Geschichte und Geschichten

2000 Jahre Arbeit mit Eifeler Eisen

Erwin Holzer, Feusdorf

Während andere Metalle wie das leichter zu schmelzende Kupfer bereits seit ältester Zeit in vielfältiger Weise genutzt wurden, stellte das Eisen, obwohl es eines der am häufigsten vorkommenden Elemente ist, mit seinem vergleichsweise hohen Schmelzpunkt die Menschen vor größere Probleme. Zu einem Zeitpunkt, als die Technik der Bronzeverarbeitung nach 3000 Jahren des Experimentierens und der Praxis bereits einen Höhepunkt erreicht hatte und man aus diesem Werkstoff eine Fülle komplizierter Gebrauchsgegenstände und Kunstwerke gießen, hämmern und nieten konnte, war die Gewinnung von Eisen noch selten und die dazu notwendige Technologie ein wohlgehütetes, wertvolles Geheimnis. Als Pioniere auf diesem Gebiet gelten insbesondere die Hethiter, die um das Jahr 1500 vor Christus, als die anderen Hochkulturen des Mittelmeers und des Zweistromlandes noch mit Bronze und Kupfer arbeiteten, begannen, im anatolischen Hochland Eisen zu gewinnen und zu verarbeiten. Die Hethiter nutzten ihr Monopol auf den neuen Werkstoff Eisen, der durch seine größere Härte den bis dahin verwendeten Metallen insbesondere bei der Herstellung von Waffen entscheidend überlegen war, systematisch aus und ließen sich Gegenstände aus dem kostbaren Material teuer bezahlen. Die Wertschätzung, die das Eisen damals genoss, zeigt sich auch darin, dass sich im weltberühmten Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun neben Kostbarkeiten aus Gold und Silber auch Armreife und ein Dolch aus Eisen fanden. Von den hethitischen Gebieten Anatoliens aus breitete sich die Kunst der Eisengewinnung allmählich weiter aus und gelangte über Griechenland und die Etrusker in das damals noch in weiten Teilen »barbarische« Europa. Die Kelten, die im ersten Jahrtausend vor Christus Zentraleuropa und auch unsere Heimatlandschaft beherrschten, übernahmen das neue Wissen und begannen schnell, die Technik der Eisengewinnung und -Verarbeitung zu verbessern und weiterzuentwickeln. Während zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends Gegenstände aus Eisen noch seltene Kostbarkeiten waren, die als wertvolle Erbstücke von Generation zu Generation weitergegeben wurden, wenn sie nicht als Grabbeigaben für hochgeschätzte Verstorbene dienten, musste man um das Jahr 100 vor Christus bereits nicht mehr mit Eisen sparen. Funde ausrangierter Werkzeuge und die großzügige Verwendung des Eisens zum Beispiel in Befestigungsanlagen zeigen, dass sich die Produktionsmethoden so verbessert und verfeinert hatten, dass das Metall nun in großen Mengen frei verfügbar war. Mit den Kelten kam die Eisenzeit auch in die Eifel. Deren Erzlager hatten die Kelten schnell entdeckt und nutzten sie intensiv. Das Eisenerz kam in der Eifel in verschiedenen Formen vor, als Roteisenstein oder Brauneisenstein recht dicht unter der Erdoberfläche. Deshalb konnte es ohne aufwendige Bergbautechnik in Schürfgruben und kleineren Schächten gewonnen werden. Das Erz wurde dann zerkleinert, vorgeröstet und in einem niedrigen Schachtofen (dem Rennofen) auf etwa 800 Grad erhitzt. Zwar wurde das Eisen, dessen Schmelzpunkt bei 1536 Grad liegt, in einem solchen Ofen nicht richtig flüssig. Durch die bereits bei 700 Grad einsetzende Reduktion des Eisenerzes konnten aber die Verunreinigungen größtenteils vom Eisen getrennt werden, es blieb als schwammartige Masse, die sogenannte Luppe, zurück, die noch einmal aufgeheizt und gehämmert werden konnte, um restliche Schlackeneinschlüsse zu beseitigen. Das Rohmetall wurde dann für Transport und Tauschhandel zu Barren ausgeschmiedet, die später weiterverarbeitet wurden. Auch im Kreis Daun konnten Spuren einer derartigen keltischen Eisengewinnung und -Verarbeitung gefunden werden. Im Jahre 1928 stieß man bei Rodungen auf der Staatsdomäne bei Hillesheim auf ein umfangreiches keltisches Gräberfeld und die Überreste eines keltischen Verhüttungsofens, der als der älteste seiner Art nördlich der Alpen gilt.

