Heimat und Literatur

Kulturdenkmäler in Rockeskyll

Ein Beitrag zur 900-Jahr-Feier

Bruno Ockenfels, Rockeskyll /Köln

1998 konnte das Eifeldorf Rockeskyll im Landkreis Daun ein Jubiläum feiern: 900 Jahre seit der urkundlichen Ersterwähnung. Aus diesem Anlass sollen bauliche Zeugnisse aus Rockeskyll - Kulturdenkmäler - vorgestellt werden.

Erst in den letzten vierzig Jahren ist das Augenmerk der Denkmalpflege und der Volkskunde auf die sogenannten »Minderen Dinge« aus der großen Anzahl der Denkmäler gerichtet worden. So ist auch der Begriff des »Kunstdenkmals«, der die »Großen Dinge« - die einmaligen Kunstwerke der Vergangenheit - erfasst, zugunsten des allgemeinen Begriffs des »Kulturdenkmals« verschoben worden. Der Wert der »Minderen Dinge« ist erkannt worden, nicht nur das Große, sondern die Vielzahl der sich wiederholenden kleinen Kulturgüter wird vermehrt geschätzt. »Den Kölner Dom gibt es nur einmal, häufig den steingewölbten Backofen, der sich in Zeit, Orts- und Gesellschaftsverhältnissen unterscheidet«, so der Dorf- und Hausformenforscher J. Bendermacher. Für Backöfen kann man auch Bauernhäuser, Handwerksgerät und vor allem die vielen »Maler« in der Landschaft oder im Dorfgefüge einsetzen, denn die Vielfalt in der Vielzahl kennzeichnet ihren Wert. Warum aber der Erhaltungswille? Es muss etwas geben, um sich der Notwendigkeit von Kontinuität von Vergangen-

Jesus im Garten von Gethsemane

heit und Gegenwart bewusst zu werden. Eine mögliche Erklärung bietet das Bedürfnis nach Identifikation des Menschen, der Gruppe mit seiner weiteren und engeren Umwelt an. Häuser aus dem Computer des Architekturbüros, Straßen gestaltet aus Katalogen, Baustoffe aus den Baumärkten gibt es überall und gleichartig, und sie sind immer wieder austauschbar. Das Besondere und das Eigenständige wirken dagegen und ermöglichen ein Wahrnehmen und Erleben der eigenen Umgebung. Ohne aus- oder abzugrenzen, kann diese Identität im Gegenzug und auch als Regulativ zur Globalisierung ein Heimatgefühl entwickeln, das Interesse und Offenheit für Neues, für anderes, für Fremdes, ermöglicht. Ein Problem jedoch entsteht im Zusammenhang der »kleinen« Kulturdenkmäler besonders dadurch, dass die »Minderen Dinge« der Vergangenheit als im Ursprung nicht persönliche, sondern brauchhaft gebundene Kreationen... mit dem sie tragenden Bauernstand allmählich (untergehen), ... in Funktionslosigkeit (auslaufen), keine Innovationen ... sie in gewandelter Form wiedererstehen (lassen).« (J. Bendermacher). Dem kann entgegengesteuert werden, indem alte Bauernhäuser mit ihren Nebengebäuden umgewidmet werden. In Rockeskyll sind, neben der St. Bartholomäus Pfarrkirche, fünf, allesamt ehemalige Bauernhöfe als Kulturdenkmäler unter Schutz gestellt: Das Anwesen »Schölten« oder »Bolenhof« in der Dorfstraße aus den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts, das Nikolaus Becker, langjähriger Schultheiß und Bürgermeister, in Rockeskyll errichten ließ, das alte Pfarrhaus »Haaren« in Überecken, 1826 erbaut, »Austings« von 1786 und der »Hammes«-Hof aus dem Jahr 1789 in der Dorfstraße, schließlich »Wellems« in Überecken um 1800 erbaut. Weitere Unterschutzstellungen von Kulturdenkmälern gibt es in Rockeskyll (noch) nicht. Dabei lassen sich eine Reihe von Zeichen der Vergangenheit finden, die erhaltenswert sind, über die hier zunächst berichtet werden soll.

