Es geschah vor 350 Jahren

Wie die angeblichen Schweden 1649/50 die Kirchspiele Uersfeld und Welcherath überfielen

Erich Mertes, Kolverath

Mit dem Friedensschluss im Oktober 1648 in Münster und Osnabrück war der 30jährige Krieg zwar offiziell beendet, aber noch jahrelang danach überfielen fremde Truppen Teile der Eifel, raubten und brandschatzten. So überfielen hessische Kriegsvölker 1649 die Pfarrei Retterath und nahmen 17 Pferde und 14 Untertanen als Geiseln mit. Vor allem lothringische Truppen plünderten noch jahrelang, so 1651 die Siedlung Merzbach bei Boxberg und im gleichen Jahr das Kloster Niederehe.

Im vorliegenden Fall der »Schweden« in Uersfeld und Welcherath handelt es sich aber um keine Plünderung durch Kriegstruppen, sondern um die geordnete Einquartierung von einer Schwadron Kavallerie in die Dörfer des Amtes Nürburg. Der Kölner Kurfürst als Grundherr hatte dazu das Recht. Da er ein Feind der Schweden war, schließt es schon deshalb die Schweden aus. Aber der kurfürstlich kölnische Amtsschreiber der Nürburg nennt diese Einquartierung eine »schwiedische«, eine schwedische. Das müssen wir so verstehen, wie wenn man heute Ausländer hierzulande einfach als Kanaken (Menschen) bezeichnet, ohne zu differenzieren, ob es sich dabei um Türken, Griechen, Italiener oder andere Nationalitäten handelt. Der Amtsschreiber zu Nürburg hat jedenfalls die zwangsweise Einquartierung fremdländischer Truppen als »schwedisch«, als feindlich angesehen, wohl auch, um seine (und der Bevölkerung) Abneigung dagegen auszudrücken. Was war geschehen?

Im März des Jahres 1649 gibt der Kurfürst von Köln den Befehl, eine Schwadron Kavallerie aus den Ämtern Bonn und Beuel in das Amt Nürburg zu verlegen. Am 20. März 1649 kam der Rittmeister samt Wagen, Bagage und Fuhrleuten in Adenau an sowie einem Reiter der Leibgarde des Kurfürsten, welcher die offizielle Order überbrachte. Was sollte der Amtmann machen? Er konnte gar nichts machen als seinem gnädigsten Herrn Kurfürsten gehorchen, wenn er nicht verurteilt werden wollte. Aber er drückt seinen Unmut doch in seinen Aufzeichnungen aus, indem er die fremdländischen (kaiserlich-spanischen) Truppen als »schwedische Völker« bezeichnet. Er drückt damit für uns heute auch seine verantwortungsvolle Haltung gegenüber seinen Amtsuntertanen, denen er vorstand, gegenüber »seinen« Bauern aus. Die hatten genug gelitten und gedarbt. In 30 Jahren Krieg waren fast 2/3 ausgestorben (s. Familien in der Pfarrei Retterath 1628-1640; dazu JB Kreis Daun 1986, 224ff und 1987, 189 e. m.).

Die Einquartierung 1649/50 verlief ordnungsgemäß dem Befehl des Kölner Kurfürsten und friedlich einvernehmlich mit den spanischen Truppen. Von Übergriffen wird mit keinem Wort berichtet. Trotzdem traf es die Bevölkerung sehr, sehr hart, weil die Spanier über 40 Wochen und

zwei Tage (= 282 Tage) in Quartier lagen (vom 20. März 1649 bis 9. Januar 1650). Die kurkölnischen Ämter Bonn und Beuel sollten zwar angeblich Ausgleich zahlen, aber das ist scheinbar nur geringfügig geschehen.

Die Schwadron Reiter wurde in die Unterämter Nürburg aufgeteilt:

1. in das Kirchspiel Adenau,

2. in das Kirchspiel Reifferscheid,

3. in die Vogtei Barweiler,

4. in das Schultheißenamt Uersfeld,

5. in die vier Honschaften auf der Schuld,

6. in das Kirchspiel Welcherath. Uns interessiert hier zunächst das Schultheißenamt Uersfeld und das Kirchspiel Welcherath. Anfangs wurden dem Uersfelder Schultheißenamt neun Reiter zugeteilt, angeführt von einem Fähnrich (Cornet) und einem Unteroffizier (Corporal). Aber am 4. April 1649 wurde der Fähnrich (offenbar mit zwei Reitern) nach Lechenich bei Köln abkommandiert. Der Corporal blieb mit den restlichen Soldaten bis zum Abzug der Schwadron 1650 im Amt Uersfeld in Quartier.

