen Pesch. Dann nannten die Leute ihn nicht mehr Müller-Mattes, sondern Pesch-Mattes. Er hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Dazu gesellte sich im Jahre 1897 noch ein weiterer Junge (Klemens), der im Weltkrieg 1917 fiel. In seinem Haus wohnt heute noch sein Enkelkind Josef Maas. Johann Zapp hat mir die Geschichte 1976, bevor er nach Duisburg zu einem seiner Kinder zog, überlassen. In diesem Jahr jährt sich der Untergang der Mühle zum hundertsten Male, dies war Anlass, die Geschichte der Mühle im Liesertal zu erforschen.

Gewerbefreiheit der Mühlenbetriebe seit 1798

Nachdem französische Revolutionsgruppen 1794 die Eifel erobert hatten, anektierte Frankreich das linksrheinische Gebiet und erklärte es zur »Fränkischen Republik«. Hier wurde 1798 schon die Gewerbefreiheit eingeführt. Danach finden wir einen beachtlichen Anstieg von Mühlen-Neugründen und -Zulassungen, die bis zur Reichsgründung 1870/81 anhalten.

Standort und Bau der Brockscheider Mühle 1805

Ob der gewählte Standort für die Mühle - einige Kilometer von Tettscheid und Brockscheid entfernt, im zwar romantischen Liesertal richtig war, muss heute bezweifelt werden. Die Lage weit ab von guten Verkehrswegen, umgeben von zwei kleinen Dörfern, die zudem durch die Berge schwer zu erreichen waren. Vielleicht war der Grund die Mühle, 1805 im Liesertal, an dieser Stelle zu errichten, die nahegelegene Wüstung der Geisenburg. Hier gab es reichlich be-hauene Steine und die waren billiges und willkommenes Baumaterial. Luftlinie vielleicht 500 m entfernt von der Mühle auf dem Bergrücken nebenan erhob sich einst die »Geisenburg«, die der Mühle ihren späteren Namen »Geisenbrunncr Mühle« gegeben hat. Die Burg - vom blinden König Johann von Böhmen erbaut -wurde im Jahre 1346, als sie zu dem Besitz der Grafen von Daun gehörte, geschleift und nicht wieder aufgebaut. Eine längst versiegte Quelle in der Südwestecke des Burgplatzes nannte der Volksmund später »Geißenbrunnen«. Man weiß, dass die Mühle am Bach aus den Steinen der einstigen Burg erbaut wurde.

Die Müllerfamilien ab 1822 (Friedbert Wißkirchen}

1822 wird in den Sterbebüchern der Pfarrei der Tod des Müllers Jacob Dionisius beurkundet. Er lebte mit Anna Maria Heck und Tochter Theresia auf der Brockscheider Mühle. 1824 erblickt Katharina Elscheid auf der Brockscheider Mühle das Licht der Welt. Als Eltern werden der Müller Karl Elscheid und Luzia geb. Linden im Taufregister vermerkt. 1827 wird im Mühlenkataster Nicolas Hennen, wie auch 1830 und 1833 als Besitzer genannt. Seit 1822 ist er mit Barbara Blaeser von der Strohner Mühle verheiratet. 1840 heißt die Müllersfamilie Karl Hennen und Mathilde Katharina geb. Müller mit den Kindern Johann Josef, Peter, Matthias, Jacob und Katharina. 1846 wohnte der Müller Johann Schmilz mit seiner Ehefrau Elisabeth geb. Moritz und den Kindern Peter, Christina und Susanna sowie den Eltern des Müllers Peter Josef Scbmitz und Elisabeth geb. Laubach auf der Brockscheider Mühle. 1849 waren die Mühlenbesitzer Thomas Mayer und Ludwina geb. Valerius. Mit auf der Mühle wohnten drei Kinder. Auch 1852 bis 1855 hat sich an den Besitzverhältnissen nichts geändert, die Ehefrau stirbt 1850 bei der Geburt des Sohnes Nikolaus. 1858 und 1861 heißt der Müller immer noch Thomas Mayer, er ist seit 1858 mit Katharina geb. Valerius (der Schwester seiner verstorbenen Frau) verheiratet. Auch 1856 und

Ein halbes Scheffel, Inhalt um 40 Pfund Korn..

1861 wird Mayer im Mühlenkataster als Betreiber erwähnt. 1858 wurde die Mühle durch einen Brand beschädigt und wieder aufgebaut (lt. Schulchronik). 1873 werden in der Schulchronik als Mühlenbesitzer Mayer und Hennen genannt. Hennen wird als früherer Mühlenbesitzer bezeichnet, der verarmt sei. 1880 wird Peter Hennen, Sohn von Nicolas, als Müller genannt. Auch 1882 wird er noch im Kataster geführt. 1883 scheint die Mühle noch in Betrieb, weil bei der Viehzählung vier Schweine, vier Kühe und zwei Pferde aufgeführt sind.

1885 wird auf der Brockscheider Mühle Jacob Eis geboren. Eltern sind Johann Eis und Maria geb. ' Mertes. Die Mutter war scheinbar eine Tochter des nachgenannten Joh. Jak. Mertes. 1890 sind als Mühlenbesitzer/Pächter Peter Hennen und Jakob Mertes erwähnt. 1893 stirbt auf der Brockscheider Mühle Johann Jakob Mertes, der aber nicht als Müller, sondern als »Handelsmann« beim Standesamt eingetragen wird. Danach übernimmt als letzter Müller, Matthias Maas (Müller-Mattes), die Brockscheider Mühle.