 

Die Fußfälle von Rockeskyll

Die sieben Fußfälle von Rockeskyll sind in ihrer ursprünglichen Form und Funktion nicht mehr erhalten. Fünf Reliefplatten, ihrer Rahmung und ihres baulichen Ensemble verlustig, sind an der inneren Westmauer der Vorhalle und des Turmerdgeschosses der Rockeskyller Pfarrkirche St. Bartholomäus mit Eisenklammern befestigt. Ein weiteres Teil ist in den Basaltlavasockel des Hauses Nr. 29, Dorfstraße (»Dreimüllisch«) vermauert. Diese sechste Station verfügt über eine Rahmung mit Stichbogenabschluss. Stilistisch und formal gehört wohl die Pietä-Darstellung, ebenfalls mit Rahmung, die an der Schiffwestwand der Pfarrkirche angebracht ist, in die Reihe der Fußfallstationen. Vier weitere Kreuzwegstationen, hochrechteckig (82 x 56 cm), sind unter Schutzdächern in eine Stützmauer südwestlich der Kirche eingelassen. Diese Reliefplatten gehören aus gestalterischen Gründen und auch wegen der Formmaße wohl nicht zum ursprünglichen Programm der Rockeskyller Fußfälle. Die Reliefs mit oberem Stichbogenabschluss

Verhaftung Jesu

waren Bestandteil von »Fußfallhäuschen« mit einem Sockel aus Sandsteinplatten, der tischförmig gearbeitet war. Die Platten der Passionsdarstellungen waren auf der Unterbauplatte in einer tiefen Nische angebracht. In den sechziger und siebziger Jahren wurde die Dorfstraße, an der die Fußfallstationen von dem alten Marienkapellchen, einem schlichten Bruchsteinbau mit Satteldach und gotisierendem Werkstein in der Giebelspitze, ausgehend aufgestellt waren, zur Landstraße erweitert. Dem Ausbau der Straße, die eine genormte Breite erhielt, fielen neben einigen Häusern und Scheunen auch die Fußfälle zum Opfer. Das Erscheinungsbild des Dorfes hatte sich grundlegend geändert. Zur Entstehung der Rockeskyller Fußfälle und deren religiöser und volkskundlicher Zusammenhang kann eine Stiftung aus dem Jahr 1761 des Synodalen Johannes Sprüncker aus Berlingen einen kleinen Aufschluss geben, die er »in erwegung Meines Hohen alters und des Heranzunahenden Tots...« zu Protokoll gegeben hatte. Um eine Begräbnisstätte innerhalb seiner Pfarrkirche zu erhalten, machte er eine Zuwendung von »zehn Reichstaler für die Fussfähl in meiner Hochwerten pfarriy zu mehrer Beförderung Christlicher Andacht und Übungen«. Damit wurde Johannes Sprüncker zum »benefactor Ecclesiae«, zum Wohltäter der Kirche, was ausdrücklich im Rockeskyller Kirchenbuch am 11. Mai 1775, seinem Begräbnistag, vermerkt wurde. Eine Familie Bernardy aus Essingen stiftete ebenfalls einen großen Geldbetrag für die Fußfalle; diese und ein großes Kruzifix seien von guten Leuten bezahlt worden, heißt es weiterhin, was 1762 im Haushaltsbuch der Pfarrei Rockeskyll festgehalten wurde. Mit diesen und vielleicht auch anderen Mitteln konnten der Pfarrherr und die Gemeinde einen Meister Guttmann aus Prüm mit der Steinmetzarbeit beauftragen. Anzunehmen ist, dass vor den steinernen Fußfällen schon Holzkreuze als Stationen existiert haben, zumal die Stiftungen für die Fußfälle dotiert waren. Bis zu ihrer Beseitigung hatten die Fußfälle in Rockeskyll ihre feste Funktion im Dorfleben. Waren sie in früheren Zeiten zu Kreuzwegandachten in der Fastenzeit oder bei Missionen wirklicher Anlass, so beteten später die Kinder bei einem Sterbefall im Dorf für die Seele und um einen gnädigen Tod der oder des Sterbenden, wobei sie den Gebetsgang von dem Marienkapellchen bei den alten Eichen aus beginnend die Fußfälle abschritten. Die Themen der Rockeskyller Fußfallstationen aus der Passionsgeschichte entsprechen nicht alle oder sogar kaum denen der Stationen des vierzehnteiligen Kreuzweges, der heute zumeist in den katholischen Kirchen zu sehen ist. Diesen hatte die römische Ablasskongregation 1731 und 1742 verbindlich festgelegt. Die Siebenzahl des Kreuzweges hat sich nur in Deutschland entwickeln und halten können. Die sieben Stationskirchen in Rom standen für die seit ehedem magische und kabalistische Zahl Pate. Die Jerusalemer Franziskanertradition aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, aus der sich die Kreuzwegliturgie entwickelte, wurde im Rheinland nicht so schnell angenommen. Das erste Sandsteinrelief der Fußfälle zeigt Jesus mit den schlafenden Jüngern am Ölberg in Gethsemane (Mt 26,36-46). Der kniende Jesus hebt die betenden Hände zum Kelch des Leidens, den ein Puttenengel am linken Rand des Bogens hält. Jesus ist im Zentrum des Reliefs klar herausgearbeitet. Kopf und Hände, über denen sich eine Mondsichel befindet, sieht man im Bereich des Bogens. Vier schlafende Jünger sind an den Bildrand gesetzt, eine weitere Person betritt durch ein Tor - in der rechten Hälfte - die Szene, in der der vorausgegangene Verrat des Juda Ischariot (Mt 26,14-16) angedeutet sein kann. Zeitlich unterschiedliche Abläufe aus der Leidensgeschichte finden sich oft auf Andachtsbildern. Die Reliefplatte hat die Maße von 40 cm in der Breite und 57 cm von der Basis bis zum Stichbogenscheitel. Diese Maße entsprechen den anderen Fußfallreliefs. Der Sandstein ist, wie auch bei den übrigen Reliefs, recht verwittert, so dass Einzelheiten wie die Gesichtszüge kaum mehr zu erkennen sind. Die zweite Platte zeigt die Verhaftung Jesu, vielleicht aber auch das spätere Verhör durch den »Hohen Rat«, wie es die Schreiber der Evangelien (Mt 26,47-67 par) erzählen wollten. Drei Männer mit flacher Kopfbedeckung (Judenhut?), je einer rechts und links von Jesus, der dritte oben im Rundbogenfeld, begegnen Jesus handgreiflich. Jesus weicht der Berührung nach rechts aus. Das dritte Relief entspricht Mt 27,26, einer kurzen Bemerkung, dass der römische Procurator Pontius Pilatus Jesus geißeln ließ. Dieser kurze Halbsatz ist in der christlichen Bildtradition immer wieder gestaltet worden, zeigt er doch den gemarterten und gequälten Menschen, wie er so oft in der Geschichte zutage tritt. Auch im Bildstock der Rockeskyller Fußfälle wird Jesu Geißelung klar hervorgehoben. Vier Soldaten der römischen Besatzungsmacht in Waffenröcken heben die Hände mit den Folterwerkzeugen. Die Jesusfigur ist vor einer Säule mit Kapitellsabschluss stehend bildzentral gestaltet. Jesus steht gleichsam am Pranger.