Sie zog am 9. Januar 1650 vorschriftsmäßig aus dem Amt Nürburg und begab sich nach Lüttich/Belgien. Dort befand sich eine starke Garnison der Spanier. Übergriffe und Brandschatzungen hat es nicht gegeben, wie viele Greuelmärchen verkünden. Dennoch war die bedrückende Last der Bauern damals unerträglich hoch nach 30 Jahren Krieg.

 

Die Abgaben im Schultheißenamt Uersfeld

Der tägliche Verpflegungssatz für einen Soldaten und ein Pferd 1649/1650. Er war nach der sogenannten Ordonnanz von der Obrigkeit vorgeschrieben. Für den Soldaten: 2 Pfund Brot

1 1/2 Pfund Fleisch

2 Maß Bier

Für ein Pferd:

2 Mühlfass Hafer Aremberger Maß (ca. 4,5 kg/Tag

10 Pfund Heu (ca. 5 kg/Tag)

Die Preise - es kosteten damals:

1 Pfund Brot

1 1/2 Albus

1 Pfund Fleisch

4Albus

1 Maß Bier

4 Albus

1 Malter Hafer

 

kölnisch =

2 Reichstaler

1 Claut Heu =

4 Albus

Anmerkung:

l Claut (Klaut; Kleut) = 22 Pfund (siehe Alte Fruchtmaße, in Landeskundliche Vierteljahrsblätter, Trier, H. 4/1993, 189ff, e. m.).

Die Gesamtbelastung betrug für das Uersfelder Schultheißenamt 2411 Moselgulden, 22 Albus und sechs Pfennig.

In das Kirchspiel Welcherath wurden einen Tag später als in Uersfeld zunächst sieben Reiter einquartiert, von denen am 4. April zwei wieder abkommandiert wurden, so dass bis zum Gesamtabzug am 9. Januar 1650 noch fünf Reiter im Kirchspiel Welcherath verblieben. Was die an Verpflegung für sich und ihre Pferde gemäß der Ordonnanz verbrauchten, das hat der Schreiber Michael Lignarius (der lateinische Name bedeutet Holzhändler, aber auch Tischler oder Zimmermann) des Amtes Nürburg errechnet. In den ersten 14 Tagen (sieben Reiter): 196 Pfund Brot 147 Pfund Fleisch

196 Maß Bier

6 Malter Hafer und 2... (?). Hier ist das Untermaß noch nicht ganz geklärt.

44 Klaut und 12 Pfund Heu (siehe obige Anmerkung). In den weiteren (fast) 40 Wochen bis zum Gesamtabzug am 9.1.1650 (fünf Reiter): 2800 Pfund Brot 2100 Pfund Fleisch 2800 Maß Bier 87 Malter Hafter und 8... (?) 637 Klaut Heu und 14 Pfund. Die Gesamtbelastung für das Kirchspiel Welcherath hat der Nürburger Amtsschreiber mit 1783 Gulden, einem Albus und sechs Pfennig errechnet. Für das gesamte Amt Nürburg betrug die rechnerische Belastung insgesamt 14480 Moselgulden, zwei Albus und sechs Pfennig, wie es Pfarrer Schug in seiner Geschichte der Pfarreien (V,31) richtig angibt. Nur die Schweden stimmen nicht. Die erdrückende Belastung der spanischen Einquartierung erkennen wir schon daraus, dass ein Soldat täglich zwei Pfund Brot, l 1/2 Pfund Fleisch und zwei Maß Bier erhielt.

Die Bauern damals konnten sich einen täglichen Fleischverzehr nicht leisten. In meiner Jugend noch, rund 300 Jahre nach dieser Zeit, gab es höchstens einmal oder zweimal wöchentlich Fleisch - und das in einer Portion von (geschätzt) 1/4 Pfund. Das machte in einer Woche etwa ein halbes Pfund aus. In der Fastenzeit war Fleischverzehr sowieso tabu.

