Rheinland - pfälzische Verfassung

Doris Huschens, Üdersdorf

Die Verfassung für Rheinland-Pfalz gehört zu den frühesten Landesverfassungen der Nachkriegszeit. Ihr ursprünglicher Charakter als stark naturrechtlich geprägtes Dokument hat sich trotz mehrfacher Änderungen bewahrt. Die Verfassung für Rheinland-Pfalz erging am 18. 5. 1947 als einer der frühesten Entwürfe zur staatsrechtlichen Neuordnung in den westlichen Zonen und im Zusammenhang mit den Verfassungen der Länder der französischen Zone. Das neuformierte Rheinland-Pfalz war ein Bundesland mit schwach ausgeprägter Identität. Es gab praktisch keine Gemeinsamkeiten der Menschen in den fünf Landesteilen. Die Identität des Landes sollte auch durch die Landesverfassung hergestellt werden. Lösungen für diese Herausforderung wurden damals besonders in einem bewusst religiös motivierten Naturrecht gesucht. Wie alle Verfassungen, die älter sind als das Grundgesetz, beinhaltet die Verfassung einen umfassenden Grundrechtskatalog. In ihrer ursprünglichen Form verfasste die Landesverfassung den Eindruck eines geschlossenen, von Kompromissen kaum verwässerten Dokuments. Sie verfasste einen Staat mit positiv umschriebenen, ethisch fundierten Zielen, die Staat und Bürgern zur Verwirklichung aufgegeben waren. Der weit ausgreifende Menschenrechtskatalog war nicht nur auf Individualrechte beschränkt; das Gemeinwesen wurde von den kleinsten sozialen Einheiten, Ehe und Familie, her begriffen. Der Staatsaufbau von unten nach oben wurde durch eine stark gemeindliche Selbstverwaltung gesichert. Die Wirtschaftsverfassung versuchte, Eigen- und Gemeinnutz zu harmonisieren. Die Mitwirkung von Parlament und Bürgern an der Staatswillensbildung war relativ schwach ausgeprägt. Die Kontroversen um die Landesverfassung entzündeten sich jedoch nicht an den vorgenannten Kernelementen, sondern am politischen Richtungsstreit über die Schul- und Erziehungsfragen. Die entsprechenden Regelungen waren nicht auf der Höhe ihrer Zeit und standen einer Öffnung des Schulsystems in Richtung weltanschaulicher Neutralität und Pluralismus entgegen. Die Verfassung wurde insbesondere aus diesem Grunde und dem sich daran entzündeten heftigen Streit von der Bevölkerung nur mit einer relativ geringen Mehrheit verabschiedet, und war somit von Anfang an auf Revision angelegt. Nicht nur die Nachbesserungen der umstrittenen Passagen, sondern auch das Inkrafttreten des GG, welches eine landestypische eigenständige verfassungsrechtliche Gestaltung begrenzte (insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Sozialverfassung), ließ das Konzept der LV von 1947 partiell leer laufen. In der Zeit von 1949 bis 1993 kam es auf diesem Hintergrund zu insgesamt 32 Verfassungsänderungsgesetzen (nur das GG mit 42 Änderungen wurde öfters geändert). Reformschwerpunkt waren Regelungen über Schule und Bildung. Eine späte Reaktion auf die Debatten der Gründungsphase des Landes war die Modernisierung dieses Abschnittes im Jahre 1970. Weitere Schwerpunkte bildeten die Senkung des aktiven und passiven Wahlrechts, die innere Organisation des Landtags, die Stärkung des Rechnungshofes, die Erweiterung der Aufgaben des Verfassungsgerichtshofes sowie Anpassungen an grundgesetzliche Regelungen. Verfassungsreform ist in Rheinland-Pfalz nichts Neues und steht seit 1949 quasi ständig auf der Tagesordnung. Die Entwicklung der Verfassung verlief kontinuierlich, sie war immer Teilrevision, nie Totalrevision.

Ein neues Kapitel der Reformbemühungen wurde 1991 aufgeschlagen. Auf dem Hintergrund einer SPD-/FDP-Koalitionsvereinbarung setzte der Landtag im Januar 1992 eine Enquetekommission ein, die von den im Landtag vertretenen Parteien mit der Überprüfung verschiedener landesverfassungsrechtlicher Regelungen beauftragt wurde. Die Kommission bestand aus neun Abgeordneten und fünf Mitgliedern aus Rechtsprechung und Rechtswissenschaft. In der Folge dominierten die Reformentwürfe der Parteien die Beratungen der Enquetekommission, nicht zuletzt weil die Öffentlichkeit zu wenig beteiligt war. Eine breite Verfassungsdiskussion hat es außerhalb der Parteien kaum gegeben. Die bekannte Form bundesdeutscher Politikproduktion mit einer in sich weitgehenden geschlossenen Diskussion von Parteien, Verbänden und Experten wurde nicht durchbrochen. Der Abschlußbericht der Kommission datiert vom 16.9. 1994. Die CDU-Fraktion legte im Herbst 1994 einen eigenen Änderungs- und Ergänzungsentwurf zur Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz (Simmerner Entwurf] vor und verknüpfte ihre Reformvorschläge mit der Diskussion über die Verkleinerung des Landtags. Die Fraktionen der SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne legten zur abschließenden parlamentarischen Beratung ebenfalls eigene Gesetzentwürfe vor. Für keinen der vorgelegten Entwürfe fand sich jedoch die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Lediglich Art. 50 Abs. l LV wurde um das kommunale Wahlrecht für die Bürgerinnen und Bürger der EU ergänzt. Die Verfassungsreform war durch die Reformbereitschaft der Parteien eingeleitet und durch ihre Reformunwilligkeit im Zeichen des Wahlkampfs auch wieder gestoppt worden.