Nachdem die Römer die Herrschaft über die Keltengebiete, darunter auch die Eifel, übernommen hatten, führten sie die Nutzung des Eisens fort und intensivierten diese noch. An zahlreichen Stellen der Eifel lassen sich die Zeugnisse römischer Verhüttungsanlagen finden. Schlackenhalden und Spuren von Verhüttungsanlagen gibt es beispielsweise im Raum Blankenheim und bei Preist im Kreis Bitburg-Prüm. Auch im Kreis Daun lassen sich für das 2. und 3. Jahrhundert nach Christus Spuren von Eisenverhüttung bei Jünkerath in der an der Römerstraße Trier-Köln gelegenen römischen Siedlung Icorigium nachweisen. Nachdem die Römerherrschaft im 5. Jahrhundert nach Christus unter dem Ansturm der Völkerwanderung zusammenbrach, erlitt auch die Eifel schwere Rückschläge. Unter der folgenden Herrschaft der Franken nahm die Bevölkerungszahl ab, die landwirtschaftliche und bergbauliche Nutzung und auch die Eisenproduktion gingen deutlich zurück. Ortsnamen wie Schmidtheim, das im Jahre 867 erstmals urkundlich erwähnt wurde, deuten immerhin daraufhin, dass die Eisenverarbeitung nicht völlig zum Erliegen kam.

Eine richtige Blütezeit begann für die Eisennutzung im Eifelraum allerdings erst wieder im hohen Mittelalter, als sich im 12. Jahrhundert das Kloster Steinfeld zu einem regelrechten »Technologiezentrum« für Bergbau und Hüttenwesen der Eifel entwickelte. Mit dem Beginn der Wasserkraftnutzung und fortschrittlicher Schmelztechnik eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten; erstmals konnte man das Eisen jetzt richtig schmelzen und verflüssigen. Das flüssige Eisen konnte dann zu völlig neuen Formen und Produkten vergossen werden. Mit der neuen Technologie, die auf die in der Eifel reichlich vorhandenen Ressourcen Wasser und Holz angewiesen war, bildete sich zunächst im »Schleidener Tal« ein regelrechtes Eisenrevier mit zahlreichen Hütten und Hämmern. Andere Gebiete folgten, bald bestanden in der Eifel Hunderte von Eisenerzgruben und zahlreiche Hütten. Ein großer Teil des europäischen Eisenbedarfs wurde hieraus gedeckt. Gefördert wurde die Eisengewinnung und -Verarbeitung insbesondere von den zahlreichen geistlichen und weltlichen Territorialherren, die schnell erkannt hatten, dass sich mit dem Eifeler Eisen gutes Geld verdienen ließ. Die Namen großer Eifeler Adelsfamilien wie der Arenberger und des Hauses Manderscheid-Blankenheim sind deshalb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eng mit der Eifeler Eisenindustrie verknüpft. Neben den bereits genannten Zentren in Bereich der Nordeifel traten so in der Südeifel wichtige Hütten wie Quint, Weilerbach und Eisenschmitt, in der Zentraleifel Eisenwerke wie Kronenburg, Stahlhütte und Antweiler auf. Im heutigen Dauner Kreisgebiet wurde Eisen beispielsweise in Ahütte, Müllenborn, Schauerbach und Jünkerath verarbeitet. Für den Jünkerather Raum ist von einem Neubeginn der Eisenproduktion etwa in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts auszugehen, wobei entscheidende Impulse von dem damals bereits bedeutenden Eisengewerbe der Wallonie mit den Zentren Lüttich, Dinant und Namur ausgingen. Weitere Anstöße kamen aus dem Schleidener Eisenrevier, mit dem über das Adelgeschlecht Manderscheid-Blankenheim enge politische Verbindungen bestanden, und den im Olefund Urfttal gelegenen Hüttenwerken. Um 1470 bestand in Jünkerath ein Eisenwerk, dessen Hüttenarbeiter im Buch der im gleichen Jahr gegründeten Glaadter Bruderschaft erwähnt werden. Nach einer Unterbrechung aus nicht näher bekannten Gründen wurde dann im Jahre 1687 die Jünkerather Hütte durch Ernst Salentin von Manderscheid-Blankenheim neubegründet, der auch Reichsfreiherr von Jünkerath war. Diese Gründung hatte - wie noch anzusprechen sein wird - Bestand. Die intensive Nutzung des Eisens veränderte auch das Landschaftsbild der Eifel. Die Hüttenwerke benötigten für den Betrieb ihrer Öfen enorme Mengen an Holzkohle. Eine nimmermüde Schar von Holzfällern und Köhlern war deshalb ständig damit beschäftigt, neue Holzkohle heranzuschaffen. Weite Gebiete wurden abgeholzt und schon im Mittelalter kam es wieder- holt zu Holzknappheiten, die verschiedene Hütten zwangen, ihren Betrieb vorübergehend einzustellen. Um die Eisenhütten als ihre wertvollen Einnahmequellen zu sichern, erließen die adligen Landesherren deshalb bereits erste »Umweltschutzgesetze«, die im Interesse einer stetigen Versorgung der Hütten mit hochwertiger Holzkohle einen allzu rücksichtslosen Raubbau an den Waldbeständen verhindern und eine geordnete Waldnutzung und Wiederaufforstung gerodeter Flächen gewährleisten sollten. Trotzdem wurden große Gebiete dauerhaft entwaldet und die Natur konnte sich erst nachhaltig erholen, als im 19. Jahrhundert mit dem Niedergang der Eifeler Hütten und dem Aufkommen der Steinkohle der Holzkohlebedarf rapide sank. Auch die Spuren des jahrhundertelangen Eisenerzabbaus kann man noch heute mit kundigem Auge erkennen; an vielen Orten sieht man wie Narben in der Landschaft flache, runde Gruben, »Pingen« genannt, in denen einst Eisenerz gefördert wurde; daneben erheben sich als niedrige, grasüberwachsene Kuppen die Abraumhalden der alten, längst aufgegebenen Gruben.

