Neubau des Dauner Pfarrhauses 1753/55

Prozess der Pfarrangehörigen gegen Pastor Otto

Friedbert Wißkirchen, Daun

Eine Visitation und ihre Folgen

Am 2. August 1744 traf Landdechant J. Leiver aus Wiesbaum zur Visitation der Pfarrei in Daun ein. Unter anderem besichtigte er das Schul- und das Pfarrhaus und ließ sich von den Sendschöffen über die Pfarrangehörigen und deren Gläubigkeit berichten. Nicht alles, was er zu hören bekam, fand seine Zustimmung. Die Kapellen in Hörscheid und Rengen bedurften der Restauration und die Üdersdorfer hatten immer noch nicht mit dem angeordneten Kapellenneubau begonnen. Ferner trugen die Sendschöffen und Pastor Otto vor, welche Strafen bei welchen Vergehen der Pfarrkinder verhängt worden waren. Eltern, deren Kinder die Christenlehre nicht besuchten, Pfarrkinder, die das Sonn- und Feiertagsgebot übertraten oder beleidigende Äußerungen in der Öffentlichkeit machten, wurden meist mit einer Strafe zur Abgabe von Wachs (zur Herstellung von Kerzen) belegt. Der Visitor musste sich auch Klagen des Dauner Küsters anhören, dass sein Naturallohn in Form von Getreide nicht in vereinbarter Menge und Qua-

Nikolauskirche und Pfarrhaus in den 40er Jahren.

lität durch die Pfarrangehörigen entrichtet wurde. Dieses und vieles mehr hielt der Visitations-Sekretär J. C. Clausen in seinem Protokoll fest, unter anderem aber auch den Satz:... »dass der Augenschein ergeben, dass das Pastoralhaus sich in so gefährlichem und ruinösem Zustand befindet«, dass die Pfarrgenossen nochmals angewiesen wurden, das »Pastoralhaus in behördlichen Stand zu setzen und zu restaurieren«. Das Protokoll wurde am 18. August 1744 den Sendschöffen und Synodalen der Pfarrei bekanntgegeben und von diesen unterschrieben. Unter anderem von Männern aus Üdersdorf, Rengen, Boverath und Hörscheid, denn diese Dörfer gehörten zur Dauner Pfarrei. Der damalige Dauner Pfarrer Johann Georg Otto wohnte nicht im Pfarrhaus, sondern hatte mit seiner Schwester Maria Margaretha, die ihm den Haushalt führte, eine Wohnung im Hause des Dauner Amtsverwalters Holen (heute, Burgfriedstraße 1) bezogen, als er 1720 nach seiner Priesterweihe als Kaplan nach Daun kam. Sein Vorgänger, der damals 70 Jahre alte Pfarrer Johann Bernhard Klerk, wohnte im Pfarrhaus, das Zimmer, das für den Kaplan bestimmt war, befand sich jedoch in einem unbewohnbaren Zustand.

Auch als Johann Georg Otto die Nachfolge als Pfarrer von Daun antrat, blieb er im Hause Bolen wohnen und zog nicht ins Pfarrhaus um, weil die Bedingungen es kaum zuließen, wie wir noch später erfahren werden. Am 13. Februar 1747 war die Situation noch unverändert, nach wie vor befand sich das Pfarrhaus in einem miserablen baulichen Zustand, so dass Landdechant Leiver erneut die Dauner Pfarrgenossen aufforderte, Abhilfe zu schaffen und auf die Feuergefahr für die unmittelbar angrenzende Pfarrkirche hinwies. Auch der Dauner Amtsverwalter Hamann, der für die Einhaltung der kurfürstlichen Brandverhütungsvorschriften zuständig war, hatte 1744 bereits auf Abhilfe gedrängt, wie Dechant Leiver nochmals erinnerte. Jetzt bekamen die Pfarrangehörigen eine Frist von acht Tagen, um sich zu erklären, ob sie Reparatur oder Neubau in Angriff nehmen wollten; aber wieder verstrich die Frist ohne Ergebnis. Dann wandte sich 1751 Pastor Otto an den Amtsverwalter Neuendorff und beklagte, dass die Pfarrkinder aus Daun und dem Kirchspiel die wiederholten Dekanatsbefehle missachteten und das Pfarrhaus weder instand setzen noch neu erbauen wollten, damit dieses vor Brand und Dieberei sicher sei. Der kurtrierische Amtsverwalter verpflichtete die Pfarrgenossen unter Androhung einer Strafe von drei Goldgulden, innerhalb von 14 Tagen eine Entscheidung zu treffen. Der Befehl wurde in Kopien vom Dauner Schulmeister J. Müller erstellt, durch den Gerichtsboten Bernhard Pfeiffer an den Dauner Bürgermeister Bernhard Mohr (in den Steuerlisten als Wollspinner ausgewiesen) und die anderen zur Pfarrei gehörenden Dörfer zugestellt. Es nützte nichts, die Pfarrgenossen weigerten sich, den Anordnun-