Kreuzigung Jesu

Die »Krönung« Jesu mit dem Kranz aus Dornen setzt das vierte Relief nach Mt 27,28 ins Bild. Jesus wird sitzend wiederum bildmittig dargestellt. Ein Spötter drückt, fast schwebend, Jesus den Dornenkranz auf das Haupt. Der Kopf dieses Mannes befindet sich in gerader Linie über der Halbfigur Jesu. Ein weiterer Spötter, links auf einer Böschung stehend, unterstützt die Schmähhandlung; ein dritter auf der rechten Bildseite reicht Jesus den Stab, ein verballhornendes Herrschaftssymbol.

Das fünfte Relief hat keinen textlichen und direkten Bezug zur biblisch-evangelischen Passionsgeschichte. Das dreimalige Fallen Jesu unter dem Kreuz - oder auch gerade ein siebenmaliges Fallen, mit dem auch die sieben Fußfälle in Verbindung gebracht werden können - entstammt frühester christlicher Volksfrömmigkeit und intensiviert das Leiden Jesu. In der Rockeskyller Darstellung teilen die Kreuzbalken das Relief von unten links nach oben rechts. Am linken Rand, die Diagonale übergreifend, hilft Simon aus Zyrene, der von den römischen Exekutionssoldaten dazu gezwungen wurde, Jesus das Kreuz zu tragen (Mt 27,32). In Simon ist wieder der synoptisch-evangelische Bezug hergestellt. Rechts unten im Bild ist eine weitere (helfende) Halbfigur zu erkennen. Zwei Soldaten in der oberen Diagonalhälfte treiben Jesus mit Lanzen oder Stöcken an. Der Weg, der das Relief nach unten abschließt, ist grob als steinig gearbeitet. Diese Szene entspricht auch der 5. Station des »großen« Kreuzweges in Verbindung mit der 3., 7. und 9. Station (»Jesus fällt unter dem Kreuz«).