Täglich l 1/2 Pfund Fleisch pro Soldat, das musste die Bauern damals ruinieren, soviel hatten sie einfach nicht. Auch nicht an Brot und Bier.

Diese Aussage gilt auch dann, wenn wir das heutige Pfund von 500 Gramm mit dem damaligen Kölner/Trierer Pfund von etwa 468 Gramm vergleichen (s. J. Marx, Geschichte der Pfarreien, Trier 1923, 554). Nach dem Abzug der Schwadron nach Lüttich beschweren sich die Untertanen des Amtes Nürburg bei ihrem Herrn, dem Kurfürsten von Köln. »Wir arme bedrängte Untertanen dergestalt erschöpft und ausgemergelt werden, dass zur Unterhaltung unser selbst Weib und Kinder keine Lebensmittel zu erzwingen wissen, ungesehen die liebe Frucht sogar dieses Jahr missraten, so dass der zwanzigste Untersasse nicht ein Körnlein Roggen bekommen hat, sondern sich mit Hafer- und Buchweizenbrot säuerlich erhalten und das Leben längen muss.« Das waren Notzeiten, die wir uns heute kaum noch vorstellen können.

Beim Abzug der Truppen nach Lüttich wurde dem Amt Nürburg der Befehl hinterlassen, »dass uns das angewiesene Kontingent unfehlbar gehandreicht werden solle«. Das heißt in unserem heutigen Deutsch: ersetzt werden soll. Aber eine Rückerstattung der Kosten hat es nach den Unterlagen der Akten nur geringfügig gegeben. Daher bitten die Untertanen des Amtes Nürburg den Kölner Kurfürsten untertänigst und demütigst, er möge gnädigst geruhen, sie (die Nürburger) von solchen Lasten zu entheben und die Soldaten (künftig) woanders verpflegen lassen. Die beiden Ämter (Bonn und Beuel) möge er gnädigst, auch ernsthaft anweisen, das monatliche Kontingent wirklich zu erstatten mit »richtiger Liquidation«. Die gnädigste kurfürstliche Durchlaucht werde doch nicht gestatten, dass ein Glied des Erzstifts (das Amt Nürburg) so lange Zeit für andere einstehen (»respondieren«) und verdorben werden solle. Die Bittschrift ohne Datum wurde im Namen sämtlicher Untertanen des Amtes Nürburg verfasst. Ob der Kurfürst sie überhaupt je gelesen hat? Wir wissen es nicht, aber Zweifel sind angebracht. Der Fürst hatte sicher Wichtigeres zu tun, als sich um die Sorgen der Eifeler Bauern im Amt Nürburg zu kümmern. Die Alten enthalten jedenfalls keinerlei Angaben auf weitere Kostenerstattungen außer der Andeutung, »wir aber unterdessen ein gar geringes (nur) erlangen können«.

Die Umrechnungskurse 1649/1650:

l Reichstaler = 78 Albus (Groschen) = 3 Moselgulden, 6 Albus l Moselgulden = 24 Albus l Albus = 8 Pfennig. Der Reichstaler war eine feste Währungseinheit, dessen Kurs gegenüber den einzelnen Regionalwährungen schwankte, vergleichbar mit dem heutigen US-Dollar (»Daler«) und den übrigen Währungen.

Quellen:

LHAK, Best. 2., Nr. 2200 Privatarchiv Erich Mertes, Neuwied

Literatur:

Landeskundliche Vierteljahrsblätter Trier, H.4/1993, Alte Fruchtmaße..., S. 189ff, e. m.

Eifeljahrbuch 1992, Währungen in der Eifel, 109 ff, e. m.

Die Maße im Amt Nürburg 1638

l Malter = 8 Sümmer

1 Sümmer = 3 Dritling

1 Sümmer = 4 Mühlfass

1 Mühlfass = 4 Pinten

Also:

8 Sümmer = 1 Malter

24 Dritling = 1 Malter

32 Mühlfass = 1 Malter

128 Pinten = 1 Malter