gen der weltlichen oder geistlichen Obrigkeit zu folgen. Am 26. April 1752 begann die gerichtliche Auseinandersetzung damit, dass Johannes Kolb, Bürgermeister von Daun und (von den Pfarrgenossen geschickt) Hans Heinrich Kreisch aus Üdersdorf (mit Pferd oder Kutsche) nach Köln reisten und unter »Verpfändung meiner Habe und Güter« dem Magistrum Franziskus Theodor Hoennigh Vollmacht erteilten, sie vor den beiden churfürstlichen geistlichen (in Köln) oder weltlichen (in Koblenz) Hochgerichten zu vertreten. Auch der Dauner Pastor Otto beauftragte einen Anwalt, den Kölner Magistrum Bernhard Heinrich Steinhoff, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in einer fast wortgleichen Vollmacht. Schriftsätze der Rechtsvertreter beider Parteien wurden langatmig und den Sachverhalt wiederholend abgefasst und ausgetauscht, ohne dass es nennenswerte Fortschritte gab.

Ein bedauernswerter Anblick

Das Wohnhaus des Pastors, so sollte man annehmen, war eines der besseren Bürgerhäuser in Daun, einer Persönlichkeit der damaligen Zeit angemessen -weit gefehlt! Der Dauner Amtsverwalter J. Albert Bolen, Nachbar von Pfarrhaus und Kirche, wies in einem Schreiben vom 26. 8. 1752 daraufhin, dass er wegen der Feuergefahr, die vom schadhaften Schornstein des Pfarrhauses ausging, auch um sein Hab und Gut bangte. Erst am Festtag St. Laurentius habe sich ein Brand des Schornsteins während des Hochamtes ereignet, der glücklicherweise durch den schnellen und beherzten Einsatz der Kirchenbesucher gelöscht worden sei. Sonst hätte sogar die Pfarrkirche und der ganze Ort eingeäschert werden können. Der Schornstein weise Löcher, Zar-

sten und Ritze auf, durch die man seinen Arm durchstrecken könne. Bolen wies ferner auf die kurfürstlichen Feuerschutzbestimmungen hin und forderte, den Schornstein ohne Rücksicht einzuschlagen. »Es wäre bei Gott unverantwortlich, wenn ein solches entsetzliches Unglück, dem wir stündlich gegenwärtig sind, durch Nachlässigkeit entstehen würde.«

Allmählich kam Bewegung in die verhärteten Fronten. Dreizehn Deputierte aus den Pfarrorten besichtigten das alte Pfarrhaus und erstellten über Mängel und Bauschäden einen Bericht, der dem nachfolgenden Gutachten eines Baumeisters ähnelte. Daraus nur ein Satz über einen Raum, der im Gutachten zumindest nicht so eindeutig erwähnt wird: »Das Scheißhaus ohne Pflaster und Dielen sich befindet«. Um eine für die Pfarrkinder günstige Regelung zu erreichen, boten die Deputierten die Summe von 400 Reichstalern zur Reparatur an. Dies lehnte Pfarrer Otto mit der Begründung ab, dass eine Reparatur nicht möglich sei.