Nach jahrhundertelangem Aufstieg gerieten die Eifeler

Guss eines 12 t schweren Maschinenbettes in Jünkerath 1953

 

Eisenhütten am Ende des 18. Jahrhunderts mit der von England ausgehenden Industrialisierung in eine ernste Krise. Zu teuer waren ihre noch weitgehend handwerklich hergestellten Produkte, zu abseits von den neuen Verkehrsadern ihre Lage. Eine letzte Blüte erlebte die Eifeler Eisenindustrie zwar noch einmal unter der Herrschaft der Franzosen in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts, als die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre die billige englische Konkurrenz von den Märkten des europäischen Festlands fernhielt. Nach der endgültigen Niederlage Napoleons im Jahre 1815 endete diese Atempause aber schon wieder und der Niedergang setzte erneut mit voller Wucht ein. Verschlimmert wurde die Situation durch die Randlage, in die die Eifel aufgrund der vom Wiener Kongress festgelegten neuen europäischen Grenzen geriet; sie gehörte nun als westlichstes Gebiet zu Preußen. Ungeliebt und weit entfernt von den neuen, im fernen Berlin residierenden Herren wurde sie vernachlässigt und als bloße militärische Puffer- und Aufmarschzone gegenüber den Franzosen gesehen. Zugleich gingen die Verbindungen zu den weiter westlich gelegenen Zentren wie der Wallonie, die über Jahrhunderte hinweg befruchtend auf die Eifeler Eisenindustrie gewirkt hatte, weitgehend verloren. Nur wenige der Eifeler Hütten konnten sich durch Anpassung an die neuen Verhältnisse behaupten. Der letzte Eifeler (Holzkohle-) Hochofen wurde im Jahre 1898 im Jünkerather Hüttenwerk stillgelegt, zugleich erloschen die letzten Holzkohlemeiler im Tötbachtal bei Jünkerath (noch heute kann man übrigens dort im Wald die Spuren der kreisrunden Köhlerplätze sehen). Die Eifeler Eisendynastien mit klangvollen Namen wie Hoesch, Mannesmann und Poensgen zogen in die neuen Industriezentren an der Ruhr und zählten dort zu den wichtigsten Gründern der modernen deutschen Montanindustrie.

Völlig abgerissen ist die Tradition des Eisens in der Eifel aber glücklicherweise doch nicht. Eine ganze Reihe eisenverarbeitender Betriebe hat sich durch die schwierigen Zeiten hindurch behauptet und auch das Jünkerather Werk hat durch konsequente Umstrukturierung und technologischen Fortschritt als moderner Industriebetrieb überlebt. Noch heute wird dort Eisen, wenn auch nicht mehr aus Eifeler Förderung, gegossen und zu vielfältigen Produkten verarbeitet. Gleich neben dem modernen Industriebetrieb steht das Jünkerather Eisenmuseum, das die mehr als 2000jährige Tradition der Eifeler Eisennutzung von der Keltenzeit bis heute dokumentiert und in schönen Exponaten Kunstfertigkeit und technisches Wissen vergangener Generationen anschaulich werden lässt. Ein Besuch lohnt sich und lässt die alten Zeiten des Eifeler Eisens wieder lebendig werden.