Die sechste Fußfallstation deutet eine Muschelnische an, wohl um den Vorgang der Kreuzigung Jesu selbst hervorzuheben. Wieder teilt das Kreuz, dessen Querbalken nicht rechtwinklig zum Längsbalken steht, um eine größere Bildtiefe zu suggerieren, die Bildfläche. Der eigentliche Vorgang der Kreuzigung wird in den Evangelien nicht beschrieben, wohl aber die Tat genau genannt (Mt 27,35). In der Rockeskyller Kreuzigungsdarstellung sind drei Henker am Akt beteiligt. In der unteren rechten Ecke ergreift ein Soldat den linken Arm Jesu, dessen rechte Hand bereits angenagelt ist. In der linken Hälfte der Diagonalaufteilung ziehen zwei Soldaten das Kreuz hoch. In der »Muschel«, dem oberen Bildbogen, sind die »arma Christi«, die Passionswerkzeuge abgebildet, hier ein Hammer und der Schwamm mit dem von Jesus abgelehnten Betäubungstrank (Mt 27,34a). Der Corpus Jesu ist im Verhältnis zu den anderen Gestalten recht klein gearbeitet. (Eine Entsprechung hat dieser Fußfall zum »großen« Kreuzweg: 11. Station). Diese Fußfallstation befindet sich noch im Freien, in eine Haussockelmauer aus Basaltlava ebenerdig eingelassen. Die Platte ist in der Mitte durchgebrochen. Reliefplatte und eine Rahmung sind leider mit einer deckenden Dunkelockerfarbe angestrichen. Die Rahmung des Reliefs kann eine Vorstellung davon geben, wie die Fußfälle im Original ausgesehen haben. Den oberen Bildabschluss bildet ein barocker Bogen mit einer Falz, der innen geglättet ist. Das siebte und letzte Relief kann man aus formalen und stilistischen Gründen in der Pietä sehen, die heute geschützt im Kirchenraum angebracht ist. Auch die Maße der Pietä entsprechen ungefähr denen der anderen bilder. Die Darstellung entspricht der 13. Station des auf 14 beziehungsweise 15 Stationen erweiterten Kreuzwegs: »Jesu Leichnam wird vom Kreuz genommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt«. Der Schreiber des Johannesevangeliums berichtet, daß Maria mit Johannes, dem Lieblingsjünger, bei der Kreuzigung zugegen war (Job. 19,26f). Die Szene der Pietä-Darstellung jedoch ist biblisch nicht nachweisbar, sie ist in Verbindung mit der Kreuzabnahme und Grablegung zu sehen (Mt 27ff par). Seit dem 13. Jahrhundert kommen in Deutschland Andachtsbilder, auch Vesperbilder genannt, auf, die der persönlichen Erbauung dienten. Vor allem die trauernde Maria, eben die Pietä, sollte zur Meditation und Andacht führen. Die Darstellung der Rockeskyller Pietä im angenommenen Zusammenhang mit den Fußfällen zeigt die bekannte und vielfach variierte Haltung Mariens. Sie hält den toten Sohn mit der rechten Hand am Kopf und linkem Arm. Der rechte Arm des Leichnams hängt nach unten über die Reliefplatte hinaus; auch die Füße hat der Bildhauer über den Bildrand hinausgeführt. Der Faltenwurf des Gewandes und des Kopftuchs der Maria, das über ihre Arme gebreitet ist, weist auf eine sorgfältige Arbeit hin. Der Leichnam Jesu bekommt durch das abgerundete Bein seiner trauernden Mutter eine natürliche Lage. Die Pietä hebt sich im Vergleich von den anderen Stationen der Fußfalle ab; vielleicht auch gerade wegen des besonderen Themas. Den um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen Rockeskyller Fußfallstationen ist eigen, dass sie formal streng aufgebaut sind. Gestalterische Orientierung sind Vertikale, Horizontale und die Diagonale. Die Figuren bleiben in ihren Proportionen grob und wirken recht gedrungen; ihre Anordnungen sind erzählend und hinweisend. Bis auf die Pietä und die Kreuzigungsszene, die in Hochreliefs gehauen sind, können die restlichen fünf eher als Flachreliefs gesehen werden, selbst wenn man den Verwitterungszustand berücksichtigt. Oft wird von einem ländlichen oder bäuerlichen Barock gesprochen, wenn Kunstwerke dieser Art, wie eben die Rockeskyller Fußfalle, stilistisch eingeordnet werden sollen.

Die vier weiteren hochrechteckigen Reliefplatten an der Stützmauer südwestlich der Pfarrkirche haben Themen des »großen« Kreuzweges zum Inhalt: zum einen die Verhaftung oder Verurteilung Jesu (erste Station), bei der ein römisches Feldzeichen zu erkennen ist, zum anderen »Jesus nimmt das schwere Kreuz auf seine Schultern (zweite Station), zum weiteren »Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz« (dritte Station) und als letztes die Begegnung der Veronika: »Veronika reicht Jesus das Schweißtuch« (sechste Station). Bis auf das dritte Bild, das durch die Darstellung des Fallens eine diagonale Bildaufteilung hervorruft, sind die Figuren der Platten vertikal parallel angeordnet. Dem flüchtigen Vergleich der Komposition und der Figurengestaltung nach wird die Ausführung dieser Reliefs einem anderen Steinmetz als dem der Reliefplatten mit Stichbogenabschluss zuzuordnen sein.

Quellen:

KD Kreis Daun

LThK

Nick, Rudolf u.a.: Das Eifeldorf

Rockeskyll, Trier 1993