Der Mehrerer Baumeister Thelen erstellt ein Gutachten

Der Mehrener Bau- und Zimmermannsmeister Johann Jakob Thelen erstellt am 26. Februar 1752 im Auftrag der Parteien ein Gutachten, auch um zu klären, ob sich eine Reparatur - wie von den Pfarrgenossen vorgeschlagen - lohnt. Thelen führt aus:

1. Das Pfarrhaus steht nur 15 Fuß von der Kirche entfernt.

2. Es besteht aus 2 Stockwerken, das untere teilweise in Lehm, teils in Kalk gemauert. Im Mauerwerk sind anstatt der steinernen Hölzer und Fenster(simse) Scheiter eingesetzt, selbe aber faul, so dass die Drallen (eiserne Schutzgitter) von selbst herabfallen...

3. Das Strohdach ist faul und nicht mehr zu stopfen.

4. Der Keller ist ungewölbt, mit faulstinkendem Wasser angefüllt, so dass sich in selbigem kein Getränk halten kann, woraus sich ergibt,

5. dass die darüber liegende Stube mit dem Gestank angefüllt ist. Die Stube ist aber als einzige im Winter als auch im Sommer zu nutzen, weil sie beheizbar ist.

6. Die Küche hat ein Fenster von 2 Fuß Höhe und einer Breite von 9 '/> Zoll. Dieselbe ist somit ganz dunkel, auf der »Spölwasch« (Spülbecken aus Sandstein, meist unterhalb des Fensters) kann man »gar wenig« sehen. Weil auch der Schornstein nicht richtig zieht, befindet sich die Küche ständig voll Rauch und ist deshalb ganz schwarz.

7. Das erste Zimmer zum Hof ist weder mit Estrich noch Holzfußboden versehen, noch »gebännet« (gestrichen), sondern ganz in Lehm. Die Türe mit Pfosten ist unverkleidet und einfach.

8. Das anstoßende Zimmer ist ebenso (wie Ziff. 7), jedoch mit einem Fenster, 2 Fuß hoch und 13 Zoll breit, ausgestattet.

9. Das obere Stockwerk ist unbeheizt und aus »Holzwerk« (Fachwerk) gemacht. Der Augenschein zeigt, dass das »Holzwerk« ganz verschnitten und sowohl First als Durchzug (Unterzüge) zu schwach sind. Das Wandholz rings um den Bau ist 5 Zoll dick und 7 Zoll breit, deswegen hat sich das ganze obere Stockwerk gelassen und »Buckel geworfen«. Auf diesem Stockwerk befindet sich die sogenannte Kaplan-Kammer. Die Kammer hat einen Estrich, der aber voller Löcher und Ritzen, weil das Holz zu schwach ist. Das Holz der Fenster ist ganz faul, die Tür ist unverkleidet.

10. Das Nebenzimmer gleicht dem vorher beschriebenen Zimmer, mit Ausnahme von 2 Fenstern von 2 Fuß 3 Zoll hoch und 13 Zoll breit. Auf diesem Zimmer befindet sich das »Privet« (Toilette), welches nah an dem Kirchhof offensteht und das Zimmer unbrauchbar macht.

11. Die Fleischkammer ist weder »gebödemt« (mit Holzfußboden versehen) noch gepflastert. Von dort sieht man, wie sich alles vom Speicher herabgelassen hat.

12. Der Schornstein ist voller Barsten, Risse und Löcher, aus denen der Rauch dringt. Es besteht äußerste Brand- und Einsturzgefahr. Ein Unterzug in der Nähe des Schornsteins ist zerborsten, die darauf ruhenden Pfetten haben sich heruntergelassen.

13. Das große Zimmer zum Garten hin ist an der Seite voller Barsten, 2 Pfetten haben sich merklich heruntergelassen.

14. Es befinden sich in diesem Hause 2 Speicher. Der unterste hat sich aufgrund des schwachen Gebälks gesenkt, so dass er voller Buckel ist und der oberste ist wegen des schwachen Dachstuhls und der übrigen Balken so schwach, dass er nicht mehr standfest ist oder werden kann.

15. Der Giebel gegen die Kirche hat sich mit 3 Buckeln ein- und herausgelassen (Das Fachwerk war ausgeheult).

16. Der Giebel zum Garten hat sich herausgelassen, weil der Firstpfosten in der Mitte wie auch die Firsttasche der 2 Pfosten, wo das Dach anfängt, zerbrochen sind.

