Das Püppchen mit den Schlafaugen

»Weihnachtsmarkt!«

Ich ließ mich von dem Zauber locken,

es blies ein kalter Wind mir ins Gesicht.

Vor bleicher Wintersonne fielen leicht die Flocken,

doch störten weder Schnee noch Kälte mich.

Ich ließ mich treiben von dem Sog der Menge

ein buntes Allerlei gab's da zu sehn.

Doch dann verhielt den Schritt ich im Gedränge,

vor einem Pappkarton, da blieb ich stehn.

 

Es lagen darin Puppen, große, kleine.

Die oberste, die nahm ich mir heraus,

mit blauen Schlummeraugen, welche feine!

So sah das Püppchen meiner Kinderträume aus.

 

Doch ohne Kleid war sie und ohne Schuhe,

voll Schmutz das Haar, das süße Angesicht.

Dahin war meine weihnachtliche Ruhe,

in meiner Hand, die Puppe, sah ich nicht.

 

Mir war, als säh'n mich Kinder an mit großen Augen

nicht einmal von den Eltern werden sie geschützt.

Die Blicke seh' ich, die zum Kind nicht taugen,

weil es gequält, geschändet und benützt.

 

Ihr raubt den unberührten Kinderseelen

die Kindheit und die Zukunft im Verbrechensakt.

Nun werden sie ein Leben lang sich quälen

und sind verwundbar und verstört und nackt.

 

Und hinter einer Maske braver Bürger

verbergt ihr euer wahres Angesicht.

So werdet ihr zur Bestie, zum Würger,

nur, das beweisen, nein, das geht wohl nicht.

 

Ich ruf euch, Eltern, als der Kinder Hüter.

Schenkt ihnen eure Liebe, eure Zeit.

Und hegt sie als das schönste eurer Güter,

so macht ihr für das Leben sie bereit.

 

Oh jagt doch nicht auf eurer Kinder Rücken

dem Gelde nach, das ihr oft gar nicht braucht.

Und dann beklagt ihr auch noch voll Entzücken,

wie sehr euch dieses harte Leben schlaucht.

 

Ich denk' der Kinder, die vom Krieg getrieben,

allein und heimatlos, ach welch ein Bild.

Es steht der Hunger ihnen im Gesicht geschrieben,

derweil man Halden hier mit Nahrungsmitteln füllt.

 

Auch hier bei uns, nicht nur im fernen Lande,

gibts Kinder, doch was kümmert das uns schon,

da hausen sie, an der Gesellschaft Rande,

so, wie die Puppe, in dem Pappkarton.

 

Doch auch der Eltern möchte ich gedenken,

die Tag für Tag mit nimmermüdem Fleiß,

voll Liebe ihren Kindern alles schenken,

und sei's nur ein Stück Brot und eine Schale Reis.

 

Ich legt' die Puppe wieder zu den andern.

Wie wir, schloss sie die Augen vorm Leid der Welt.

Als ich mich umwandt, da sah ich beim

Weiterwandern,

es hatte sich der Himmel aufgehellt...

 

Es bricht die Sonne sich in tausend

Schneekristallen.

Mit großen Augen lacht mich an ein Kind.

Schenk', Vater, deinen Frieden allen,

auch denen, die nicht guten Willens sind.

 

Thekla Heinzen , Feusdorf