Die Mühle verfügt (1827) über zwei Mühlräder mit jeweils einem Mahl- und Schälgang und 1856 über drei Gänge, davon zwei Mahlgänge und einem Schälgang. Da die Mühle nicht das ganze Jahr hindurch (Wassermangel) mahlen konnte, brauchte sie auch nur die verringerte Steuer von sechs Rtlr. zu zahlen. Die Kunden der Mühle kamen aus Brockscheid, Üdersdorf und Tettscheid. Der Gesamtwert der Mühle wurde 1856 mit 400 Rtlr. geschätzt. 1889, als die Mühle den Flammen zum Opfer fiel, wohnten Müller-Mattes mit Frau und drei Kindern auf der Mühle. Das Haus, das sich der Müller-Mattes in Brockscheid baute, wird heute zwar nicht mehr bewohnt, es dient dem Enkel des letzten Pächters, Josef Maas, aber immer noch als Werkstatt. Bei einem Besuch zeigte er mir den letzten, noch verbliebenen Mahlstein der Brockscheider Mühle. Er wurde von seinem Großvater, beim Neubau im Jahre 1900, im Eingang als Trittstufe verwendet. Der Mahlstein hat einen Durchmesser von 126 cm. Josef Maas erzählte, dass der Mahlstein seinerzeit in Trittscheid gebrochen wurde.

Das halbe Scheffel

Noch vor dem letzten Krieg hatten die Mühlen einen festen Platz im Jahresablauf der Menschen. Mein Großvater, Franz Hammes, lebte in Ellscheid und wurde 1937 Witwer. Er hatte 8 Kinder zu versorgen. Die Älteste, Käthe war 14 Jahre und der Jüngste, Karl war 7 Monate alt. Das Backen war traditionell eine Arbeit der Frauen. Nachdem meine Großmutter 1937 verstorben war, mußte er auch das Brotbacken erlernen.

Mein Vater erzählte, dass die ersten Versuche durchaus schwierig waren, das Brot wurde trotzdem gegessen. Für die Kinder war es besonders spannend nach der Aussaat darauf zu warten, ob der Ertrag im Herbst auch reichen würde für den langen Winter. Sechs Morgen hat er damals eingesät und wenn nach der Ernte dann 200 Kasten auf den Feldern standen, dann konnte er zufrieden sein. Ein Kasten ergab ca. 40 Pfund Korn, die benötigte man für ein halbes Scheffel. Drei halbe Scheffel brachte mein Großvater alle zwei Wochen zum Müller nach Strohn, der Mehl daraus machte.

Alle zwei Wochen wurde dann gebacken und aus dem halben Scheffel wurden sechzehn Brote.

Grundriss der Hofanlage mit Mühle und Haus

Wer sich heute auf die Suche nach der verschwundenen Mühle macht, muss dort, wo sich am Ende der Täpicht, die Wege nach Brockscheid und Tettscheid kreuzen, geradeaus zur Lieser und dann einen schmalen Weg entlang, etwa 500 m nach links gehen. Ein alter Ahorn hält Wache am bröckelnden Gestein, das zur Ruine geworden ist. Nur noch vom ehemaligen Wohnhaus ist die Mauer, die das Haus vom Mühlengraben trennte, noch deutlich zu sehen. Der Mühlengraben ist ebenfalls noch seinem Verlauf nach zu erkennen. Wie alles Alte und Morsche die Erinnerung wachzurufen vermag an Vergangenes, so führt auch der Weg zur Mühle uns unvermittelt zurück in eine längst vergessene Zeit, wenn wir in dem moosüberzogenen Gemäuer zu lesen verstehen.

Im schnellen Tempo unserer Zeit ist es hin und wieder ratsam, den Blick einmal zurückzuwerfen in die Vergangenheit mit ihren Sorgen und Kümmernissen, als es den Menschen schwer fiel, Boden unter den Füßen zu behalten, um nicht unterzugehen. Der Volksmund wob auch eine Sage im Zeitlauf der Jahrhunderte, um das bröckelnde Gestein, um Hügel und Hänge - eine dunkle Erzählung von einem hartherzigen Tyrannen. Als jener Müller im Tal der Lieser seine Mühle erbaute, war es nach dem Volksmund der »Burgmann« von der Geisenburg, der zu nächtlicher Stunde die Mauern dort unten niederriss, damit die Abgeschiedenheit der Burg nicht gestört werde. Und als der Burgherr plötzlich eines unvorhergesehenen Todes starb, war er dazu verdammt, für alle Zeit an der Stätte seiner Übeltaten in dunklen Nächten nach den irdischen Schätzen zu graben, die er zu Lebzeiten seinen Opfern geraubt hatte.

Heute vor hundert Jahren hat der letzte Müller das Tal verlassen, als der rote Hahn in einer dunklen Herbstnacht im Jahre 1889 das Mühlrad stillsetzt.

Literatur

Mertes, Erich, Mühlen der Eifel, Band l, Helios Verlag

Mark, Klaus, Hier hatten die Müller immer Schulden, Zeitungsartikel 1962

Steffens, Willi, Mühlenrecht, Kreis Daun Jahrbuch 1976

Hammes, Klaus-Dieter, Als das Feuer in Brockscheid wütete, Zeitungsartikel 4. 6. 1977

Privatarchiv Friedbert Wißkirchen »Die Müllerfamilien ab 1822«.