Aufgrund der vorgenannten Baumängel erkläre ich gewissenhaft, dass sich das vorgenannte Haus in »einem baulosen Stand (Zustand) befindet, das selbiges weder repariert noch dauerhaft in Stand gesetzt werden kann.« Baumeister Thelen versichert, dass alle Unkosten, die für eine Reparatur aufgewandt würden, verloren wären. Abschließend erklärte der Baufachmann, dass er dieses Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Betrug und Arglist abgegeben habe. Er war »des Schreibens unerfahren« und setzte sein Handzeichen unter das Gutachten. In die Schriftform brachte das Gutachten der Amtsverwalter J. Albert Bolen, der es mit unterzeichnete.

Wohl nicht zuletzt aufgrund des Gutachtens zogen 26 Dauner und Rengener Pfarrangehörige ihre Bedenken gegen den Neubau zurück und plädierten nun für den umgehenden Bau, an ihrer Spitze J. Albert Bolen. In einer weiteren Visitation am 2. Oktober 1752 wurde die Bestrafung des Üdersdorfers Johann Heinrich Greisch gefordert, weil er als Vertreter der Pfarrgenossen den Prozeß angestrengt und den Rechtsanwalt mit beauftragt hatte. Am 13. 12. 1752 wurde dem Bürgermeister von Daun, Johann Kolb, das Dekret des Kölner Offizials (= hoher bischöflicher Beamter) Tilmann Josef Godesberg überbracht: Das Pfarrhaus ist neu zu bauen. Das Verfahren war damit beendet.

1753 wurde das alte Pfarrhaus abgerissen und ein schönes, zweigeschosses Haus mit ausgebautem Dachgeschoss für den Pastor und seinen Kaplan errichtet. 1755 war der Bau fertiggestellt und beherbergte über 200 Jahre die Dauner Geistlichen. Zum Pfarrhaus gehörten aber auch zwei Ställe und Scheune, denn 1759 hatte der Pastor fünf Kühe, zwei Ochsen als Zugtiere und auch ein Pferd, das dem Pfarrer wohl zum Reiten diente, um seine doch teilweise weit entfernten Filialdörfer zu erreichen. Das Pfarrhaus überstand - schwer beschädigt - sogar den Bombenhagel, der am 2. Januar 1945 große Teile des Städtchens und auch die altehrwürdige Pfarrkirche St. Nikolaus in Schutt und Asche legte. Bereits im April 1945 begannen die Dauner das Dach des Pfarrhauses und der Scheune zu reparieren, so dass Dechant Thomas und Kaplan Pfeiffer wieder einziehen konnten. Mitte der 1960er Jahre musste dieses schöne und stadtbildprägende Haus für den Neubau des Pfarrheims weichen. Pfarrer Otto, der Erbauer des Pfarrhauses, starb am 29. 8. 1768, nachdem er 47 Jahre die Pfarrei geführt hatte. Ihm verdanken wir eine Reihe von Informationen über die Dauner und ihr Leben in der damaligen Zeit. Er begann 1727 mit der Aufzeichnung der Taufen, ab 1735 hielt er auch die Verstorbenen und ab 1737 die Eheschließungen in Registern fest. Sie fielen Gott sei Dank nicht den Mäusen im alten Pfarrhaus zum Opfer, wie der Pastor es in einer Stellungnahme zum alten Pfarrhaus und der mangelhaften Aufbewahrungsmöglichkeiten befürchtet hatte. Auf einer der letzten Seiten eines solchen Buches trug er etwas ganz anderes ein; er machte Angaben über die heilkräftigen Dauner Mineralwasser des »Lenzigs- und Hotzerbrunnens«.

Quellen:

Akten Pfarrarchiv Daun Geschichten aus der Geschichte (Mitteilungsblätter der VG Daun -1982)

Fotos: Verbandsgemeindearchiv Daun

Die Zeichnungen über das mögliche Aussehen des alten Pfarrhauses und der Raumaufteilung fertigte dankenswerterweise Architekt Roland Thelen, Mehren