Das Backes

Martha Roos, Trittscheid

Zu Hause musste ich als Kind schon tüchtig mit anfassen und mit jedem Tag mehr und mehr meinen Beitrag zur Hausarbeit leisten.

Zum Beispiel die meist übervollen Aschenkästen von Herd und Stubenofen auf dem Misthaufen im Hof ausleeren. Die Küche ausfegen, Holz und »Schanzen« (einige Bündel Reisig und Stabholz) für Futterkessel und Backofen hereintragen. »Schliwwerscher«, abgeschlagene Holzspäne, zum Anzünden des Feuers einsammeln und im Küchenherdbackofen deponieren, damit sie rechtzeitig trocken waren. Die Holzkästen in Küche und Stube wollten am hellen Tag frisch aufgefüllt werden, denn abends traute sich keiner von uns Kindern mehr in den schaurig dunklen Holzkeller.

Dazu übertrug man mir die Verantwortung für das Feuer unter dem Viehkessel, damit die Schweinekartoffeln schnell gar wurden, die ich dann, fast noch kochend, durch eine Mühle drehte und zum Füttern in Eimer füllte. Dadurch stand der Raum voller Dampfund dicke Rauchschwaden zwängten sich durch die offenstehende Rundbogentüre nach draußen. Dort sah es so aus, als ob unser Haus abbrennen würde. Der Futterkessel stand direkt neben dem Backofen im »Backes«. Das »Backes« war für uns sozusagen Futterküche, Waschküche, Backraum und Badezimmer. In diesem Raum war es immer schön warm, alleine schon durch den großen Backofen, worin wöchentlich einmal Brot für die ganze Familie gebacken wurde. Am Backtag hatten Lisbeth und Vater alle Hände voll zu tun. Erst das Mehl sieben und warm stellen. Dann aus den »Schrimmelen« (trockene Krümelreste vom letzten Backen) in der »Mool« (Holzwanne unter der Küchentischplatte) einen Sauerteig anrühren. Der Gärungsprozess, das Kneten und die ständige Verarbeitung des Teiges erforderten viel Zeit und Geschicklichkeit. Der Teig wollte gehütet werden wie ein rohes Ei. Nur ein kalter Windzug hätte ausgereicht, ihn am Aufgehen zu hindern und die ganze Mühe wäre umsonst gewesen. Deshalb achtete Vater streng darauf, dass die Türe zur Küche wenig geöffnet wurde, bis der Teig fertig zum Backen in den »Kurbeln« (Brotkörbchen) lag und eilig in das »Backes« gebracht wurde. Dort wartete schon der geheizte Backofen auf seine Funktion. Die Öffnung vorne sah aus wie ein riesiges Maul von einem Ungeheuer. Flink stürzte Vater den Teig aus den »Kurbeln« auf den Brotschieber, eins nach dem anderen, und ritzte mit einem Messer zweimal die Oberschicht an. Schnell, aber vorsichtig, schob er die einzelnen Teigberge in den Rachen des Ofens. Zum Schluss zog er die große Eisenplatte vor den Schlund, damit alles luftdicht verschlossen war, und hoffte nun auf gutes Gelingen. Die Backzeit betrug je nach Hitze ein ein halb bis zwei Stunden. Nachdem das Brot knusprigbraun gebacken war, nahm er es mit dem »Schoaß« (Brotschieber) stückweise heraus, tunkte eine langhaarige Bürste in kaltes Wasser und wusch damit jeden Laib Brot ab.

Dadurch bekam die äußere Brotkruste einen schönen Glanz. Lisbeth stellte die noch heißen Brotlaibe in Reih und Glied zum Abkühlen hochkant auf ein langes Wandbrett.

Diese Arbeit ging den beiden schnell von der Hand, denn anschließend schob Vater meist noch eine Ladung »Flodden« (Hefefladen) in den warmen Ofen, um die restliche Hitze auszunützen. Es musste gut vorgesorgt werden. Da gab es ja viele hungrige Mäuler zu stopfen. Besonders der »Birrebunnes«, die Eifeler Spezialität, war bei unserer großen Familie im Nu aufgegessen.

Der braune »Birrebunnesbelag« war ein Mus aus getrockneten Birnen. Damals sorgte man im Herbst für reichlich Trockenobst, das ließ sich am besten überwintern und je nach Gebrauch verarbeiten. Also einen Tag vor dem Backen wurde die erforderliche Menge Birnen zum Aufweichen in eine Schüssel mit lauwarmem Wasser gestellt. Darin quoll das Fruchtfleisch dann Zusehens auf. Tags darauf passierte man alles durch ein Sieb und verfeinerte oder schmeckte die breiige Masse mit Sirup und Anispulver ab und verteilte das Mus gleichmäßig auf die Hefefladen, kurz bevor sie in den Backofen geschoben wurden. Manchmal blieben ein paar Löffel von dem Obstbrei übrig und der wurde dann gerne von uns Kindern als Brotbelag gegessen. Vater achtete peinlich genau darauf, dass reichlich Belag auf die Fladen kam. Der Teig darunter sollte nicht zu dick werden. Das mochte er auf keinen Fall. Er hielt sich an den alten Eifeler Wahlspruch: Dünn gelappt und dick geflappt!